# taz.de -- Keine Maskenpflicht im Supermarkt: Ungeschützt hinter der Wurstthe… | |
> Experten einig: LebensmittelverkäuferInnen sind prädestiniert, Sars-CoV-2 | |
> ungewollt zu verbreiten. Dennoch gibt es für sie keine Maskenpflicht. | |
Bild: Es geht um die Wurst – und dabei doch um das Coronavirus | |
BERLIN taz | Seit Wochen wird über eine allgemeine Maskenpflicht | |
debattiert. So schnell wird sie wohl nicht kommen, was aber erstaunlich | |
ist: Ausgerechnet im Fall einer Gruppe, die das Potenzial hat, in kurzer | |
Zeit sehr viele Menschen mit dem Coronavirus zu infizieren, wird über das | |
verpflichtende Tragen nicht einmal diskutiert: Personen, die frische | |
Lebensmittel verkaufen. | |
Bei einem Gang über die vorösterliche Bergmannstraße in Kreuzberg zeigte es | |
sich exemplarisch: Kaum jemand aus dieser Personengruppe trägt eine Maske. | |
Die Angestellten hinter den Theken für Backwaren und Fleisch bei Edeka | |
nicht, der Eis- und der Dönerverkäufer nicht, und auch niemand in den | |
meisten zu Takeaways umfunktionierten Restaurants. Einzige Ausnahme: ein | |
indisches Lokal, wo sowohl der Verkäufer als auch die Küchenpersonal grüne | |
chirurgische Masken tragen. | |
Dass auch ein einfacher Mund-Nase-Schutz das Risiko einer Fremdinfektion | |
messbar senkt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Auch dass viele mit | |
dem Sars-CoV-2 Infizierte längst ansteckend sind, wenn sie selbst noch gar | |
keine Symptome bemerken. Und dass jemand, der schon beim Sprechen | |
infektiöse Tröpfchen abgeben kann, nicht ungeschützt mit Brötchen, | |
Wurstscheiben, Minipizzen oder Eiswaffeln hantieren sollte, müsste | |
eigentlich klar sein. Oder? | |
Eindeutig ja, sagt der Virologe Frank Hufert. Der Direktor des Instituts | |
für Mikrobiologie und Virologie der Medizinischen Hochschule Brandenburg | |
ist der Ansicht: „Jeder dieser Leute müsste einen chirurgischen | |
Mund-Nase-Schutz oder zumindest eine selbstgemachte Maske tragen. Ich habe | |
mich auch schon gefragt, warum das nicht der Fall ist.“ | |
## Markt „fast leer gefegt“ | |
Es müsse wohl daran liegen, dass sich das nicht so leicht anordnen lasse, | |
vermutetet Hufert. Aus wissenschaftlicher Sicht sei aber klar: „Wenn eine | |
Person hinter der Lebensmitteltheke bereits Viren ausscheidet und dann am | |
Tag 100, 200 Kunden bedient, kann das ganz schnell für eine Amplifikation | |
des Ausbruchs sorgen.“ | |
Was sagt die Senatsverwaltung für Gesundheit dazu? Wenig. Auf die Anfrage | |
der taz, ob im Rahmen der Eindämmungsverordnung an eine Pflicht zum Tragen | |
von Masken im Lebensmittelverkauf gedacht ist, teilt die Pressestelle nur | |
mit: „Man muss über alles nachdenken dürfen.“ Darüber hinaus verweist sie | |
auf ein Interview, das Senatorin Dilek Kalayci (SPD) kürzlich gab. „Eine | |
Maskenpflicht“, so Kalayci, „kann man nur einführen, wenn man auch | |
ausreichend Masken hat.“ Der Markt für Atemschutzmasken sei „fast leer | |
gefegt“. | |
Damit bezieht sich die Gesundheitssenatorin allerdings nur auf eine | |
allgemeine Pflicht zum Maskentragen in der Öffentlichkeit. Zudem hat sich | |
die angespannte Situation bei der Versorgung mit Mund-Nasen-Schutz und | |
Schutzkitteln bereits ein wenig entspannt: Am vergangenen Sonntag traf eine | |
Bestellung aus China mit 2 Millionen chirurgischer Masken und 300.000 | |
Schutzkitteln – bestimmt für Kliniken, Pflegeheime und Polizei – ein. | |
Die Handelskette Edeka teilte der taz mit, die MitarbeiterInnen an den | |
Theken nähmen „regelmäßig an Schulungen zur Hygiene teil“ und das | |
Unternehmen befolge die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Es | |
bestehe „nach dem aktuellen Wissensstand für gesunde Personen kein Anlass | |
für das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes, einer Schutzbrille oder von | |
Handschuhen“. Besonders gefährdet seien Personen, die mindestens | |
15-minütigen engsten Face-to-Face-Kontakt mit einer erkrankten Person | |
haben. „Hieraus kann man schlussfolgern, dass der übliche Kontakt an den | |
Bedientheken nicht ausreicht, um von einem hohen Übertragungsrisiko | |
auszugehen.“ | |
Der Denkfehler: Personen können das Coronavirus ausscheiden, wenn sie | |
„gesund“ sind, also noch keine Symptome entwickelt haben. Das RKI spricht | |
explizit davon, dass selbst eine selbstgemachte „textile Barriere“ | |
Tröpfchen abfangen kann, die die TrägerIn ausstößt. „Das Risiko, eine | |
andere Person anzustecken, kann so verringert werden (Fremdschutz).“ Um zu | |
verhindern, dass infektiöse Tröpfchen auf dem Mohnkuchen landen, könnten | |
die Edeka MitarbeiterInnen beispielsweise wiederverwendbare textile Masken | |
aufsetzen – in der Filiale an der Bergmannstraße gibt es diese für 6,50 | |
Euro in einem Automaten. | |
10 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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sein. |