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# taz.de -- Baumwollmasken machen Sinn: Masken für alle
> Anders als lange kommuniziert hilft das Tragen einfacher Masken gegen die
> Ausbreitung des Coronavirus – vor allem, wenn sie jeder trägt.
Bild: Maskierter in Berlin – modisch vielleicht fragwürdig, aber gut gegen V…
Berlin taz | In Asien sind Gesichtsmasken schon lange allgegenwärtig: Auf
Reisen trugen viele Menschen dort schon immer Einwegmasken, um sich und
andere vor Ansteckungen zu schützen; seit Ausbruch der Corona-Pandemie
sieht man dort in vielen Städten praktisch keinen Menschen mehr ohne Maske
auf der Straße.
In Europa hielt man das lange für übertrieben. Hier galt zunächst das
Motto: Einfache Gesichtsmasken aus Papier (meist als OP-Masken oder
chirurgische Masken bezeichnet) sind als Virenschutz ungeeignet. Auch
Deutschlands oberster Corona-Erklärer, der Virologe Christian Drosten von
der Berliner Charité, verkündete [1][in seinem NDR-Podcast] Ende Februar
mit großer Bestimmtheit: „Für dieses Tragen von Atemschutzmasken in der
normalen Umgebung durch den Normalbürger – da gibt es keine
wissenschaftliche Evidenz, dass das irgendeinen Nutzen hat oder irgendeinen
Schutz bietet.“
Mit der Zeit hat Drosten seine Position verändert: Man könne erwarten, dass
„eine Infektionsausbreitung durch diese Masken im Nahbereich – und ich sage
wirklich bewusst nochmal dazu: nur im Nahbereich – etwas verringert wird“,
sagte er am 17. März. Drosten geht davon aus, dass Masken vor allem helfen,
wenn die Infizierten sie tragen. Weil man ja aber nicht wisse, wer
infiziert ist, könne es durchaus sinnvoll sein, wenn alle in der
Öffentlichkeit Masken tragen würden – solange dadurch andere
Schutzmaßnahmen, etwa Händewaschen, nicht vernachlässigt werden
Der Berliner Virologe geht allerdings weiter davon aus, dass einfache
Masken im Gegensatz zu aufwendigeren Atemmasken mit Filtern (bekannt unter
der Bezeichnung FFP3 oder N95) Gesunde, die sie tragen, kaum vor einer
Infektion schützen. Es gibt aber auch Studien, die zu anderen Ergebnissen
kommen (siehe [2][z.B. hier]): Die einfachen Masken wirken demnach zwar
weniger gut als die Atemschutzmasken mit Filter, die über 99 Prozent der
Viren abhalten können; sie verhindern aber immer noch 50 bis 90 Prozent der
Infektionen, wenn sie richtig getragen werden.
## Gutes Beispiel Hongkong
Der Virologe Alexander Kekulé aus Halle hält es darum für sinnvoll, dass in
er nächsten Zeit jeder in der Öffentlichkeit einen solchen einfachen
Mund-Nase-Schutz trägt. „Der schützt auf jeden Fall andere, und es gibt
auch neuere Daten, dass die Menschen selber dadurch geschützt werden“,
[3][sagte er im MDR]. Bestätigt werde diese Strategie etwa durch die
Entwicklung in Hongkong, wo Masken sehr verbreitet sind und die Ausbreitung
des Coronavirus sehr viel langsamer verläuft als in Europa.
Und auch Drosten freundet sich angesichts der weiteren Ausbreitung des
Virus allmählich mit dem Gedanken an, dass Masken zu tragen in der
Öffentlichkeit eine gute Idee sein könnte. Wenn dafür aber medizinische
Masken benutzt würden, sieht er ein neues Problem. „Wenn alle das jetzt
machen würden“, sagte er, „dann gäbe es nicht mehr genug Masken am Markt
für das medizinische Personal.“
Dort gibt es bereits jetzt Probleme: In vielen Arztpraxen wird
Schutzausrüstung knapp, teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung am
Donnerstag mit; der Nachschub an Atemmasken reiche derzeit für zwei Wochen.
Der Nachschub [4][kommt offenbar vor allem aus China]. Dort werde rund um
die Uhr gearbeitet, berichtet Christof Nagel vom Medizingroßhandel Nagel
und Köpfe, der derzeit 100.000 OP-Masken am Tag ausliefert. Dort neue
Produktionsstraßen aufzubauen sei sicher möglich, „aber nicht von heute auf
morgen“, meint Nagel – zumal auch das Rohmaterial knapp sei.
