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# taz.de -- Corona und Tiere: Auch Schuppentiere unter den Opfern
> Das putzige Pangolin gilt als Ausgangspunkt der Corona-Pandemie. Doch
> sind auch andere Tiere Überträger? Und können unsere Lieblinge sich
> anstecken?
Bild: Megasüß! Das Pangolin ist jetzt noch mehr vom Aussterben bedroht
Gäbe es einen Zoo der seltsamen Tiere, das Pangolin hätte beste Aussichten,
sein Maskottchen zu sein. Ein Säugetier mit langem Rüssel und winzigen
Knopfaugen, einer noch längeren Zunge, kräftigen Klauen, einem langen
Greifschwanz und vor allem: statt mit Pelz mit massiven, verhornten
Schuppen bedeckt – daher auch der alternative Name „Schuppentier“.
Zudem pflegt der Pangolin noch die putzigen Gewohnheiten, seinen Nachwuchs
auf dem Rücken zu tragen und sich bei Gefahr zu einer Kugel
zusammenzurollen. Wem da das Herz nicht aufgeht, der hat keins.
Leider findet ein solch erstaunlicher Seitenzweig der Evolution, der mit
acht Arten in den Savannen und Wäldern Südasiens und Afrikas verbreitet
ist, auch Wertschätzung, die ihm nicht bekommt: Zu Abertausenden werden die
Tiere gejagt und auf asiatischen Tiermärkten als Delikatesse oder
Heilmittel für Abergläubische verkauft.
Die südostasiatischen Pangoline sind vom Aussterben bedroht, international
in der höchsten Kategorie des Washingtoner Artenschutzabkommens gelistet
und haben es trotzdem zu dem traurigen Status der wohl am häufigsten
illegal gehandelten Tiergruppe weltweit gebracht. Auch auf dem Tiermarkt im
chinesischen Wuhan wurden illegal Schuppentiere gehandelt.
## Der Sprung zum Menschen
Da wirkt es fast wie eine bittere Pointe, [1][dass ausgerechnet das
Pangolin nun im Verdacht steht, Ausgangspunkt der Pandemie mit dem
neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 zu sein]. Eine am 17. März
veröffentlichte Studie im Fachmagazin Nature Medicine bestätigt die schon
früher geäußerte Mutmaßung, dass das Virus vom Malaiischen Pangolin die
Artgrenze zum Menschen übersprungen haben könnte.
Alternativ werden noch Hufeisen-Fledermäuse erwogen. In beiden Spezies
wurden sehr ähnliche Viren identifiziert. Kein Grund für antiasiatische
Ressentiments übrigens: Andere gefährliche Krankheiten wie BSE, Scrapie,
Schweinepest oder Vogelgrippe haben auch mit dem letztlich nicht besseren
Umgang westlicher Länder mit Tieren zu tun, da können Julian Reichelt und
Donald Trump noch so sehr gegen die vermeintliche Verantwortung Chinas für
die aktuelle Pandemie geifern.
Neben der Herkunftsart ungeklärt bleibt die Frage, wie das Virus den Sprung
auf den Menschen geschafft hat: Hat es sich bereits im Tier
herausselektiert, sodass dort das fertige Virus zirkuliert und Patient X
sich direkt angesteckt hat?
Das wäre schlecht, denn wenn Sars-CoV-2 quasi schon endgefertigt in
Pangolin oder Fledermaus vorliegt, könnte es jederzeit wieder zu einem
Ausbruch kommen. Oder sind es nur ähnliche Vorgängermodelle, die in ihren
tierischen Wirten herumwabern und sich erst im Menschen an die neue
Umgebung angepasst haben – recht erfolgreich, wie man neidlos zugestehen
muss? Dann wäre zumindest ein erneuter Outbreak relativ unwahrscheinlich.
## Und der Mops auf der Couch?
Jenseits dieser virologisch bedeutsamen Überlegung quält viele Menschen nun
die bange Frage, ob nicht auch andere Tiere vom Coronavirus befallen werden
könnten, sodass neben dem Nachbarn und seinen Kindern auch noch dessen
Katze als Virenschleuder anzusehen wäre. Oder noch schlimmer: Könnte es
auch den eigenen Mops auf der Couch erwischen?
Eine breite Phalanx an Fachinstitutionen vom European Centre for Disease
Control über die WHO bis zum auf Haus- und Nutztiere spezialisierten
deutschen Friedrich-Loeffler-Institut versichern bislang übereinstimmend:
nö. Egal ob für Wellensittich, Perserkatze, Landschildkröte oder Pekinese,
auch für die Ratte im Keller oder die Meise am Vogelhäuschen gilt
Entwarnung: eine Coronavirus-Übertragung findet nicht statt. Wechselseitig.
Ob diese Aussage allerdings dauerhaft Bestand haben wird, bleibt
abzuwarten. Zunächst ging ein erster, allerdings schwacher Virusnachweis
bei einem Hund aus Hongkong durch die Presse. Am 19. März aber meldet die
Tiergesundheitsbehörde von Hongkong nun einen zweiten Fall, bei dem der
Schäferhund eines Covid-19-Patienten positiv getestet wurde. Er wurde
quarantänisiert, zeigt aber keine Krankheitssymptome.
