| # taz.de -- Debütroman „Taubenleben“: Blitzgewitter im Hirn | |
| > Paulina Czienskowski schildert die existenzielle Krise einer jungen Frau. | |
| > Zwischen Erinnerungen und Angst findet diese zu sich selbst. | |
| Bild: Die Vögel werden zu einem Sinnbild gescheiterter Existenzen | |
| Lois hat Angst. Panische Angst. Davor, Aids zu haben. Vor ein paar Monaten | |
| hat sie ungeschützten Sex mit einem Künstler auf seinem ausklappbaren Sofa | |
| gehabt. Nun sitzt sie im Warteraum der Frauenärztin „mit Blitzgewittern im | |
| Hirn“. | |
| So beginnt der Debütroman der Berliner Autorin Paulina Czienskowski. | |
| Zumindest ist das die erste Szene mit der etwa 30-jährigen Lois, im ersten | |
| Kapitel stellt Czienskowski eine Erinnerung aus der Kindheit ihrer | |
| Protagonistin voran. Als Neunjährige findet sie auf der Straße einen roten, | |
| fedrigen Haufen, die Überbleibsel einer überfahrenen Taube. | |
| Ihr Vater erzählte ihr, dass sich Tauben vor Autos werfen, wenn sie nicht | |
| mehr leben wollen. Ihre Mutter sagte nur, dass jeder irgendwann sterbe, | |
| eben auch die „Ratten der Lüfte“. Für Lois werden die toten Vögel zu ein… | |
| Sinnbild gescheiterter Existenzen. Sie möchte anders sterben. | |
| Czienskowski lässt ihre Hauptfigur drei Tage lang Angst haben. Lois wartet | |
| auf die Ergebnisse, versucht sich abzulenken. Sie denkt unablässig an ihre | |
| Kindheit in einer Wohnung im 30. Stock in einer tristen Neubausiedlung mit | |
| ihren Eltern, die sich nicht lieben. Die Mutter verbringt ihre Zeit mit | |
| Kreuzworträtseln, die sie einsendet, in der Hoffnung irgendwann eine Reise | |
| zu gewinnen. Ihr Vater stirbt früh. | |
| Die Zeitebenen der 30-jährigen Lois und die ihrer Erinnerungen laufen | |
| stringent aufeinander zu. Wie ist sie zu derjenigen geworden, die sie jetzt | |
| ist? In einer lockeren, eingängigen Sprache schildert Czienskowski den | |
| Moment der existenziellen Krise in einem jungen Leben, die Pike der Panik, | |
| der Angst, in der Lois alles Gewesene Revue passieren lässt. | |
| Sie schaut jetzt anders auf die Beziehungen zu ihrer einsamen Mutter, zu | |
| ihrem toten Vater und zu ihrem Freund. In kürzester Zeit driftet sie ab. | |
| Seite für Seite scheint ihr die Kontrolle über das eigene Leben zu | |
| entgleiten, gleichzeitig betrachtet sie es mit einer seltenen Klarheit und | |
| kommt sich dadurch so nah wie noch nie. | |
| 14 Mar 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Marlene Militz | |
| ## TAGS | |
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