Als Alternative werden darum selbst gemachte Masken aus dichtem
Baumwollstoff populärer. Zahlreiche Prominente posieren damit auf Twitter
unter dem Hashtag #maskeauf. Eine [5][niederländische Studie] hat gezeigt,
dass Baumwollmasken nicht ganz so wirksam sind wie einfache OP-Masken, aber
trotzdem einen gewissen Schutz bieten: Sie nützen, wenn Kranke sie tragen,
und zumindest etwas, wenn Gesunde sie tragen. Auch Virologe Drosten hält
Stoffmasken – oder auch Schals und Halstücher, die vor den Mund gezogen
werden – für sinnvoll. „Diese großen Tröpfchen werden dann abgefangen“,
sagte er. „Da lässt sich nichts dran diskutieren.“
Und solche Stoffmasken haben nicht nur den Vorteil, dass sie gewaschen und
wiederverwendet werden könne; es gibt zudem auch in Deutschland zahlreiche
große und auch sehr kleine Firmen, die in die Produktion eingestiegen sind.
So produziert etwa der schwäbische Bekleidungshersteller Trigema in dieser
Woche 80.000 Baumwollmasken, auch der Wäschehersteller Mey ist
eingestiegen. Nach Angaben des Verbands der Textil- und Modeindustrie
vernetzen sich zudem Firmen, um Schutzausrüstung herstellen zu können. Ob
die Produkte auch in medizinischen Einrichtungen eingesetzt werden, komme
auf die Zertifizierung der staatlichen Behörden an.
Doch auch Firmen, die sonst ganz andere Produkte herstellen, beteiligen
sich – etwa der niedersächsiche Elektronikindustriezulieferer Müller
Ahlhorn. „Wir haben festgestellt, dass es zu Versorgungsengpässen kommt, da
Masken nicht in Deutschland produziert werden“, sagt Geschäftsführer
Michael Müller.
## Firmen stellen Produktion um
Der Produktionsprozess für Masken und ihre sonstige Fertigung von
Batterieseparatorfolien ähnelten sich; beide bestehen aus einem
mikroporösen Vlies. Die Masken müssen wie die Membranen von Rollenware
geschnitten, gestanzt und ultraschallverschweißt werden, erklärt er.
„Unsere Leute kennen den Prozess also.“
Müller will nun in zwei bis drei neue Anlagen und die Zertifizierung der
Masken für den medizinischen Einsatz investieren. Für zwei bis drei Anlagen
zur Maskenproduktion könne er neben der normalen Produktion Platz schaffen,
meint Müller. In vier bis fünf Wochen könnten dann pro Anlage 150.000
Masken gefertigt werden.
Beim deutsch-tschechischen Accessoire-Hersteller BeWooden läuft die
Maskenproduktion dagegen nicht zusätzlich, sondern statt ihrer normalen
Arbeit. „Der Handel bricht uns weg, und wir mussten überlegen, wie wir
glimpflich aus der Situation rauskommen“, sagt Henrik Roth, Mitgründer und
Geschäftsführer des Start-ups, das Holzaccessoires in Handarbeit fertigt.
## Für den Alltag, nicht für die Intensivstation
Als in Tschechien der Mundschutz Pflicht wurde, s[6][ei der Bedarf
plötzlich groß gewesen]. „Know-how und Stoff sind ja da“, erzählt Roth.
Diese Hilfe im Kampf gegen Corona ist gleichzeitig Selbsthilfe. „So können
wir unsere Mitarbeiter weiter bezahlen.“ Seit Montag zieht BeWooden von
Frankfurt aus nun zusätzlich gemeinsam mit dem Mannheimer Sockenhersteller
von Jungfeld einen Vertrieb auf. Lokale deutsche Manufakturen, die
arbeitslos sind, sollen ihren Betrieb auf Maskenproduktion umstellen. Bis
jetzt ist eine Manufaktur aus Frankfurt dabei, mit weiteren sei er im
Gespräch.
Momentan können sie so 1.000 Masken am Tag herstellen. Ohne Werbung
verkauften sie am Dienstag, dem ersten Tag, bereits 500 Masken. Kunden
seien Privatleute, aber auch Medizintechnikunternehmen oder Krankenhäuser.
Die Baumwollmasken von BeWooden sind bei 95 Grad waschbar, können aber
nicht für den intensivmedizinischen Bereich genutzt werden. Schutz gegen
Tröpfchen bieten sie trotzdem.
26 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/info/2-Coronavirus-Update-Panik-ist-unangebr…
[2] https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2749214
[3] https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/kekule-corona/mundschutz-sollte-stan…
[4] /Chinesische-Hilfslieferungen/!5670647&s=Masken/
[5] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2440799/
[6] /Fehlende-Atemschutzmasken/!5673878&s=Masken/
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Mareike Andert
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