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# taz.de -- Forschungsförderung gegen Corona-Virus: Eine rein medizinische Tas…
> Die Universitätsforschung im Kampf gegen Corona wird gestärkt.
> Sozialwissenschaftliche Ansätze aber bleiben auf der Strecke.
Bild: Die Task Force: Anja Karliczek, Christian Drosten (rechts) und Charité-C…
BERLIN taz | Die Nationale Task Force zur Steuerung und Abstimmung der
Anstrengungen zwischen der deutschen Universitätsmedizin und der Politik im
Kampf gegen das Coronavirus wird sich auf medizinische Forschungsfragen
fokussieren. Das erklärte ein Sprecher des Bundeswissenschaftsministeriums
(BMBF) am Dienstag gegenüber der taz. Man arbeite „mit Hochdruck“ daran,
dass die Task Force „demnächst“ ihre Arbeit aufnehmen könne.
Demnach soll die Task Force, deren Gründung die
[1][Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek] (CDU) bereits am 26. März
angekündigt hatte, weniger als schnelle medizinische Eingreiftruppe
operieren denn als Organisationsteam zum Aufbau eines Netzwerks über alle
Universitätskliniken in Deutschland hinweg. Informationen über erfolgreiche
Behandlungen schwer kranker Corona-Patienten sollen auf diese Weise schnell
und zuverlässig geteilt werden können. Geleitet wird dieses Team vom
Vorstandsvorsitzenden der Berliner Charité, Heyo K. Kroemer. Nach heutigem
Stand, hieß es aus dem Ministerium, beteiligten sich alle
Universitätskliniken.
Weitere Einzelheiten über Zusammensetzung, Arbeitsweise, Erreichbarkeit und
inhaltlicher Schwerpunktsetzung der Task Force sind auch zwei Wochen nach
ihrer Ankündigung nur schwer in Erfahrung zu bringen. Die Strukturen der
Koordinierungsstelle und des gesamten Netzwerkes befänden sich „derzeit im
Aufbau“, teilte am Dienstag eine Sprecherin der Charité der taz mit.
Verfahrensweisen, Prozesse und Zuständigkeiten würden „so schnell wie
möglich“ geklärt, zeitgleich würden „die Projektbeteiligten angesprochen…
Von besonderer Bedeutung sei „selbstverständlich die Nationale Task Force
selbst“, doch müssten deren Details erst noch „zwischen Politik und
Wissenschaft abgestimmt“ werden. „Sobald die Voraussetzungen hierfür
gegeben sind, werden die Partner des Netzwerks die Details veröffentlichen
und Vertreter der Medien informieren“, versicherte die Charité-Sprecherin.
## Soziale Fragen werden ausgeklammert
Klar scheint indes bereits jetzt zu sein: Andere als
medizinisch-naturwissenschaftliche Fragestellungen sollen weitgehend auf
der Strecke bleiben. Sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Forschung,
das stellte der Sprecher des Wissenschaftsministeriums gegenüber der taz
klar, „wird nicht Schwerpunkt der Arbeit des Nationalen Netzwerkes der
Universitätsmedizin sein“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft habe jedoch
eine Ausschreibung auf den Weg gebracht, „die sich auch an diese
Disziplinen richtet“. Und auch das BMBF habe seinerseits einen Förderaufruf
gestartet, an dem sich auch die Sozialwissenschaften beteiligen könnten.
Eine zweite Nationale Task Force, die sich rein sozial- und
wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsfragen widmen würde, ist dagegen
nicht geplant. Und mit einer luxuriösen 150-Millionen-Euro-Förderung, die
das Ministerium gerade in die medizinisch-naturwissenschaftliche
Corona-Forschung pumpt, dürften die sozial- und wirtschaftswissenschaftlich
Forschenden auch kaum rechnen dürfen: „Aufgrund der unterschiedlichen
Ansätze ist es nicht möglich, ein Finanzvolumen für diese Förderung
anzugeben“, so der Ministeriumssprecher zur taz.
Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD), ein unabhängiges Gremium
aus empirisch arbeitenden Wissenschaftlern sowie Vertretern öffentlicher
Einrichtungen zur Datenerhebung, das die Bundes- und Landesregierungen seit
2004 zu Forschungsbedarfen der empirischen Sozial-, Verhaltens- und
Wirtschaftswissenschaften berät, reagierte mit Unverständnis und Bedauern:
„Bisher sind wir in die Task Force nicht eingebunden“, sagte der
RatSWD-Sprecher Mathias Bug der taz.
„Wir sehen die Einbindung des RatSWD aber als einen zentralen Baustein,
diese wichtigen Kopplungen zwischen medizinischer und
sozialwissenschaftlicher Forschung zu bewerkstelligen.“ Auch die drohende
finanzielle Benachteiligung der sozialwissenschaftlichen Forschung
gegenüber der naturwissenschaftlichen Forschung bei der Vergabe von
Fördermitteln und Forschungsaufträgen sei schwer erträglich: „Es ist nicht
sinnvoll, Forschungsinitiativen aus Bord- oder Restmitteln zu steuern“, so
Bug.
Bug regte in diesem Zusammenhang Langzeitstudien an, die die symptomlose
Verbreitung des Coronavirus und die individuellen sozialen und
wirtschaftlichen Folgen einer Ansteckung untersuchen könnten. Zu empfehlen
sei daneben, wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche und seelische Folgen
der Pandemiebekämpfung in Panel-Langzeitstudien zu erheben. „Einkommen,
Bildungs- und Migrationshintergrund, Geschlecht und Alter dürften eine
erhebliche Rolle für die unmittelbare individuelle Betroffenheit spielen“,
so Bug. Erst wenn hierüber empirische Evidenz vorliege, sei „fundierte
wissenschaftliche Politikberatung“ möglich.
Forschungsbedarf sieht der RatSWD daneben im Bereich der Schulschließungen
und des digitalen Unterrichts. „Wir unterstützen mit Nachdruck die
Forderung, dass auch die Nebenwirkungen dieser nicht-pharmakologischen
Interventionen untersucht werden“, sagte Bug. Und schließlich gelte es,
Faktoren zu erforschen, die das individuelle Verhalten in Haushalten
beeinflussten, die Regeln während des Lockdowns zu befolgen oder nicht.
„Für die Pandemiebekämpfung ist das kurz- wie langfristige Verhalten der
Bevölkerung ausschlaggebend“, so Bug. „Hierüber wissen wir noch zu wenig.…
Das Wissenschaftsministerium investiert derzeit mehr als 300 Millionen Euro
in die medizinische Bekämpfung von Corona. Hierzu zählt neben der
Behandlung auch die Vorbeugung. Doch Erwartungen, dass man auf kurzem Wege
zu einem Impfstoff gegen das Corona-Virus gelangen könne, dämpft das
Ministerium derzeit. Ein Impfstoff müsse nicht nur wirksam, sondern auch
sicher sein. Man werde keine Abstriche an Sicherheit und Wirksamkeit
machen. Derzeit befinden sich [2][erste Impfstoffe in der ersten klinischen
Erprobungsphase]. Diese Versuche können naturgemäß scheitern. Über die
Aussage hinaus, dass ein Impfstoff frühestens 2021 zur Verfügung stehe,
seien derzeit keine Voraussagen möglich.
7 Apr 2020
## LINKS
[1] /Anja-Karliczek-ueber-die-Pisa-Studie/!5644657
[2] /Suche-nach-Corona-Impfstoff/!5670549
## AUTOREN
Anna Lehmann
Heike Haarhoff
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