Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mietobergrenzen für Sozialhilfeempfänger: Ein wenig Spielraum
> Der Hamburger Senat erhöht die Grenze, bis zu der er die Miete für
> SozialhilfeempfängerInnen bezahlt. Die Linke hält die Steigerung für zu
> gering.
Bild: Ganz schön schwer, eine bezahlbare Wohnung zu finden, ganz besonders fü…
Hamburg taz | Der rot-grüne Senat hat die Mietobergrenzen für bedürftige
Menschen erhöht, die Linke in der Bürgerschaft hält sie jedoch noch immer
für viel zu niedrig, „Die jetzige Anpassung ist lächerlich“, findet Carola
Ensslen, Mitglied im Sozialausschuss. Sie führe dazu, dass Mieter aus ihrem
Stadtteil verdrängt würden oder aus ihrem ohnehin zu schmalen
Sozialhilfe-Budget Geld für die Miete abzweigten.
Vergangene Woche hatte die Sozialbehörde die sogenannte
[1][Angemessenheitsgrenze] für Kosten der Unterkunft angehoben: zwischen
6,50 Euro für einen Single- und 28,80 Euro für einen
Vier-Personen-Haushalt. Diese Anhebung soll für die Bruttokaltmiete,
Betriebskosten und seit dem vergangenen Jahr auch für Kaltwasser reichen.
Die Miete, die vom Staat übernommen wird, reicht von 501,50 Euro für einen
Ein-Personen-Haushalt bis zu 1.345,20 für sechs Personen.
Ensslen hält das für nicht realitätsgerecht. Angesichts der tatsächlich
aufgerufenen Preise müssten Leistungsempfänger*innen aus ihrem Regelsatz
noch Miete zuzahlen, hätten so noch weniger zum Leben, kritisiert sie. Die
Linksfraktion forderte schon in einem Antrag von Juni 2019, die
Mietobergrenzen nur als Richtwerte und nicht als strikte Obergrenze zu
gestalten, um Spielräume zu schaffen.
Aus der Sicht der Linken orientiert sich der [2][Mietenspiegel] zu sehr an
den Bestandsmieten und berücksichtigt die Neuvermietungspreise zu wenig.
„Schaut man sich die Vermietungsanzeigen an, müsste man für eine Person
mindestens 700 Euro Bruttokaltmiete übernehmen“, sagt Ensslen.
Damit die Empfänger*innen nicht bei jeder Mieterhöhung darum fürchten
müssen, ausziehen zu müssen, gibt es tatsächlich einen Spielraum von 20
Prozent oberhalb der Mietobergrenze. Dieser Spielraum ist laut Ensslen in
Hamburg aber schnell ausgeschöpft. „Das führt zu einer [3][Verdrängung] aus
Stadtteilen wie Eimsbüttel“, sagt Ensslen. Es zwinge Menschen, ihr
gewohntes Lebensumfeld zu verlassen und verschärfe die soziale Spaltung.
Um die zu verhindern, gibt es für die [4][Angemessenheitsgrenze] noch eine
andere Marge: In Stadtteilen mit einem sehr geringem Anteil an
Bezieher*innen von Sozialleistungen, kommt eine zehnprozentige
Überschreitung der eigentlichen Angemessenheitsgrenze in Betracht. Das gilt
für Stadtteile wie Blankenese oder Ottensen.
Für Siegmund Chychla, den Vorsitzenden des Mietervereins zu Hamburg, ist
diese Marge – wenn überhaupt – nur für bestehende Mietverträge
interessant. „Bei einer Neuvermietungs-Miete, die bei 50 Prozent über den
ortsüblichen Vergleichsmieten liegt, brauchen die Empfänger*innen sich gar
nicht auf die teuren Wohnungen zu bewerben“, sagt er. „Für Bedürftige sind
solche Stadtteile mit einer finanziellen Mauer geschützt und deshalb nicht
erreichbar“, sagt er.
Die CDU hält den Mietenspiegel als Grundlage für die Angemessenheitsgrenze
für ungeeignet: Damit verschleiere der Senat die wahre Entwicklung bei den
Mieten, da bei zahlreichen Sozialwohnungen die Mietbindung ausgelaufen ist
und sie deshalb in den Mietenspiegel einbezogen worden seien. Mit ihren
zunächst noch geringen Mieten hätten sie im Mietenspiegel preisdämpfend
gewirkt und die wahre Mietsteigerung verschleiert.
Dass sich die Anpassung der Kosten der Unterkunft auf die Preisentwicklung
anderer Wohnungen auswirken wird, sieht Andreas Breitner, Direktor des
Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, nicht. „Sie sorgt aber für eine
gewisse Annäherung der Mieten an den tatsächlichen Markt und erleichtert so
möglicherweise den betroffenen Haushalten, in ihrer Wohnung zu bleiben“,
sagt er.
Laufende Mietverträge unterlägen „der unlängst verlängerten und
verschärften Mietpreisbremse“, sagt Breitner. Die bestimmt, dass ein
Vermieter bei neuen Verträgen höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete
plus zehn Prozent verlangen darf. Mietervereins-Chef Chychla hält sie für
weitgehend wirkungslos. In ihrer jetzigen Form sei sie „nicht fähig, die
Mieten auf ein erträgliches Maß für alle zu bringen“, sagt er.
18 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.hamburg.de/leistungen-hilfen/1016372/kosten-der-unterkunft/
[2] /Wohnen-in-Hamburg/!5640584
[3] /Wohnungsmarkt-in-Hamburg/!5649846
[4] https://www.hamburg.de/contentblob/8341620/e9351b8712c8347f87b481f12c13b7d9…
## AUTOREN
Yasemin Fusco
## TAGS
Sozialhilfe
Schwerpunkt Armut
Arme
Sozialpolitik
Hamburg
Sozialer Wohnungsbau
Mietpreisbremse
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sozialer Wohnungsbau in Hamburg: Ein Kuchen, der zu klein ist
Der Senat erhöht die Einkommensgrenze für Sozialwohnungen. Künftig haben 40
Prozent der Hamburger*innen eine Berechtigung.
Wohnungsmarkt in Hamburg: Umzugszwang treibt die Mieten
Ein Bündnis fordert, die Mietobergrenzen für Sozialhilfebezieher
auszusetzen. Sie hätten bei der Wohnungssuche ohnehin keine Chance.
Wohnungsnot: Kein Raum in der Herberge
Der Hamburger Senat tut sich schwer, Unterkünfte für wohnungslos gewordene
Familien bereitzustellen. Dabei gilt offiziell die Devise, Obdachlosigkeit
erst gar nicht entstehen zu lassen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.