# taz.de -- Die Wahrheit: Der Corona-Führerschein | |
> Mehr Maßregeln: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will eine | |
> Prüfung der sozialen Kontaktfähigkeit per Fragebogen einführen. | |
Bild: In der Corona-Schlange Abstand halten, will gelernt sein | |
Nach den neuesten Entscheidungen der Bundesregierung zur Coronakrise am | |
Mittwoch gilt bis Anfang Mai: Das Kontaktverbot bleibt wie die | |
Mindestabstandsregel von 1 Meter 50. Doch Deutschland wird langsam | |
isolationsmüde, immer häufiger kommt es zu Verletzungen der Beschränkungen. | |
Was tun? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erwägt nun offenbar, einen | |
„Fußgängerführerschein“ einzuführen nach dem Vorbild der theoretischen | |
Fahrprüfung. Nur wer diesen Test besteht, darf künftig vor die Tür. Die | |
zwölf Fragen wurden der Wahrheit jetzt durchgestochen. | |
1. Supermarkt | |
Im nächstgelegenen Supermarkt begegnen Ihnen zwischen Tütensuppen und | |
Teigwaren an der Kreuzung zu den Hygieneartikeln von links eine Angehörige | |
einer Risikogruppe, die in Ihren Gang einbiegen will, von rechts ein junger | |
Mann mit Mundschutz und Baby (ohne Mundschutz) auf dem Arm. Der Gang zu den | |
Hygieneartikeln ist durch einen Damenbinden nachlegenden, systemrelevanten | |
Supermarktmitarbeiter blockiert. Wer darf zuerst gehen? | |
A: Der junge Mann kommt von rechts, daher darf er zuerst passieren. | |
B: Ich lasse der Angehörigen der Risikogruppe den Vortritt, trete zwei | |
Schritte zurück und lege mich unten ins leere Nudelregal, um den | |
Sicherheitsabstand von 1 Meter 50 zu wahren. | |
C: Ich nehme meinen Mundschutz ab und huste mir den Weg frei. | |
2. Arbeitsplatz | |
Ein Arbeitskollege streckt Ihnen zur Begrüßung die Hand hin. Wie verhalten | |
Sie sich? | |
A: Ich ergreife sie, denn ich trage ganztags rosa Putzhandschuhe. | |
B: Ich wähle den Notruf und zeige ihn wegen versuchter Körperverletzung an. | |
C: Ich ignoriere die Hand und trete ihm zur Begrüßung gegen das Schienbein. | |
3. Gehweg | |
Sie befinden sich auf einem 1 Meter 20 breiten Gehweg. Ihnen kommt eine | |
Frau mit Mundschutz und hustendem Kind entgegen. Wie lösen Sie die | |
Situation? | |
A: Wir bleiben im Abstand von 1 Meter 50 stehen und klären per | |
Schnick-Schnack-Schnuck, wer bis zur letzten Kreuzung zurücklaufen muss. | |
B: Ich passiere die beiden mit gesenktem Kopf und halte dabei den Atem an. | |
C: Ich springe auf die Straße in den fließenden Verkehr, dort habe ich eine | |
höhere Überlebenschance. | |
4. Nudelregal | |
Jemand mit starken Erkältungssymptomen studiert im Supermarkt die | |
Inhaltsstoffe einer Packung Nudeln und legt sie (die Nudeln) anschließend | |
zurück ins Regal. Es ist die letzte Packung. Wie verhalten Sie sich? | |
A: Es ist verdammt noch mal die letzte Packung, und zu Hause habe ich nur | |
noch sieben Packungen. Was bleibt mir anderes übrig? Ich kaufe sie | |
trotzdem. | |
B: Ich kaufe Reis. Oder Kartoffeln. Hauptsache, Kohlenhydrate. Zur Not | |
gibt’s heute Cornflakes mit Tomatensoße. | |
C: Ich kaufe die Packung trotzdem, koche die Nudeln aber in 80-prozentigem | |
Alkohol. | |
5. Gegenverkehr | |
Ihnen kommt eine fünfköpfige Familie entgegen. Sie blockieren die gesamte | |
Breite des Gehwegs. Was tun Sie? | |
A: Ich drehe um und renne, so schnell ich kann. | |
B: Ich singe „Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse“, die Familie | |
bildet eine Polonaise und ich kann vorbei. | |
C: Ich lasse mich von der Familie adoptieren. | |
6. Spieleabend | |
Sie werden von Freunden zu einem Spieleabend eingeladen. Gehen Sie hin? | |
