| # taz.de -- Corona-Pandemie in China: Noch weit von Normalität entfernt | |
| > In China scheint der Höhepunkt der Corona-Pandemie vorerst überwunden. | |
| > Den Alltag beeinträchtigt sie allerdings weiter massiv. | |
| Bild: Eine Frau in Wuhan umgeht eine Staßensperre | |
| Peking taz | Als Wu Mins Großvater am 24. Februar stirbt, denkt die | |
| 28-jährige Chinesin zunächst, schnell ein Ticket in ihr Heimatdorf zu | |
| buchen. Von der Hauptstadt Peking, wo sie lebt und arbeitet, in die | |
| südchinesische Provinz Guangxi sind es knapp 1.900 Kilometer. Drei | |
| Flugstunden gefolgt von drei Stunden Busfahrt. | |
| Unter normalen Umständen ist es eine Pflicht, dem Großvater die letzte Ehre | |
| zu erweisen: „Beerdigungen sind traditionell das wichtigste Ereignis eines | |
| jeden Chinesen, wichtiger noch als die Geburt“, sagt Wu. | |
| Doch normal ist in diesen Coronazeiten nichts mehr. Schnell kommen der | |
| Büroangestellten Zweifel: Nach ihrer Rückkehr nach Peking müsste sie für 14 | |
| Tage in häusliche Quarantäne. „Mein Chef hatte nichts dagegen, aber ich | |
| habe noch zwei Mitbewohner. Die müssten dann auch zwei Wochen zu Hause | |
| bleiben“, sagt Wu. | |
| Und überhaupt: Was, wenn sie sich im Flugzeug oder Bus infiziert und den | |
| Erreger in ihrem Heimatdorf verbreitet? Nach schlafloser Nacht entscheidet | |
| sie sich, lieber zu Hause zu bleiben. Ihr Vater, sagt sie, hatte | |
| Verständnis – im Gegensatz zu einigen Verwandten. | |
| ## Virus beeinträchtigt weiter Alltag | |
| Am Montag meldete die Nationale Gesundheitskommission [1][nur 31 | |
| Neuinfektionen für das ganze Land], darunter 30 „importierte Fälle“ – a… | |
| von aus dem Ausland eingereisten Personen. | |
| Auch wenn es Zweifel an den offiziellen Zahlen gibt, scheint die | |
| Ausbreitung des Virus in China derzeit unterdrückt. Doch beeinträchtigt es | |
| den Alltag der Chinesen weiterhin massiv – etwa wenn es um Beerdigungen | |
| geht. | |
| Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet am Montag von besitzerlosen Urnen | |
| in einem Krematorium in Jingzhou, einer Stadt in der schwer von Covid-19 | |
| betroffenen Provinz Hubei. | |
| Es heißt, Familienangehörige könnten die Asche ihrer verstorbenen | |
| Angehörigen derzeit nicht abholen, weil sie selbst in Quarantäne steckten. | |
| Am letzten Montag öffneten in der 11-Millionen-Einwohner-Metropole Wuhan, | |
| dem wahrscheinlichen Ursprungsort der Pandemie, die sieben | |
| Bestattungsinstitute wieder. Im sozialen Netzwerk Weibo posteten Nutzer | |
| Fotos von langen Schlangen Wartender, um Urnen ihrer verstorbenen | |
| Angehörigen abzuholen. | |
| ## Bilder unerwünscht | |
| Doch schnell wurden die Beiträge von den Zensoren gelöscht. Nutzer klagten, | |
| Sicherheitskräfte in Zivil hätten sie am Fotografieren gehindert. Andere | |
| berichten von Warnungen, öffentliche Gefühlsausbrüche zu zeigen. Die | |
| Behörden wollen, dass Informationen nicht öffentlich werden, die nicht in | |
| das offizielle Narrativ passen. | |
| Wus Großvater konnte letztlich ordentlich bestattet werden: Drei Tage wurde | |
| der Leichnam im Wohnzimmer ihrer Eltern aufbewahrt, aus jeder Familie des | |
| Dorfes kam mindestens ein Mitglied, um Respekt zu zeigen. | |
| Beim Leichenschmaus habe man aufgrund der derzeitigen Beschränkungen nur | |
| zehn Tische bewirten können, ein Bruchteil der sonst riesigen Trauerfeiern | |
| in der chinesischen Provinz. 20 Gehminuten entfernt liege ihr Großvater | |
| jetzt in einem Familiengrab an einem Berghang begraben. | |
| Ende Januar, so erinnert sich Wu, hatte sich sein Gesundheitszustand massiv | |
| verschlechtert, als der 74-Jährige aus dem Bett gefallen sei. Damals hieß | |
| es aus dem nahen Krankenhaus, man könne weder eine Ambulanz schicken noch | |
| den Großvater aufnehmen. Die Ärzte stünden derzeit unter extremem Stress, | |
| einige wären zudem zum Kampf gegen das Virus nach Wuhan und in die Provinz | |
| Hubei entsandt worden. | |
| 31 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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