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# taz.de -- Corona-Folgen für Erneuerbare: Virus-Opfer Wind und Sonne
> 2020 sollte weltweit ein neues Rekordjahr für die erneuerbaren Energien
> werden. Jetzt wird zum ersten Mal mit einem Dämpfer gerechnet.
Bild: Großer Markt mit Problemen: Windenergie in Indien
Berlin taz | Für den Ölmarkt sieht der Chef der Internationalen
Energieagentur IEA, Fatih Birol, derzeit schwarz: Im April stürzte der
globale Ölverbrauch wegen der Coronakrise um etwa ein Drittel ab, der Preis
ist so niedrig, dass die Branche ins Trudeln gerät und die CO2-Emissionen
zurückgehen.
Das klingt wie eine gute Nachricht fürs Klima. Und trotzdem sei das „kein
Grund zum Feiern“, sagt Birol. Denn seine Behörde sieht noch eine andere
Gefahr: „Die Pandemie stellt eine signifikante Bedrohung für die zeitnahe
Entwicklung der Erneuerbaren und ihre vitale Rolle in der globalen
Energiewende dar“, heißt es in einem Kommentar.
Auch die Erneuerbaren sind Opfer des Virus. Zum ersten Mal überhaupt,
schätzen Experten, wird sich der globale Siegeszug vor allem der Solar- und
Windenergie in diesem Jahr abschwächen.
## Erstmals weniger Solaranlagen
Weil Werke schließen, Bauarbeiten sich verzögern, Material nicht geliefert
wird und Investoren ihr Geld zusammenhalten, könnten in diesem Jahr
weltweit 9.000 Windkraftanlagen weniger gebaut werden als geplant, der
Markt nur um 9 statt um 24 Prozent zulegen, schätzt der Branchendienst
BloombergGreen.
Zum ersten Mal überhaupt würden wahrscheinlich weniger Solaranlagen
installiert als im Vorjahr – etwa 8 Prozent, so eine andere Analyse. Und
Rana Adib, Generalsekretärin des Erneuerbaren-Netzwerks REN 21, geht auf
Anfrage der taz davon aus, „dass wir 2020 etwa 10 bis 20 Prozent weniger
Wachstum bei den erneuerbaren Energien haben als geplant“.
Dabei sollte auch 2020 ein großes Jahr für die Öko-Energien werden. In den
USA, China und in der Europäischen Union stehen 2020 ehrgeizige Ziele für
den Ausbau an, Fristen für Projekte laufen aus, die nun wohl kaum erreicht
werden. Um die Klimaziele einzuhalten, bräuchte es allerdings bis 2050
zehnmal so viele Windkraftwerke und Solaranlagen wie heute vorhanden, hat
die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien IRENA errechnet. Da tut
jedes nicht gebaute Windrad weh.
Die Alarmsignale kommen aus der ganzen Welt, denn die Lieferketten sind
global. 25 Gigawatt an Windleistung stünden in den USA jetzt auf der Kippe,
sagt John Hensley, Vizechef der American Wind Energy Association,
Bloomberg. Hersteller haben ihre Werke in der Türkei und in Spanien wegen
des Virus geschlossen oder reduziert.
Die Produzenten Siemens Gamesa und Vestas haben Produktionslinien in
Spanien, Indien und Brasilien dichtgemacht. In China läuft die Produktion
wieder an, leide aber unter fehlenden Rohstoffen. Aus Ecuador, einem der am
schwersten vom Virus getroffenen Länder, kommt praktisch kaum noch
Balsa-Holz, wichtig für die Rotorflügel.
Die Erneuerbaren werden auch indirekt getroffen, hat die IEA
zusammengetragen: Auf Baustellen geht es langsamer voran, weil das Personal
Abstand halten muss. Häfen schlagen weniger Ware um. Erörterungstermine mit
betroffenen Anwohnern, wichtig für das Genehmigungsverfahren, fänden beim
Corona-Versammlungsverbot praktisch nicht mehr statt.
In den USA sei der Markt für private Solaranlagen auf Hausdächern praktisch
verschwunden, sagt Heymi Bahar, IEA-Analyst, weil derzeit niemand mehr
Handwerker bestellt. „Das macht 40 Prozent des globalen Markts für
Photovoltaik aus.“
IRENA-Chef Francisco La Camera beschwichtigt diese Ängste: „Die Pandemie
betrifft auch die Erneuerbaren, aber weniger als die Gesamtwirtschaft“,
erklärte er am Montag bei der Vorstellung des neuen „Ausblicks für
Erneuerbare“. Die Botschaft: Die weltweite Energiewende garantiere bis 2050
etwa 2,4 Prozent mehr globale Wirtschaftskraft als die dreckigen Energien,
sie bringe 44 Millionen neue Jobs und koste in den nächsten 30 Jahren
insgesamt 110 Billionen Dollar – spare aber durch vermiedene Schäden und
Ölrechnungen „achtmal so viel Geld ein“.
Wie es mit Energiewende und Klimaschutz weitergehe, sei vor allem eine
Entscheidung der Politik, sind sich die Analysten einig. Die IRENA verweist
auf die niedrigen Kosten, die IEA fordert wie viele andere, die Krise als
Chance zu sehen: mehr Erneuerbare, mehr Effizienz, Subventionsabbau.
Die Entwicklung der Erneuerbaren sieht IEA-Analyst Bahar positiv, weil sie
in vielen Ländern von staatlichen Regeln wie der Einspeisevergütung
unterstützt werde. Allerdings ist unklar, ob Regierungen vor allem in den
Schwellenländern in einer doppelten Gesundheits- und Wirtschaftskrise durch
Corona Geld und Interesse haben, eine saubere Energieversorgung aufzubauen.
„Die Politik muss die richtigen Bedingungen schaffen“, sagt Rana Adib von
REN21. Auch IRENA und IEA fordern, dass die „Green Deals“ und Aufbaupakete
für die Wirtschaft in Erneuerbare investieren und faire Regeln schaffen –
„es gibt keine bessere Zeit als jetzt, um bei niedrigen Ölpreisen
Subventionen für Fossile abzubauen“, so Adib. In der Krise lernten viele
außerdem, lokale und sichere Energieversorgung zu schätzen. „Das könnte
eine Chance sein.“
20 Apr 2020
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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