# taz.de -- Reform für Migration aus Afrika: Arbeitsvisum gegen Kaution | |
> Der Sachverständigenrat der Bundesregierung skizziert eine | |
> Einwanderungsreform. So könnte legale Migration aus Afrika nach Europa | |
> möglich werden. | |
Bild: Kampf gegen die Pandemie: Näherinnen in Ghana stellen Schutzkleidung her | |
Berlin taz | Wer mit Schleppern aus Afrika nach Europa reist, gibt für die | |
lebensgefährliche Reise oft mehrere Tausend Euro aus. Der deutsche | |
Sachverständigenrat Migration (SVR) hat jetzt einen Vorschlag gemacht, was | |
stattdessen mit diesem Geld geschehen soll: Migrationswillige | |
AfrikanerInnen sollen eine „Kaution“ bei der deutschen Botschaft in ihrem | |
Heimatland hinterlegen – und dafür ein temporäres Arbeitsvisum bekommen. | |
Reisen die AfrikanerInnen wieder aus, bekommen sie ihr Geld zurück. | |
Der Vorschlag ist Kern des Jahresgutachtens des Expertengremiums, das in | |
diesem Jahr vom Bundesinnenministerium finanziert wurde. | |
Corona habe die [1][Migration aus Afrika] „medial in den Hintergrund“ | |
treten lassen, sagte die SVR-Vorsitzende Petra Bendel. Das sei ein Fehler: | |
Die demografische Entwicklung gehe auf beiden Kontinenten „in eine | |
entgegengesetzte Richtung“, weshalb beide Seiten auf Migration angewiesen | |
seien. In der Vergangenheit habe Europa vor allem versucht, seinen | |
Grenzschutz vorzuverlagern und irreguläre Migration schon in Afrika zu | |
stoppen. Diese „einseitige Schwerpunktsetzung“ sehe der SVR „kritisch“. | |
Das nun vorgeschlagene Kautionsmodell für Arbeitsvisa wäre international | |
ein Novum. Die Visa sollten „befristet, aber nicht notwendigerweise | |
einmalig“ vergeben werden, sagte Bendel. | |
## Beitrag zur Entwicklung | |
Die MigrantInnen sollten zunächst in ihre Herkunftsländer zurückkehren, | |
dort ihre Ersparnisse investieren und so einen Beitrag zur Entwicklung | |
leisten. Danach sollte es für sie aber die Möglichkeit geben, erneut nach | |
Europa zu kommen. Deutschland solle dafür seine im Juli beginnende | |
EU-Ratspräsidentschaft nutzen. | |
Eine Höhe für die Kaution nennt der SVR nicht. Sie müsse „hoch genug sein, | |
dass sie die Zugewanderten davon abhält, ihren Verlust in Kauf zu nehmen, | |
indem sie ihr Visum überschreiten und in die Schattenwirtschaft wechseln“. | |
Sie dürfe gleichzeitig nicht so hoch sein, dass sie zu viele von vornherein | |
ausschließt. | |
Lebensunterhalt und Krankenversicherung müssten die Menschen in der Zeit in | |
Deutschland nach der Vorstellung des SVR selber bezahlen. Bei Ersterteilung | |
solle nach spätestens 18 Monaten die Ausreise erfolgen. Wird dies | |
eingehalten, soll nach 6 bis 12 Monaten eine erneute Einreise möglich sein. | |
Der Aufenthaltszeitraum würde dann auf 18 bis 24 Monate ausgedehnt, schlägt | |
der SVR vor. | |
Der Freiburger Jurist Daniel Thym vom SVR sagte, von „legalen Wegen“ aus | |
Afrika nach Europa sei „nur in Sonntagsreden zu hören“, tatsächliche | |
Angebote gebe es kaum. Solche legalen Wege seien aber ein wichtiges Mittel, | |
um „Migration und Entwicklungszusammenarbeit zu verbinden“. | |
## Wirtschaftlicher Abschwung | |
Das dürfte durch [2][Corona] noch einmal wichtiger werden. Denn zum einen | |
droht durch die Pandemie auch in Afrika ein wirtschaftlicher Abschwung. Zum | |
anderen ist Arbeitsmigration auch innerhalb des Kontinents durch regionale | |
Reisebeschränkungen stark behindert. Eine direkte Folge: Rücküberweisungen | |
von MigrantInnen, die so genannten Remittances, sind schon jetzt stark | |
zurückgegangen. | |
Die Weltbank schätzte in der vergangenen Woche, dass die globalen | |
Rücküberweisungen in diesem Jahr um 20 Prozent fallen werden. Für Afrika | |
südlich der Sahara würde dies einen Verlust von über 10 Milliarden | |
US-Dollar bedeuten. | |
Migrationspolitik müsse „den Fokus auf legale und faire Zugangswege legen, | |
das mahnt der SVR zu Recht an“, sagte die Grüne Filiz Polat. „Der Erfolg | |
deutscher Migrationspolitik muss sich immer am fairen Umgang mit dem | |
afrikanischen Kontinent messen lassen.“ | |
Den Vorschlag, eine temporäre Zuwanderung für 12 bis 18 Monate auf | |
„Kaution“ zu ermöglichen, sieht sie allerdings kritisch. „Wer einen Beit… | |
leistet, sollte eine langfristige Perspektive bekommen“, sagte Polat. | |
Schon heute müssten afrikanische Studierende ein hohes Eigenkapital zur | |
Einreise für ein Studium in Deutschland aufbringen. Dennoch würden ihnen | |
trotz Erfüllung aller Voraussetzungen ihre Visaanträge oft mit der | |
Begründung einer mangelnden Bereitschaft zur Wiederausreise abgelehnt. | |
28 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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