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# taz.de -- Thüringer Innenminister über die AfD: „So etwas hatten wir noch…
> Weil der „Flügel“ als rechtsextrem gilt, wird es für BeamtInnen in der
> AfD brenzlig. Georg Maier will allen im Staatsdienst einen Brief
> schicken.
Bild: Um seinen Beamtenstatus soll sich Hessen kümmern: Björn Höcke
taz: Herr Maier, was bedeutet es für Thüringen, dass das Bundesamt für
Verfassungsschutz den „Flügel“ der AfD [1][als rechtsextrem eingestuft
hat?]
Georg Maier: Das ist ein großer Schritt, eine Zäsur, das muss man wirklich
sagen. Wenn wir derzeit nicht alle mit Corona beschäftigt wären, würde das
auch viel mehr diskutiert. Schließlich steht damit ein Teil der AfD auf
einer Stufe mit Rechtsextremisten wie denen der NPD. Das Bundesamt schätzt,
dass der Flügel etwa 7.000 Mitglieder hat, vielleicht sind es auch mehr. So
etwas hatten wir noch nie.
Bei Ihnen in Thüringen haben 23,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für
die [2][AfD] gestimmt, die hier ja fest in „Flügel“-Hand ist. Was bedeutet
das für Sie als Innenminister?
Das gilt nicht nur für Thüringen. Es geht ja um eine Partei, die im
Bundestag und in allen Landesparlamenten sitzt, bei uns hat fast jeder
vierte Wähler für die AfD gestimmt. Thüringen ist ja so etwas wie das
Heimatland des Flügels. Sein Führer, oder sagen wir: Anführer, Björn Höcke
sitzt hier, die Erfurter Erklärung ist hier entstanden. Auch die
AfD-Fraktion im Landtag ist sehr „Flügel“-lastig.
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hat 22 Abgeordnete. Die Spitze –
neben Höcke auch von Stefan Möller oder Torben Braga – gehört zum „Flüg…
Gilt das mehr oder minder für alle?
Das ist schwer genau zu sagen. Bei manchen wissen wir es, weil sie das
selbst öffentlich kundgetan haben. Aber manche waren es mal und sind es
heute weniger. Wer zum „Flügel“ gehört, wird jetzt genau zu prüfen sein.
Und wie machen Sie das?
Wir werden uns alle relevanten Personen genau anschauen und prüfen, ob man
von einer „Flügel“-Mitgliedschaft ausgehen kann. Die Einstufung bedeutet ja
unter anderem, dass auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden
dürfen, also zum Beispiel Telefone abgehört oder die Post gelesen werden
darf. Da muss die Grundlage eindeutig sein.
Werden jetzt also auch Abgeordnete überwacht? Bodo Ramelow, Ihr Chef, hat
gerichtlich erstritten, dass das aufhört. Nach dem Urteil hatte der
damalige Bundesinnenminister de Maizière die Überwachung von Abgeordneten
ganz abgeblasen.
Wir sind da in Thüringen mehrfach betroffen, das stimmt. Und die
Entscheidung des Bundesamts bedeutet, dass Abgeordnete außerhalb ihrer
Mandatsausübung überwacht werden können. Das muss man gut abwägen,
schließlich ist das ein schwerer Eingriff. Wir wollen der Demokratie zu
ihrem Schutz ja keinen Schaden zufügen. Aber wir werden bei Bedarf auch
dieses Mittel nutzen.
In der Thüringer AfD ist der „Flügel“ sehr dominant …
Unser Landesamt für Verfassungsschutz hat deshalb am Donnerstag betont, der
„Flügel“ sei im Landesverband der AfD „stark verwurzelt“. Die Anhaltsp…
für Bestrebungen gegen die demokratische Grundordnung sind so stark, dass
der Landesverband jetzt komplett als „Verdachtsfall“ eingestuft ist und
beobachtet wird.
Daraus und aus der Entscheidung des Bundesamts ließe sich schließen, dass
ein Viertel der Thüringer WählerInnen ihre Stimme Rechtsextremisten gegeben
haben.
