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# taz.de -- Wohnungsnot: Kein Raum in der Herberge
> Der Hamburger Senat tut sich schwer, Unterkünfte für wohnungslos
> gewordene Familien bereitzustellen. Dabei gilt offiziell die Devise,
> Obdachlosigkeit erst gar nicht entstehen zu lassen.
Bild: Wenn niemand hilft, haften die Kinder mit für die Fehler ihrer Eltern.
In Hamburg werden Familien obdachlos, weil die Stadt nicht genügend
Wohnungen vorhält, um sie unterzubringen. Fachleute sprechen von mehreren
Dutzend Familien, die auf der Straße stehen, obwohl ihnen nach der
geltenden Rechtslage eine so genannte "öffentliche Unterbringung" zustünde.
Nach dem Erkenntnisstand der Sozialbehörde sind die Kapazitäten knapp, aber
ausreichend. "Alle Familien, die akut von Wohnungsnot bedroht sind, werden
untergebracht", versichert Julia Seifert, die Sprecherin der Behörde.
Ulla Kutter, Sozialberaterin im Kinder- und Familienzentrum (Kifaz)
Schnelsen, erlebt das in der Praxis anders. Sie sei im laufenden Jahr schon
mit vier derartigen Fällen konfrontiert worden, erzählt sie. Da sei zum
Beispiel eine Inderin mit einem deutschen Kind nach Deutschland
zurückgekommen, nachdem ihr Versuch, sich in Indien niederzulassen,
gescheitert war. Über drei Wochen lang sei es nicht gelungen, die junge
Mutter unterzubringen.
In einem anderen Fall habe sich ein Gärtner ungeschickt gegenüber der für
Hartz IV zuständigen Arge verhalten. Zudem sei er mit einem komplizierten
Antragsformular überfordert gewesen. Er habe die Miete nicht bezahlen
können. Im vergangenen Monat habe er mit seiner hoch schwangeren Frau und
seiner fünfjährigen Tochter die Wohnung räumen müssen. Seither nächtige die
Familie bei der Schwiegermutter auf dem Sofa.
Von der zuständigen Fachstelle für Wohnungsnotfälle habe sie gehört, dass
in ganz Hamburg 50 Familien nicht einmal einen Platz in einer städtischen
Behelfsunterkunft hätten, sagt Kutter. Nach Informationen von Steffen
Becker, dem Sprecher des Diakonischen Werks, haben allein im Bezirk
Eimsbüttel 25 Zuwandererfamilien derartige Probleme. In dem Bezirk war
keine Auskunft zu bekommen; die übrigen berichten, soweit erreichbar, von
keinen oder sporadisch auftretenden Problemen. Im Mai standen in Bergedorf
zwei Familien auf der Straße. Sie seien privat untergeschlüpft, teilte der
Bezirk mit. "Es kann vorkommen, das es für eine größere Familie nicht
sofort einen Platz gibt", räumt Behördensprecherin Seifert ein.
"Die Familien sind schwer in Wohnungen zu vermitteln", bestätigt Michael
Edele, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.
Die Wohnungsunternehmen stellten nicht die versprochenen Kontingente für
diese Gruppe bereit. Außerdem würden auf dem Markt kaum Wohnungen
angeboten. Das Bezirksamt Harburg stellt fest, dass die Zahl der
wohnungslosen Familien zugenommen hat. Einen Engpass würde es aber nur
geben, wenn sie dauerhaft anstiegen.
Ziel des Senats ist es, zu verhindern, dass Menschen überhaupt ihre
Wohnungen verlieren. 2001 wurde zu diesem Zweck eine erste
Bezirksdienststelle gegründet, in der alle einschlägigen Beratungsangebote
miteinander verknüpft waren. Heute gibt es das in jedem Bezirk unter dem
Namen "Fachstelle für Wohnungsnotfälle". Das Kalkül dahinter lautet:
Wohnungslosigkeit oder gar Obdachlosigkeit zu verhindern, ist für den Staat
weniger aufwändig, als beides rückgängig zu machen.
Die Fachstellen unterstützen Familien mit Problemen. Wenn nötig, ziehen sie
Schuldner- und Suchtberatungsstellen hinzu. Sie können Mietschulden in Form
von Darlehen übernehmen oder durch Beihilfen vermindern. Sollten sich die
Mieter unfähig zeigen, das vom Sozialamt erhaltene Wohngeld selbst zu
überweisen, kann das die Behörde direkt tun. Laut Senat haben durch die
Arbeit der Fachstellen im vergangenen Jahr 7.522 MieterInnen ihre Wohnung
behalten.
Dass weniger Unterkünfte bereitstehen, liegt nach Auskunft der
Sozialbehörde daran, dass diese auch für Einwanderer vorgesehen seien.
Diese seien weniger geworden, also halte der Senat auch weniger Wohnungen
vor. Im vergangenen Jahr gab es gut 7.800 Plätze für Zuwanderer und
Wohnungslose, 2.600 davon belegten Wohnungslose.
Ein Ausweg für Notfälle ist den BeraterInnen der Fachstellen seit 2002
verbaut: die Menschen in Hotels unterzubringen. Dabei verdienten sich zu
viele Vermieter eine goldene Nase.
13 Jun 2010
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Sozialhilfe
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