# taz.de -- Hospiz-Leiterin über Besuche im Hospiz: „Manchmal Absurditäten�… | |
> Das Hamburger Hospiz Leuchtfeuer hat strikte Besuchsregeln erlassen. Die | |
> Leiterin Mareike Fuchs muss schwere Entscheidungen treffen. | |
Bild: Nähe tut not: Auch in Corona-Zeiten sollen Sterbende Besuch bekommen dü… | |
taz: Frau Fuchs, Sie leiten das Hospiz Leuchtfeuer in Hamburg – das geht | |
sicher nicht vom Homeoffice aus? | |
Mareike Fuchs: Nein, aber der Alltag ist trotzdem anders. Aber ich empfinde | |
es so, dass es uns bisher gut gelingt, für die Bewohner*innen, die wir hier | |
begleiten, weiter einen geschützten und sicheren Rahmen zu bieten. | |
Schildern Sie doch mal, wie der Alltag gerade aussieht. | |
Dass die Pflegekräfte Handschuhe tragen, ist bei vielen Verrichtungen | |
ohnehin üblich. Es bedeutet aber eine große Umstellung, nun ausschließlich | |
mit Mundschutz zu arbeiten. Wir haben das Glück, dass eine unserer | |
Ehrenamtlichen Schneiderin ist. Sie näht Mundschutze für uns, die waschbar | |
und vor allem wunderbar bunt sind. Das führt zu den schönsten Begegnungen | |
im Alltag: Wer den Mundschutz mit den Affen trägt, wird liebevoll Äffchen | |
genannt. Über solche kleinen Dinge lachen wir viel und können uns daran | |
festhalten. Es führt auch zu Gesprächen im gebotenen Abstand, man kann sich | |
darüber austauschen, ob der Mundschutz gut aussieht und wie man sich damit | |
schminken soll. | |
Aber insgesamt muss die Arbeit wie gewohnt weitergehen? | |
Genau, und das gehört zu den Herausforderungen und auch manchmal | |
Absurditäten. Das Hospiz bedeutet einen Schutzraum, aber es bedeutet auch | |
Intimität. Grade die Pflege im Hospiz basiert auf Zugewandtheit und Nähe. | |
Es ist ungewohnt, bei sämtlichen Tätigkeiten Mundschutz und Handschuhe zu | |
tragen. Aber ich kann sagen, dass das Team, angefangen von der | |
Hauswirtschaft über die Sozialtherapeut*innen bis zur Pflege, den Alltag | |
weiter so gestaltet, dass das Leben lebenswert bleibt. Neulich hat unsere | |
Musiktherapeutin mit ihrer Gitarre und Verstärker vor dem Haus musiziert, | |
und die Bewohner*innen haben ihre Musikwünsche zugerufen. So hatten dann | |
auch unsere Nachbarn etwas davon. | |
Dürfen noch Menschen von außerhalb ins Haus? | |
Wir müssen und wollen das Risiko für die Bewohner*innen und das Team so | |
gering wie möglich halten. Im Moment müssen wir dauernd komplexe | |
Entscheidungen treffen. Konkret handhaben wir es zurzeit so, dass für jeden | |
Menschen im Haus eine feste Besuchsperson zugelassen ist. Es gibt | |
zusätzlich eine Beschränkung der Besuchszeit, damit wir weniger Fluktuation | |
im Haus haben. | |
Aber führt das nicht zu schrecklichen Härten? Sterbende müssen entscheiden, | |
ob sie in ihren letzten Tagen entweder ihre Partner*innen oder ihre Kinder | |
sehen wollen. | |
Unsere Bewohner*innen dürfen natürlich, wenn ihr Zustand es zulässt, das | |
Haus verlassen und vor der Tür andere Menschen treffen, wobei wir darum | |
bitten, dass sie Abstand halten. Und wir behalten uns vor, dass wir in | |
einer akuten Sterbesituation die Definition der Besucherregel neu | |
anschauen. Es könnte sein, dass wir dann zeitlich begrenzt und für diese | |
eine Person eine Ausweitung zulassen. Damit haben wir uns noch nicht | |
befassen müssen, zurzeit ist die Situation der Bewohner*innen stabil. | |
Ist es denn für die Menschen, die ja zum Sterben in ein Hospiz gehen, | |
wirklich wichtiger, noch ein oder zwei Tage länger zu leben, dafür aber | |
keine oder nur wenig Besuche zu bekommen? | |
Das mag man von außen so empfinden. Aber die Zeit im Hospiz ist Lebenszeit, | |
und eine Infektion mit Corona würde sehr wahrscheinlich zu einer Verkürzung | |
dieser Lebenszeit führen. Wir haben einen klaren Schutzauftrag gegenüber | |
unseren Bewohner*innen, und ihn halten wir ein. Hinzu kommt, dass wir es | |
mit einer Gemengelage zu tun haben. Da ist der Schutz der Allgemeinheit, | |
der Schutz des Einzelnen und natürlich auch der Schutz und die Fürsorge für | |
das Team, damit wir hier so lange wie möglich weiterarbeiten können. | |
Sind Sie im Austausch mit anderen Hospizen, wird es überall so gehandhabt? | |
Es gibt dazu eine Allgemeinverfügung, aber die Hospize handhaben diese | |
Grundregeln offensichtlich sehr unterschiedlich im Einklang mit den | |
gesetzlichen Gegebenheiten. Ich denke, diese Diversität drückt aus, dass | |
alle Einrichtungen mit großer Ernsthaftigkeit um eine gute Entscheidung | |
ringen. | |
Helfen technische Lösungen und Kommunikationsformen? | |
Dank einer Spende haben wir vier funkelnagelneue Tablets erhalten, sodass | |
wir Bewohner*innen helfen können, Videoverbindungen einzurichten. Aber wir | |
entdecken auch andere klassische Formen der Kreativität und Kommunikation | |
wieder: Warum nicht mal wieder eine Karte schreiben? Es hat eine | |
Riesen-Aussagekraft, wenn ein Kind schreibt: „Ich hab dich lieb.“ Wenn die | |
physische Nähe nicht möglich ist, dann versuchen wir, eine Herzensnähe | |
herzustellen. | |
Werden diese Erfahrungen bleiben, auch wenn die Zeiten wieder normaler | |
geworden? | |
Ich denke, wir werden noch lange mit dem Virus leben, ein Danach wird es so | |
schnell nicht geben. Vielleicht werden wir Körperlichkeit und physische | |
Nähe mehr schätzen und neue Formen des Umgangs finden. Vielleicht werden | |
wir weniger Bilder von unserem Mittagessen machen, sondern sinnhafte Fotos. | |
3 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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