# taz.de -- Corona in der Arbeitswelt: Im Notfall Home Office | |
> Wegen der Ansteckungsgefahr durch das Virus arbeiten plötzlich viele von | |
> zu Hause aus. Das hat nicht nur Vorteile – gerade für Frauen. | |
Bild: Home Office bleibt in Deutschland oft ein Privileg für wenige | |
BERLIN taz | Christoph Jeutter hat die Meldung am Freitagmorgen im Intranet | |
gelesen. „Da wird allen Mitarbeitern weltweit geraten, von zu Hause aus zu | |
arbeiten“, sagt der IT-Mitarbeiter von Bosch in Stuttgart. „Wenn wir doch | |
ins Büro müssen, sollen wir es mit unserer Gruppenleiterin absprechen.“ | |
Nicht nur Bosch, auch Vodafone, Twitter oder Google schicken Mitarbeitende | |
wegen des [1][Coronavirus] ins Home Office. Auch der süddeutsche | |
Automobilzulieferer Elring Klinger lässt von zu Hause arbeiten. Komplettes | |
Neuland ist das meistens nicht für das Unternehmen – eine Herausforderung | |
für die IT durchaus. | |
„Diejenigen, die jetzt sofort Home Office machen, haben es auch davor schon | |
gemacht und stocken auf“, sagt Andreas Brändle, Sprecher von Elring | |
Klinger. Unabdingbar dafür ist die nötige Infrastruktur: Mindestens ein | |
Computer mit verschlüsseltem Zugang zur Firma. „Wir arbeiten daran, das | |
auszudehnen, um das Infektionsrisiko zu minimieren.“ Aber keine der | |
Abteilungen könne komplett von zu Hause aus arbeiten. | |
„Durch die Corona-Krise machen viele unserer Mitgliedsfirmen verstärkt Home | |
Office“, sagt Karoline Bauer, Geschäftsführerin vom Arbeitgeberverband | |
Südwest-Metall. Sie geht von einer absoluten Ausnahmesituation aus: „Ich | |
bezweifle, dass sich dadurch nachhaltig etwas ändert.“ In der Praxis vieler | |
Unternehmen fehlten die kurzen Wege – und alle schnell an einen Tisch zu | |
bekommen sei für viele Chefs wichtig. | |
## Diskriminierung von Frauen | |
Laut [2][statistischem Bundesamt] ist Deutschland in puncto Home Office im | |
europäischen Vergleich Mittelfeld. Nur 11 Prozent der Erwerbstätigen | |
arbeiten gewöhnlich oder manchmal daheim. In den Niederlanden sind es | |
bereits fast 40 Prozent. Abseits von Corona erfährt Home Office durch den | |
Fachkräftemangel Auftrieb. Bei Bewerbungsgesprächen kommen neben dem Gehalt | |
mittlerweile verstärkt auch Zeit und Flexibilität zur Sprache. | |
„Gerade für Frauen mit Familie ist das wichtig, aber auch immer mehr Männer | |
wollen sich stärker in der Familie engagieren“, sagt die Referatsleiterin | |
für Genderforschung der Hans-Böckler-Stiftung, Yvonne Lott. Ihre neue | |
Studie zeigt: Durch Home Office sind Familie und Beruf häufig besser | |
vereinbar. „Es ist viel im Gang mit der Work-Life-Balance. Aber es dauert | |
alles etwas lang“, merkt sie an. | |
Zwar nimmt das Verständnis der Arbeitgeber für Home Office in Deutschland | |
zu, bleibt oftmals aber ein Privileg. Gerade Frauen ziehen den Kürzeren. | |
Die Ursachen sind verschieden, meint Lott. Es herrsche zum Beispiel ein | |
traditionelles Geschlechterbild vor. „Arbeitgeber trauen Frauen und Müttern | |
im Home Office seltener gute Leistungen zu als Männern und Vätern. Diese | |
Vorurteile führen zu Diskriminierung.“ | |
Ein Recht auf mobiles und flexibles Arbeiten gibt es nicht. Lott würde sich | |
von einer gesetzlichen Regelung, wie Grüne und SPD es vorschlagen, | |
