Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausgangsbeschränkungen wegen Corona: Ringen um jeden Millimeter
> Die Kanzlerin scheut im Kampf gegen die Epidemie drastische Schritte. Zu
> Recht. Denn Eingriffe in Freiheitsrechte dürfen nicht unumkehrbar sein.
Bild: Halten Sie Abstand: JournalistInnen bei Merkels Presseansprache am Sonntag
Wer den Menschen ihre essenziellsten Freiheitsrechte nimmt, muss auch
sagen, dass und wann sie sie wieder zurückbekommen.
Die Corona-Krise wird nicht zwei Wochen dauern, wie mancher politische
Beschluss suggeriert, sondern es sind eher Monate, auf die wir uns
einstellen müssen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung und die
Länder um jeden Millimeter an weiteren Einschränkungen der Freiheit ringen.
Zugleich liefert sich Deutschland mit Spanien und den USA einen bizarren
Wettkampf in der weltweiten Rangliste der am stärksten infizierten Länder
hinter China und Italien. Der Blick nach Italien macht Angst, obwohl
Deutschland ein weit besseres Gesundheitssystem hat, eine starke Wirtschaft
und leistungsfähige medizintechnische Firmen. Wer eine [1][Entwicklung wie
in Italien] verhindern will, muss die Eskalation der Einschränkungen
hinnehmen. Der Appell der Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Mittwoch
reichte noch nicht.
Dass die Kanzlerin mit drastischen Schritten zögert, verdient dabei großen
Respekt. Ausgangssperre klingt in einem Land mit zwei Diktaturen in der
jüngeren Vergangenheit grundfalsch. Merkel teilt mit vielen Menschen in
Ostdeutschland die Erfahrungen aus einer repressiven Gesellschaft.
Ausgangssperren zu vermeiden ist deshalb auch eine kritische Scheidemarke
für das Vertrauen in die Politik.
Um ein hohes Niveau der Kooperation in dieser Krise zu erreichen, schrieb
der israelische Historiker Yuval Harari diese Woche, „braucht man
Vertrauen“. Bislang vertrauen viele Millionen in Deutschland auf die
Besonnenheit ihrer politischen Führung und akzeptieren immer drastischere
Einschränkungen. Zu Recht.
Die Kontaktverbote, [2][die Bund und Länder am Sonntag vereinbart haben],
sind ein extremer Eingriff in die Freiheitsrechte. Sie sperren aber nicht
Millionen Menschen in ihren Wohnungen ein. Und: Man kann sie wieder
zurücknehmen.
Ein Beispiel dafür, wie schmal der Grad der Eskalation ist und wie leicht
man ihn überschreiten kann, ist [3][ein Gesetzentwurf von
Gesundheitsminister Jens Spahn]. Er wollte mithilfe einer Handyortung auch
Kontaktpersonen von Kranken identifizieren und lokalisieren. Die
Gesundheitsbehörden hätten danach die Befugnis, von Telekom-Dienstleistern
die Herausgabe der entsprechenden Verkehrsdaten zu verlangen. Das
chinesische und israelische Modell wäre in Deutschland möglich geworden.
Kanzlerin und Ministerpräsident:innen haben das Vorhaben fürs Erste
blockiert. Jens Spahn aber will nachlegen. Doch dieses Vorhaben darf auch
später nicht Gesetz werden. Die Freiheit vor dieser Form der Überwachung
würden die Menschen nie wieder zurückbekommen.
22 Mar 2020
## LINKS
[1] /Corona-in-Spanien/!5673100
[2] /Massnahmen-gegen-Corona-Ausbreitung/!5673163
[3] /Spahns-neue-Corona-Massnahmen/!5673114
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Angela Merkel
Freiheit
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politikbetrieb in Zeiten von Corona: Im Griff des Virus
Die Büros der PolitikerInnen sind verwaist, der Betrieb brummt weiter. Wie
passt das zusammen?
Maßnahmen gegen die Corona-Ausbreitung: Bauernskat erlaubt, Skat verboten
Bund und Länder einigen sich auf weitere Einschränkungen des öffentlichen
Lebens. Aber es gibt keine Ausgangssperre. Bayern bleibt rigider.
Vorbereitungen auf Covid-19-Patienten: Kurzarbeit im Krankenhaus?
Krankenhäuser sollen sich auf mehr Covid-19-Patient*innen vorbereiten. Dass
eine Klinik nun Kurzarbeit vorbereitet, scheint nicht recht zu passen.
Senat berät über Ausgangsbeschränkung: Noch darf man raus
Bund und Länder einigen sich auf ein Kontaktverbot. Im Senat gibt es nach
wie vor Stimmen für eine weitergehende Ausgangssperre.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.