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# taz.de -- Frauen im Rennsport: Allein unter Machos
> Maria Teresa de Filippis schaffte es 1958 in die Formel 1. Das brachte
> ihr Respekt ein und doch gilt Motorsport bis heute als Männersache.
Bild: Maria Teresa de Filippis beim Rennen in Monte Carlo 1958
Für Motorsport gibt es in der Leibesübungenredaktion [1][traditionell
keinen Platz]. Der sportive Wettbewerb der Autokonzerne um die Gunst der
Zuschauer ist uns keine Zeile wert. Geht es aber um die emanzipative Kraft
des Sports, machen wir schon mal eine Ausnahme.
Ihre Mutter gab ihr den Rat mit: „Fahr schön langsam und gewinne.“ Das mit
dem langsamen Fahren hat sicher nicht ganz funktioniert für Maria Teresa de
Filippis, die erste Frau am Steuer in der Formel 1, aber Siege hat sie
durchaus eingefahren – zunächst innerfamiliär. Weil ihre rennsportelnden
Brüder behaupteten, die jüngere Schwester könne das nicht, schloss sie eine
Wette mit ihnen ab. Gleich ihr erstes lokales Rennen in einem Fiat 500
Topolino hat sie, da gehen die Berichte auseinander, entweder gewonnen oder
als Zweitplatzierte absolviert. Jedenfalls ging die Wette an sie, und von
da an war die 22-jährige Italienerin von Tempo und dröhnenden Motoren
nicht mehr abzuhalten.
Maria Teresa de Filippis hatte wie so viele Pionierinnen aus reichem Haus
schon als Jugendliche Reiten, Ski und Tennis betrieben, aber ein paar
Pferdestärken mehr waren ihr lieber. Sie siegte in diversen Rennen, wurde
1954 Zweite der italienischen Sportwagenmeisterschaft und holte 1956 bei
einem Grand Prix in ihrer Heimatstadt Neapel nach dramatischer Aufholjagd
wieder einen zweiten Platz. Die Formel 1 lehnte sie jedoch im selben Jahr
ab, weil „eine Frau einen Helm höchstens beim Friseur“ tragen könne.
Der Motorsport ist traditionell [2][Hort des Machismo] und war gerade
deshalb früh eine Plattform feministischer Kämpfe. Schon 1901 war Camille
du Gast eine bekannte Rennfahrerin, der 1904 unter dem Vorwand „weiblicher
Nervosität“ die Lizenz entzogen wurde. Hélène van Zuylen nahm 1898 als
erste Frau an einem internationalen Motorsportrennen teil.
## Exzentrische Pionierinnen
Autopionierin war auch die exzentrische Aristokratin Anne de Rochechouart,
die die Wiederherstellung der Monarchie, antisemitische Zeitungen und
feministische Organisationen finanzierte, aber auch mit einer Anarchistin
befreundet war und als erste Französin einen Führerschein machte. In
England nahm Dorothy Levitt 1903 als erste Frau an einem Motorsportrennen
teil. Die frühen Rennfahrerinnen, oft aristokratische Suffragetten, waren
vergleichsweise zahlreich; interessanterweise verschwand die weibliche
Motorsportlerin erst mit der Zeit. Daran änderte auch Maria Teresa de
Filippis wenig.
1958 schaffte de Filippis es in die Formel 1 und ging als Letzte ins Ziel.
Insgesamt fünf Anläufe unternahm sie, zweimal scheiterte sie in der
Qualifikation, zweimal blieb sie im Rennen mit Motorschaden liegen. Dennoch
sagte Rennfahrkollege Tony Brooks: „Sie hatte Mut, und sie wurde von ihren
Konkurrenten dafür respektiert. Sie fuhr nicht vorne mit, aber sie war
sehr kompetent.“
Und vielleicht bedachte sie ja nur Mutters Rat, nicht zu schnell zu fahren.
Während der zehn WM-Rennen 1958 ließen laut SZ vier Fahrer ihr Leben, und
de Filippis gestand später: „Eigentlich hatten alle Angst.“ Nach dem Tod
ihres Ex-Freunds Luigi Musso und später dem des Freundes Jean Behra auf der
Rennstrecke beendete sie 1959 ihre Laufbahn.
Im Jahr 2016 starb Maria Teresa de Filippis mit 89 Jahren, die Gründung der
neuen W Series für Frauen 2019 erlebte sie nicht mehr. Aber immerhin musste
sie auch nicht hören, wie wenig sich kulturell im Rennsport verändert hat.
Rennfahrer [3][Nico Hülkenberg erzählte 2018 dem Spiegel], Motorsport sei
Männersache, denn „Jungs wollen mit Autos aufwachsen, Mädchen wollen mit
Puppen spielen“.
Und hartnäckig hält sich auch das Argument, Frauen seien einfach zu
risikoscheu (was bei Extremsportarten längst widerlegt ist). Aber
vielleicht geht auch einfach die Zeit des Motorsports zu Ende; Frauen am
Steuer machen das teure und umweltschädliche Spektakel auch nicht besser.
Vielleicht hätte Maria Teresa de Filippis der ganze Zirkus gar nicht mehr
so interessiert. „Zu unserer Zeit waren die Fahrer Freunde“, sagte sie 2006
etwas kulturpessimistisch [4][dem Observer]. „Wir sind zusammen gereist,
waren in denselben Hotels. Heute springen sie nach einem Rennen direkt ins
Privatflugzeug. Es bleibt wenig von dem Sport, wie er zu unserer Zeit war.“
23 Apr 2020
## LINKS
[1] /Peter-Unfried-ueber-Motorsport/!5056913
[2] /Motorsport-im-Film-war-schon-mal-besser/!5638383
[3] https://www.spiegel.de/sport/formel1/formel-1-nico-huelkenberg-im-interview…
[4] https://www.theguardian.com/observer/osm/story/0,,1720870,00.html
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
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Motorsport
Frauensport
Emanzipation
Geschichte
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