versprechen, dass der „Nasenfaktor“ wegfällt, also jeder dieselbe Chance | |
hat, und es nicht mehr informell ablaufe. Das gebe ArbeitnehmerInnen auch | |
Sicherheit. Der Druck beweisen zu müssen, dass man wirklich arbeite, könnte | |
durch ein Gesetz genommen werden. | |
## Eine gesetzliche Regelung ist umstritten | |
Klar gegen gesetzliche Regelungen und das Recht auf mobiles Arbeiten | |
spricht sich Bauer von Südwest-Metall aus: „Man kann da nicht mit der | |
Gießkanne drüber. Jedes Unternehmen sollte das für sich passend machen.“ Es | |
müssten die Wünsche der Beschäftigten mit einbezogen werden, aber die | |
betrieblichen Belange dürfen nicht aus dem Blick geraten, so Bauer. | |
Frauen und Männer nutzen Home Office aus unterschiedlichen Gründen: Frauen | |
häufiger, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Männer dagegen, um | |
länger zu arbeiten und liegen gebliebene Arbeit nachzuholen, sagt Lott. „Da | |
müssen Firmen gegen angehen: Sie sollen auch Männer adressieren, wenn es um | |
Vereinbarkeit geht, damit auch Männer Home Office als | |
Vereinbarkeitsinstrument nutzen“, betont Lott. Besonders für Frauen | |
bedeutet das Büro zu Hause oft eine stärkere Doppelbelastung. Lott: „Home | |
Office darf bestehende Geschlechterungleichheiten nicht verstärken.“ | |
„Durch Corona kann es durchaus sein, dass sich die Betriebskultur ändert | |
und manche mehr Home Office machen wollen.“ Das wichtige sei immer, das | |
richtige Maß zu finden. So sieht das auch Bosch-Mitarbeiter Jeutter. | |
Normalerweise arbeite er zweimal die Woche von zu Hause aus. Dass es jetzt | |
100 Prozent wegen Corona werden, findet er zwar „gechillt, aber im Home | |
Office kriegt man nicht so viel von den Kollegen mit.“ | |
Für das Gemeinschaftsgefühl findet er das aber wichtig. Bisweilen ließen | |
sich vor Ort auch Probleme schneller lösen. „Wenn wir uns jetzt eine Zeit | |
lang nicht sehen, passt das aber schon, da wir uns gut kennen“, sagt | |
Jeutter. | |
## Mehr Home Office nach Corona? | |
Rechtlich ändert auch das Corona-Virus nichts am Home Office. Die | |
Sondersituation jedoch durchaus, berichtet Alexander Schirp, | |
Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin Brandenburg: „Jetzt geht | |
der Wunsch eher von den Unternehmen aus. Normalerweise von den | |
Mitarbeitern.“ Wie die Firma Elring Klinger sieht auch er, dass Home Office | |
„dort am besten geht, wo es eingeübt ist. Hauruckartig die Infrastruktur | |
aus dem Boden stampfen geht nicht so einfach“. | |
Ob die [3][Coronakrise] zu ständig mehr Home Office beiträgt, bleibt offen. | |
Das hängt auch davon ab, welche Erfahrungen Unternehmen machen, die jetzt | |
notfallmäßig verstärkt Mitarbeitende von zu Hause arbeiten lassen. „Wenn | |
das nicht klappt, kann es sein, dass sie es wieder lassen“, so Lott von der | |
Böckler-Stiftung. Nach Corona sollte die Debatte zu Home-Office | |
weitergeführt werden: „Nicht mit ja und nein, sondern mit ja, wie und wie | |
viel.“ | |
8 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-Hoehepunkt-ist-noch-nicht-erreicht/!5669857 | |
[2] https://www.destatis.de/Europa/DE/Publikationen/Bevoelkerung-Arbeit-Soziale… | |
[3] /Folgen-des-Coronavirus/!5666103 | |
## AUTOREN | |
Mareike Andert | |
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