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# taz.de -- Drogenhandel in Berlin in Corona-Zeiten: Drogenlager noch gut gefü…
> Auch die Drogenkonsumenten und Dealer bekommen die Auswirkungen der
> Pandemie zu spüren. An Stoff mangelt es aber noch nicht.
Bild: Im Görlitzer Park sind die Dealer in Zeiten von Corona bisweilen beschä…
Ausgemergelte Gestalten stehen neben der Treppe, die zum U-Bahnhof
hinunterführt. Einige haben verschorfte Wunden im Gesicht, andere schwanken
leicht, halten sich an einer Bierflasche fest. Am Kottbusser Tor, dem
Szenetreffpunkt der Drogenabhängigen, scheint alles wie immer. Auch einen
Kilometer weiter, im Görlitzer Park, das gewohnte Bild: People of Color
säumen in Kleingruppen Eingänge und Wege. Vorbeikommende, die Blickkontakt
aufnehmen, werden gefragt, ob sie Gras kaufen wollen.
Aber der Schein trügt. Auch die Drogenkonsumenten und Dealer bekommen die
Auswirkungen der Coronakrise zu spüren. Wenngleich nicht ganz so drastisch,
wie aus anderen Teilen der Welt berichtet wird. Weder Marihuana sei in
Berlin derzeit knapp noch harte Drogen wie Heroin oder Kokain, erfuhr die
taz von Kennern der Szene.
Aber das sei eine Momentaufnahme, die sich schnell ändern könne. Die
Pressestelle der Polizei bestätigte das am Freitag auf Nachfrage: „Uns
liegen aktuell keine Erkenntnisse vor, dass die geschlossenen Grenzen dazu
geführt haben, dass weniger Betäubungsmittel nach Berlin geschmuggelt
werden.“
Im Zuge der Corona-Pandemie sind die Grenzen schon seit Wochen für den
Privatverkehr geschlossen. Der internationale Luftverkehr tendiert gen
null. Nicht nur Drogennachschubwege seien blockiert, auch die synthetische
Drogenproduktion in Ländern wie Mexiko oder Kolumbien komme zum Erliegen,
war am Wochenende in der Süddeutschen zu lesen.
Die Grundstoffe für die synthetischen Erzeugnisse kämen zu einem großen
Teil aus Hubei in China, dem Ausgangspunkt von Sars-CoV-2. Die Labore
funktionierten noch nicht wieder richtig, und die Lieferketten ins Ausland
seien unterbrochen.
Dass in Berlin noch keine Knappheit zu spüren ist, erklärt Astrid Leicht,
Geschäftsführerin des Drogenhilfeträgers Fixpunkt, so: “Die Lager scheinen
noch gut gefüllt zu sein.“ Kokain hat laut ihren Klienten immer noch eine
hervorragende Qualität. „Es gibt auch keine Infos, dass sich die Preise
verändert haben.“ Die Polizei teilte dazu nur so viel mit: Zu einem Mangel
an Betäubungsmitteln gebe es keine Erkenntnisse.
Ein in einer Bochumer Methadonambulanz tätiger Kollege von Astrid Leicht
hatte die Situation in Nordrhein-Westfalen kurz vor Ostern gegenüber Medien
so beschrieben: In einigen Städten gebe es auf der Straße kaum noch Heroin
zu kaufen. Selbst für Drogenersatzstoffe wie Valium gingen die Preise hoch.
Immerhin, das deckt sich mit der Beobachtung von Fixpunkt: Der
Straßenhandel in Berlin versucht die Strukturen der veränderten Lage
anzupassen. Der Grund: Wenn kaum noch jemand U-Bahn fährt, fallen Käufer
und Dealer auf Handelsrouten wie der U7 und U8 plötzlich viel mehr auf. Die
Polizei, zurzeit ohnehin unterbeschäftigt, hat leichtes Spiel. Auch an
Szenetreffpunkten wie dem Stuttgarter Platz oder Kottbusser Tor seien
Dealer jetzt vorsichtiger, erfuhr die taz. Denn: Junkies, die auf Entzug
sind, bestürmen die Dealer an den Treffpunkten regelrecht.
Problematisch geworden ist in Zeiten von Corona für Drogensüchtige auch die
Geldbeschaffung. Praktisch alle Einkommensquellen sind ihnen weggebrochen:
Flaschensammeln, Zeitungsverkauf, Betteln – im März ging da kaum noch was.
„Und Einbrechen kann man auch nicht mehr, weil die Leute alle zu Hause
sitzen“, sagt Fixpunkt Geschäftsführerin Leicht.
Michael Janßen, Facharzt für Allgemeinmedizin, versorgt in seiner
Neuköllner Praxis rund 70 Opiatabhängige mit dem Ersatzstoff Methadon. Das
Gute: Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Take-Home-Verordnungen
erweitert. Zwei Drittel von Janßens Patienten brauchen deshalb nur noch
einmal pro Woche in die Praxis kommen, um die Ration abzuholen. Das Risiko,
sich unterwegs mit dem Coronavirus anzustecken, ist für sie damit gesunken.
Opiatabhängige gehören zur Corona-Risikogruppe.
Dass Mittelstandsbürger über die Ausgangsbeschränkungen klagen, nennt
Janßen „Wohlstandsgejammere“. Der Lockdown träfe die Opiatabhängigen in
ihren Hinterhauslöchern ungleich härter. Vom Fenster seiner Praxis in der
Karl-Marx-Straße kann der Arzt einen der Szenetreffpunkt sehen. Kaum hätten
Polizei und Ordnungsamt die Menschen vertrieben, seien sie zurück.
Szenenwechsel: Je wärmer es wird, umso mehr prosperiert im Görlitzer Park
das Cannabisgeschäft. So war es bisher immer. Aber nun, in Zeiten von
Corona, sind nicht nur die Touristen als Käufer weggebrochen, sondern auch
die Gelegenheitskiffer vom Stadtrand. Die Dealer, in der Mehrzahl People of
Colour, sind mehr oder weniger arbeitslos.
Die meisten hätten keine Alternative, außerdem sei der Görli ein
Community-Treffpunkt, erzählt einer, der sich auskennt.
Am Donnerstagabend sah man Angehörige der Community im Park Fußball
spielen, auf den Bänken sitzen, quatschen, kiffen und Musik hören. Von mehr
als 50 Prozent Geschäftseinbußen ist die Rede. Dazu kommt, dass die Polizei
– auch wegen der Corona- Kontrollmaßnahmen – deutlich präsenter als früh…
ist. Auch in der Hasenheide, wo ebenfalls gedealt wird, ist das so.
O-Ton Polizei: „Insgesamt erscheinen die mutmaßlichen Tätergruppierungen
tagsüber bisweilen beschäftigungslos, da der Zustrom und Durchfluss von
potenziellen Käufern von Betäubungsmitteln stark rückläufig ist.“
19 Apr 2020
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Drogenhandel
Schwerpunkt Coronavirus
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Friedrichshain-Kreuzberg
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Barbara Slowik
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