A: Ja, aber ich desinfiziere das „Siedler“-Spiel gründlich und schreibe auf | |
jede „Lehm“-Karte „Atemmasken“. | |
B: Ja, aber ich nehme Gepäck für 14 Tage mit. | |
C: Nein, schon die Einladung zeigt, dass dies nie meine Freunde gewesen | |
sein können. Ich zeige sie beim Ordnungsamt an. | |
7. Baugerüst | |
In einem nur 90 Zentimeter breiten Bereich unter einem Baugerüst begegnen | |
Sie einem Jogger. Wie reagieren Sie? | |
A: Wir bleiben im Abstand von 1 Meter 50 voreinander stehen und warten, bis | |
die Kontaktsperre aufgehoben wird. | |
B: Wir verständigen uns, wer von uns über den Boden robbt und wer sich oben | |
am Baugerüst entlang schwingt, um den Mindestabstand vertikal einzuhalten. | |
C: Wir scheißen auf das Ansteckungsrisiko, geben uns im Vorbeigehen einen | |
Zungenkuss und bilden für die nächsten 14 Tage eine Hausgemeinschaft. | |
8. Friseur | |
Sie müssten jetzt wirklich dringend mal zum Friseur. Wie gehen Sie mit der | |
Situation um? | |
A: Scheiß drauf, schlimmer als bei Christian Drosten wird’s schon nicht | |
werden. | |
B: Der Sohn meiner Nachbarin hat eine Freundin, von deren Bruder die | |
Cousine in einem ehemaligen Neuköllner Kohlenkeller eine Schwarzschererei | |
betreibt. Ist allerdings nicht billig. | |
C: Ich bestell mir ein Album von Iron Maiden und üb’ schon mal headbangen. | |
9. Kinder | |
Ihr 16-jähriger Sohn möchte sich mit seiner Freundin treffen. Lassen Sie | |
das zu? | |
A: Ja, aber nur tagsüber im Park auf zwei Decken mit 5 Metern Abstand. | |
B: Nein, die hat sicher Corona. Ich zeige mich aber verständnisvoll. Wenn | |
ihre Beziehung diese paar Monate übersteht, weiß er immerhin, dass sie die | |
Richtige ist. Zudem erlaube ich ihm, jederzeit und überall in der Wohnung, | |
so oft er will, zu onanieren. | |
C: Ja, klar doch! Wenn der Bengel aus dem Haus ist, bleibt mehr Bandbreite | |
für mich. Endlich ruckelfrei netflixen! | |
10. Kassenschlange | |
In der Kassenschlange im Supermarkt tragen alle Mundschutz, ausgenommen | |
eine etwa 80-jährige Dame, die ihren Einkaufswagen abstandlos in Ihre | |
Hacken rammt. Dann legt sie mit schmutzigen Händen Ware aufs Band. Wie | |
reagieren Sie? | |
A: Ich rufe den Amtsarzt an, der sie wegen akuter Demenz zwangseinweist. | |
B: Ich erkundige ich mich nach ihrer Adresse und biete an, künftig für sie | |
einzukaufen, da sie offensichtlich der Hilfe bedarf. | |
C: Ich nehme den Mundschutz ab und brülle: „Für dich Schnepfe machen wir | |
doch den ganzen Scheiß!“, und bewerfe sie mit unbezahlten Biotomaten. Dann | |
nehme ich den Applaus der Umstehenden entgegen. | |
11. Ordnungshüter | |
Ihnen kommt auf dem Gehweg eine sechsköpfige Patrouille von Ordnungsamt und | |
Polizei entgegen. Was tun Sie? | |
A: Ich zeige das Ordnungsamt bei der Polizei an wegen Verletzung des | |
Kontaktverbots. Und die Polizei beim Ordnungsamt. | |
B: Ich rufe den Staatsschutz an, weil ich gerade Zeuge einer nicht | |
angemeldeten Demonstration bin. | |
C: Ich werde ohne Sicherheitsabstand abgeführt, weil mein Ausweis | |
abgelaufen ist. | |
12. Markus Söder | |
Sie bemerken, dass Ihnen in den letzten Wochen Markus Söder sympathisch | |
geworden ist. Wie gehen Sie damit um? | |
A: Was heißt „sympathisch“? Er ist mein Held. Ich schreibe ihm | |
Liebesbriefe. | |
B: Macht nix. Das grüne Parteibuch kann ich ja trotzdem behalten. | |
C: Ich mache mir keine Sorgen. Das ist wie bei Corona: Früher oder später | |
stellt sich dagegen eine Immunisierung ein. | |
17 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Volker Surmann | |
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