Das ist natürlich ein Problem. Ich habe im Wahlkampf viele Menschen
getroffen, darunter auch Rechtsanwälte oder Ärzte, die mir ganz vernünftig
erschienen, aber irgendwann meinten, dass sie für die AfD stimmen werden.
Manche auch nur, um es denen, die sie „Altparteien“ nennen, mal so richtig
zu zeigen. Dazu waren sie bereit, auch Nationalisten, Völkische zu wählen …
Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang würde „Rechtsextremisten“ sagen.
Ja, das stimmt, aber ich bevorzuge eine sprachliche Differenzierung, auch
um Unterschiede deutlich zu machen. Wir in Thüringen haben ja noch ganz
andere Kaliber, wenn Sie zum Beispiel an die Rechtsrockkonzerte in Themar
denken. Die Leute, die dort hingehen, sind auch rechtsextrem, aber eben
ganz anders. Ich will damit nicht sagen, dass Höcke für die Demokratie
weniger gefährlich ist. Im Gegenteil. Sein Gift wirkt kognitiv. Höckes
Aussagen vervollständigen sich meist erst in den Köpfen der Zuhörer zu
rechtsextremen, nationalsozialistischen Botschaften. Auch das, was er
zuletzt bei dem „Flügel“-Treffen in Sachsen-Anhalt gesagt hat …
Sie meinen die Äußerung, die AfD müsse die „Flügel“-Gegner „ausschwit…
Eine sehr ungewöhnliche Redewendung, in der Auschwitz steckt.
Ja, genau. Die Assoziationen des Publikums sind vorausgeplant, mit
eingerechnet. Und dazu kommen dann noch diese „Höcke, Höcke!“-Rufe des
Publikums, dieser ganze Personenkult. Wir wissen ja aus dem Thüringen
Monitor, dass etwa ein Viertel der Thüringer rechtsextreme Ansichten hat,
auch antisemitische Einstellungen sind verbreitet. 16 Prozent der befragten
Thüringer stimmten der Aussage zu, Menschen jüdischen Glaubens hätten etwas
Besonderes an sich und „passen nicht so recht zu uns“. Das ist zwar
bestimmt nicht eins zu eins deckungsgleich mit den Wählerinnen und Wählern
der AfD, gibt uns aber eine Vorstellung von der Problemlage.
In der AfD-Landtagsfraktion sind zahlreiche Beamte, etwa Höcke als
Geschichtslehrer. Was bedeutet die Einstufung für sie?
Bei Björn Höcke ist die Lage eigentlich klar, aber für ihn sind wir in
dieser Frage nicht zuständig. Er ist ja hessischer Beamter. Aber ich finde,
da müssen die Kollegen in Hessen jetzt aktiv werden, auch wenn das
Beamtenverhältnis derzeit ruht, weil Herr Höcke ja Abgeordneter ist.
Und was machen Sie etwa mit den drei Polizeibeamten in der AfD-Fraktion.
Einer ist bei der Bundespolizei, zwei andere im Landesdienst.
Die werden wir uns genau anschauen. Einer von ihnen tritt deutlich
radikaler auf als der andere, das wird jetzt geprüft. Aber eins ist klar:
Beamte haben einen Eid auf das Grundgesetz geschworen. Und wenn sie zu
einer verfassungsfeindlichen Organisation gehören, dann haben sie ein
Problem. Das gilt natürlich ganz besonders für Polizisten.
Wie werden Sie denn generell vorgehen, auch bei weniger prominenten Fällen?
Es wird einen Mitarbeiterbrief an alle Landesbeamte geben. Wer der AfD und
dem „Flügel“ angehört, soll mit dem zuständigen Beauftragten seiner Beh�…
sprechen. Und dann sind disziplinarrechtliche Konsequenzen möglich und die
können vom Verweis bis zum Entfernen aus dem Beamtenverhältnis reichen.
Wichtig ist aber: Es wird jeder Einzelfall sehr genau geprüft.
18 Mar 2020
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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