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# taz.de -- Beschaffung von Schutzmasken: Keine Angst vor Planwirtschaft
> Dass der Weltmarkt für Atemschutzmasken im Fall einer Pandemie versagt,
> hätte man wissen können. Staatliche Verpflichtung darf jetzt kein Tabu
> sein.
Bild: Wer bekommt vieviele? Eine der begehrten FFP2 Schutzmasken
Kaum etwas läuft in der Coronakrise so schlecht wie die Beschaffung von
Schutzmasken für das Gesundheitswesen. Deutschland erreicht zwar
Spitzenwerte bei der Zahl der Intensivbetten und Beatmungsgeräten. Aber ob
es im Fall der höchsten Belastung des Gesundheitswesen noch genug Masken
[1][mit Filterfunktion und einfache OP-Masken] für das Personal gibt, das
weiß im Moment keiner. Eine eigentlich naheliegende Anti-Corona-Strategie
wie [2][eine allgemeine Maskenpflicht] im Nahverkehr und in Supermärkten,
kann nicht mal erwogen werden, weil es schon für das Gesundheitswesen nicht
genügend Mund-Nasen-Schutz gibt.
Der Mangel verunsichert nicht nur die unmittelbar Betroffenen – Ärzte und
Pflegekräfte -, sondern auch die Bevölkerung. Er bindet Kräfte für
verzweifelte Beschaffungsversuche; die Spitzen von Ministerien und
Verbänden sind damit beschäftigt, auf dem leergefegten Weltmarkt
Lieferanten für Produkte zu suchen, die eigentlich Cent-Beträge kosten.
Jetzt machen sich Bund, Länder und caritative Verbände dort auch noch
gegenseitig Konkurrenz.
Manche staatliche Aktion wirkt dabei wie eine Showeinlage, die von der
Misere ablenken soll. Anfang März beschloss zum Beispiel der
Corona-Krisenstab der Bundesregierung ein Exportverbot für Schutzmasken.
Die Aufregung war groß, insbesondere bei der EU-Kommission, die um den
Binnenmarkt fürchtete. Nur: Was man nicht selbst herstellt, kann man eh
nicht exportieren.
Ähnlich ist es nun bei der Diskussion um Beschlagnahmemöglichkeiten. Bayern
hat vorige Woche [3][ein Landesinfektionsschutzgesetz beschlossen], das
auch die Beschlagnahmung von medizinischem Material erlaubt. In NRW ist ein
Epidemiegesetz geplant, das dies ebenso vorsieht. So kann man vielleicht
eine Handvoll zusätzlicher Beatmungsgeräte für Kliniken akquirieren, aber
kaum den eklatanten Mangel an Schutzmasken beheben. Was nicht da ist, kann
auch nicht beschlagnahmt werden.
Das politische Versagen ist eklatant. Seit Jahren diskutieren Fachleute in
Deutschland über kommende Pandemien und warnen vor der dann drohenden
Überforderung des Gesundheitswesens. Trotzdem gab es wohl keinerlei
Vorgaben zur Vorratshaltung für die erforderliche Schutzausrüstüng. Dass
eine Pandemie, die in China ihren Ursprung hat, gerade die überwiegend
chinesischen Produzenten von Atemschutzmasken überbeansprucht, ist
besonders tragisch. Aber dass der Weltmarkt im Fall einer Pandemie früher
oder später zusammenbricht, damit hätte man wirklich rechnen müssen.
Das heißt nicht, dass künftig alle pandemierelevanten Produkte generell in
Deutschland produziert werden müssen. Aber es muss zumindest Pläne geben,
schnell in eine heimische Produktion einzusteigen. Wenn es europäische
Pläne gäbe, könnte so auch der Binnenmarkt gewahrt bleiben. Dabei geht es
vor allem um die Identifizierung möglicher Produktionskapazitäten und um
finanzielle Anreize für die Umstellunng.
Zudem sollte es aber auch möglich sein, potenzielle Hersteller zur
Produktion zu verpflichten. Im Ernstfall kann man sich nicht darauf
verlassen, dass mittelfristig der Markt die besten Ergebnisse liefert.
Im Ernährungssicherstellungsgesetz gibt es für den Fall einer
Versorgungskrise bereits die Möglichkeit, Unternehmen zur Produktion
bestimmter Lebensmittel zu verpflichten. Ein ähnliches Instrumentarium
fehlt bisher für Medizintechnik. Wenn die Schutzmaskenkrise anhält, sollten
entsprechende Regelungen sofort geschaffen werden. Wenn der Markt versagt,
sollte man keine Angst vor der Planwirtschaft haben.
2 Apr 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
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