# taz.de -- Rechte Demonstrationen in Brasilien: „Zurück zur Monarchie!“ | |
> In Brasilien demonstrierten am Sonntag rechtsradikale und | |
> antidemokratische Kräfte. Die Unterstützung des Präsidenten Bolsonaro war | |
> ihnen sicher. | |
Bild: Demonstranten in Sao Paulo | |
São Paulo taz |Das sei nicht seine Fahne, sagt Josenildo Ferreira und zeigt | |
auf die Brasilien-Flagge einer vorbeilaufenden Demonstrantin. „Wir müssen | |
zurück zur Monarchie mit Bolsonaro an der Spitze“, sagt der 55-Jährige der | |
taz und hält eine Fahne des brasilianischen Kaiserreichs in die Luft. | |
Ferreira war am Sonntag auf die Prachtstraße Avenida Paulista gekommen, um | |
für Präsident Jair Bolsonaro zu demonstrieren. Ultrarechte und | |
faschistische Gruppen hatten zu landesweiten Demonstrationen für die | |
Regierung aufgerufen. | |
Mit ihrem Protest ignorierten sie die Worte ihres Idols. Bolsonaro hatte am | |
Donnerstag, nachdem sein Kommunikationschef Fabio Wajngarten positiv auf | |
das Corona-Virus getestet wurde, empfohlen, die Proteste abzusagen. In São | |
Paulo versammelte sich bei strahlendem Sonnenschein eine bunte Mischung aus | |
wohlsituierten, weißen Paaren mit Brasilien-Fahnen auf den Wangen, | |
Mitglieder von Waffenclubs, Motorradrockern und in Camouflage gekleidete | |
Rentner*innen. | |
Von einem Lautsprecherwagen wird die Nationalhymne in Dauerschleife | |
gespielt, die Anhänger*innen des Waffennarrs Bolsonaros formen ihre Hände | |
zu Pistolen und brüllen inbrünstig seinen Schlachtruf: „Brasilien über | |
alles. Gott über allen.“ Polizeibeamt*innen laufen demonstrativ durch den | |
Protest und lassen sich von den Demonstrant*innen feiern. | |
## Vom Lautsprecherwagen aus wird die „große Säuberung“ gefordert | |
Bereits in Vorfeld hatten die Proteste für Empörung gesorgt, da in den | |
Aufrufen unter anderem die Schließung des Kongresses und des Obersten | |
Gerichtshofes gefordert wurde. Bolsonaro hatte die Demonstrationen | |
unterstützt und erklärt, dass sie nicht antidemokratisch seien. | |
In São Paulo forderten allerdings zahlreiche Demonstrant*innen eine | |
Militärintervention und die Abschaffung der demokratischen Institutionen. | |
„Wir müssen den Kongress und den Obersten Gerichtshof schließen“, sagte d… | |
72-Jährige Helio Vitor de Carvalho der taz. Für Carvalho sei die | |
Militärdiktatur die „beste Phase Brasiliens“ gewesen und ein neuer AI-5 | |
notwendig. Mit dem berüchtigten „Fünften Institutionellen Akt“ leitete die | |
Militärdiktatur 1968 ihre brutalste Phase ein und institutionalisierte den | |
Staatsterror. Im Namen des AI-5 wurden der Nationalkongress wie die meisten | |
Landesparlamente geschlossen, soziale und politische Rechte eingeschränkt, | |
Medien und Kultur der Zensur unterworfen. | |
Auch auf der Bühne der Lautsprecherwagens wird ungeniert gegen | |
Bolsonaro-kritische Politiker*innen gehetzt und eine „große Säuberung“ | |
gefordert. Eine Mann brüllt in das Mikrophon: „Wir haben keine Angst vor | |
dem Corona-Virus. Wir haben Angst vor dem Virus, der im Kongress sitzt.“ | |
Zwar wird wiederholt von einem „historischen Tag“ gesprochen, doch bleiben | |
die Teilnehmerzahlen im ganzen Land weit hinter den Erwartungen zurück. Es | |
waren die radikalsten und treusten Kräfte, die an diesem Sonntag für „ihren | |
Anführer“ auf die Straße gingen. | |
## Bolsonaro grüßt und ignoriert seine Quarantäne | |
Und Bolsonaro? Der teilte am Sonntag zahlreiche Videos der Demonstrationen | |
auf seinem Twitter-Profil und grüßte in der Hauptstadt Brasília sogar | |
persönlich Demonstrant*innen – obwohl er aufgrund von [1][Kontakt mit | |
Corona-Patient*innen] eigentlich in Quarantäne bleiben sollte. | |
Für viele hat sich Bolsonaro mit der Unterstützung der antidemokratischen | |
Proteste strafbar gemacht. [2][Fernando Haddad], ehemaliger | |
Präsidentschaftskandidat für die Arbeiterpartei PT, schrieb auf Twitter: | |
„Heute hat die brasilianische Demokratie erneut einen schweren Angriff | |
erlitten.“ Linke Abgeordnete wollen nun prüfen, ein Amtsenthebungsverfahren | |
gegen Bolsonaro einzuleiten. | |
Die Demonstrationen vom Sonntag sollten vor allem eins sein: Rückenwind für | |
die angeschlagene Regierung. Zwar war Bolsonaro – trotz zahlreicher | |
Skandale und schwerer Wirtschaftskrise – in den letzten | |
Beliebtheitsumfragen gestiegen. Allerdings weht dem Rechtsradikalen | |
zunehmend Gegenwind entgegen. | |
Die anfänglichen Haushaltsstreits zwischen Regierung und Kongress sind in | |
den letzten Wochen zu einem handfesten Konflikt eskaliert. Es scheint, als | |
wollten immer mehr konservative Politiker*innen die Ausfälle Bolsonaros | |
nicht länger mittragen. | |
## Der Präsident hat keine Mehrheit mehr im Parlament | |
Insbesondere ein Mann wird von den Demonstrant*innen in São Paulo immer | |
wieder vulgär beschimpft: Rodrigo Maia. Der Präsident der | |
Abgeordnetenkammer und Politiker der Mitte-Rechts-Partei DEM hatte in | |
letzter Zeit Bolsonaro scharf kritisiert und vehement die Demokratie und | |
Menschenrechte verteidigt. Doch auch Richter*innen des Obersten | |
Gerichtshofs und ehemalige Mitstreiter*innen werden lautstark angefeindet. | |
Nach heftigen Streits hatten Bolsonaro und rund 30 Abgeordnete Mitte | |
November 2019, die Sozial Liberale Partei (PSL) verlassen. Derzeit | |
versuchen sie, eine neue Partei zu gründen: die Allianz für Brasilien. | |
Durch seinen Konfrontationskurs läuft Bolsonaro Gefahr, sich weiter zu | |
isolieren. | |
Bereits jetzt hat er keine Basis im Parlament, zahlreiche | |
Gesetzesinitiativen wurden dort blockiert. Von seinen loyalen | |
Anhänger*innen wird Bolsonaro jedoch für seinen Einzelkämpfermentalität | |
verehrt, und der Ex-Militär schafft es immer wieder sich als Opfer | |
darzustellen. | |
Am Ende der Demonstration in São Paulo zeigte sich noch einmal das | |
hässliche Gesicht der Bolsonaro-Welt: Nach einer Auseinandersetzung | |
zwischen Demonstrant*innen zog ein Mann eine Waffe und schoss auf eine | |
Frau. Sie musste verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden. | |
16 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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