Es ist durchaus denkbar, dass es sich hierbei um eine Übertragung von
Mensch auf Tier handelt. Die Hongkonger Behörde empfiehlt, Säugetiere aus
Haushalten mit nachgewiesenen Coronavirus-Infektionen in Quarantäne zu
halten.
## Abstand zum Menschen, kuscheln mit dem Tier
In Europa werden bislang keine Einschränkungen in Bezug auf Haustiere
empfohlen – abgesehen davon, dass diese halt immer allerlei mikrobiotische
Untermieter beherbergen und sich speziell immun- und krankheitsgeschwächte
Patienten generell nicht von ihnen durchs Gesicht schlecken lassen sollten.
Andererseits aber kann Haustieren auch eine durchaus helfende Rolle
zukommen: Gerade ältere Menschen, die unter den Auswirkungen des „social
distancing“ besonders leiden, [2][finden bei Wuffi oder Hansi mitunter
wichtige psychische Unterstützung.] Selbst unter Ausgangssperre ist es im
Allgemeinen noch erlaubt, mit dem Hund Gassi zu gehen.
Also schnell noch einen Hund anschaffen, um demnächst überhaupt noch vor
die Tür zu dürfen? Der Trend weist ins Gegenteilige: Tierheime warnen vor
Panikabgabe oder gar Aussetzung von Heimtieren, weil ihre Besitzer
fürchten, sich anzustecken. Tatsächlich gibt es aus der großen Gruppe der
Coronaviren zwar auch solche, die in Haustieren unterwegs sind und in
seltenen Fällen sogar auf Menschen überspringen – aber schon immer, und
Sars-CoV-2 gehört nach bisherigen Erkenntnissen nicht dazu.
Statt also aus Virusangst die Tierheime zu überlasten, sollte man ihnen den
Rücken freihalten, denn bei den absehbaren Infektionszahlen und steigenden
schweren Krankheitsverläufen mit Klinikaufenthalt werden sicherlich bald
zahlreiche Haustiere von Covid-19-Opfern in Notunterbringung müssen.
Deswegen sollten nicht nur Zoohandel und Tierarztpraxen als
„systemrelevant“ eingestuft werden, sondern auch Tierheime.
## Systemrelevante Langschwanzmakaken
Andere Tiere genießen dagegen plötzlich ungeahnte Freiheiten: Wenn Menschen
in ihre Wohnungen gezwungen und überall auf der Welt Touristen praktisch
über Nacht verschwunden sind, zockeln mancherorts verwundert Hirsche durch
verwaiste Stadtzentren oder trauen Fische ihren Augen kaum, weil sie in der
sonst durch Übernutzung trüben Suppe der Kanäle von Venedig plötzlich
wieder klar sehen können.
Auf der anderen Seite prügeln sich in Thailand derzeit Hunderte verärgerte
Langschwanzmakaken um jedes Stückchen Futter. Die Affen sind es gewöhnt,
dass normalerweise durch die Touristenscharen genug für sie abfällt. Nun
marodieren sie mit hungrigen Bäuchen durch die Tempelanlagen von Lopburi.
Womit sie allerdings noch besser dran sind als jene Rhesusaffen, die im
Dienst für Höheres von Forschern mit Sars-CoV-2 infiziert wurden. Als dem
Menschen besonders nahestehende Modellorganismen bildeten sie anschließend
die Symptome von Covid-19 inklusive Lungenentzündung aus. Nach Abheilung
wurde versucht, die Tiere erneut zu infizieren. Erfolglos – [3][ein
wichtiger Hinweis darauf, dass sich nach überstandener Erkrankung
tatsächlich eine Immunität gegenüber Covid-19 bildet.]
Genau diese bisher fehlende Grundimmunität der Weltbevölkerung ist einer
der Hauptgründe, warum die aktuelle Pandemie so gefährlich ist, auch wenn
der abgehalfterte SPD-Lungenarztzausel Wolfgang Wodarg noch so sehr seinen
zittrigen Zeigefinger in die YouTube-Kanäle der Verschwörungstheoretiker
reckt und den neuartigen Virus zu einer Art Kuscheltier erklärt.
## Wildtiermärkte verbieten
Man muss kein Pessimist sein, um vorherzusehen, dass die Pandemie noch
furchtbares Leid bringen wird. Aber man kann auch optimistisch den
Silberstreif am viralen Horizont erahnen. China hat angekündigt,
Wildtiermärkte zukünftig ganz zu verbieten. Für den Artenschutz wäre das
ein Durchbruch.
Auch wenn global die wichtigsten Gefährdungsursachen Lebensraumzerstörung
und voraussehbar der Klimawandel sind: Für ganze Tiergruppen wie etwa
Schildkröten oder Nashörner besteht die Hauptgefährdung in der Jagd für den
menschlichen Konsum – auch Pangoline sind unter den Opfern. Wenn das Virus
dazu beitrüge, zumindest diese Gefährdungsursache zu reduzieren, wäre schon
manches gewonnen.
Denn eines ist sicher: Nach der Krise ist vor der Krise. Wenn Covid-19
überstanden ist, stehen wir wieder vor der Klima- und der
Biodiversitätskrise. Und die werden auch kein Spaß.
27 Mar 2020
## LINKS
[1] /Aus-Le-Monde-diplomatique/!5672479
[2] /Wohlfeile-Vorwuerfe-in-Corona-Krise/!5669013/
[3] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111163/Wie-das-Immunsystem-SARS-CoV-…
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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