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# taz.de -- Chelsea Manning ein Jahr in Beugehaft: Lasst. Sie. Frei.
> Die Whistleblowerin Chelsea Manning hat erneut versucht, sich das Leben
> zu nehmen. Ob ihre Beugehaft beendet wird, entscheidet am Freitag ein
> Richter.
Bild: Manning im November 2017 nach der Begnadigung durch Präsident Obama
Berlin taz | Mit einer kurzen Unterbrechung befindet sich Chelsea Manning
seit einem Jahr in Haft. Beugehaft, um sie zu einer Aussage gegen Wikileaks
und [1][Julian Assange] zu zwingen. Nach Auskunft ihrer Rechtsbeistände
befindet sich Manning nach einem Suizidversuch seit Mittwoch im
Krankenhaus.
[2][Es ist in der Vergangenheit unmissverständlich klar geworden], dass die
Whistleblowerin ihren Prinzipien bis zum bitteren Ende folgen und sich
weigern wird, dem politischen Verfahren gegen Assange zuzuarbeiten. Warum
sollte sie auch? In ehrlicher Empörung gab sie vor 10 Jahren Belege für
US-amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan an Wikileaks
weiter. Die Plattform veröffentlichte das Paket in mehreren Etappen
zwischen 2010 und 2011. Die Dokumente leisteten einen wichtigen Beitrag zur
Information der Weltöffentlichkeit über die Kriegsführung im Nahen Osten.
Die Rechnung für diesen Geheimnisverrat hat Chelsea Manning teuer bezahlt.
Von 2010 bis zu ihrer [3][Begnadigung durch den damaligen Präsidenten
Barack Obama 2017] saß sie in Haft. Selbst wer Zweifel am Wert von Mannings
Enthüllungen für eine demokratische Öffentlichkeit hat, kann sich fragen,
ob der Bestrafung nicht langsam genug ist für eine Frau, die nur ihrem
Gewissen gefolgt ist und niemandem willentlich Schaden zugefügt hat.
Die monatelange Beugehaft ist eine offensichtliche Botschaft an künftige
„Verräter*innen“: Selbst eine Begnadigung von höchster Stelle wird dir
keinen Frieden bringen. Dauerhaft bist du als Feind*in markiert, niemand
wird dich vergessen. Und egal wie offensichtlich nutzlos der Versuch ist,
dich zur Beteiligung an politischer Repression zu erpressen, du wirst kein
Tageslicht mehr sehen. Das Verfahren gegen Julian Assange ordnete Manning
denn auch bereits im vergangenen Jahr in einem Brief, der ihre
Unkooperativität erläuterte, entsprechend ein. Es handele sich dabei um
„einen Versuch, Journalisten und Verlage einzuschüchtern, die dem
öffentlichen Wohl dienten“.
## Uneingeschränkte Solidarität
Die Frage übrigens, ob Wikileaks oder Manning tatsächlich immer den besten
Weg für diesen Dienst an der Öffentlichkeit wählten, wird zu einer
irrelevanten Erbsenzählerei angesichts der unmenschlichen Behandlung, die
den Beteiligten von Seiten nominell demokratischer Rechtsstaaten
widerfährt.
Die Antwort der zivilgesellschaftlichen und demokratischen Öffentlichkeit
auf die Willkür und Grausamkeit von Justiz, Politik und Geheimdiensten muss
uneingeschränkte Solidarität mit den Betroffenen sein. Gerade im Falle
Chelsea Mannings kann es nur die eine Forderung geben. Da braucht es keine
originellen neuen Ideen, politische oder publizistische Taktik, einfach nur
diesen einen Satz: Lasst sie endlich frei!
Die wiederholten Suizidversuche Mannings in der Haft erhöhen die
Dringlichkeit dieser Forderung, für deren Erfüllung es ohnehin keine
akzeptable Alternative gibt. Die Haftbedingungen allein sind einer zivilen
Gesellschaft unwürdig. Zwei Berichterstatter der Vereinten Nationen, Juan
Mendez im Jahr 2012 und Nils Melzer 2019 bezeichneten die Art der
Einkerkerung Mannings als Folter. Es ist kein Gegenstand für Diskussionen,
sondern eine Selbstverständlichkeit, dass Folter, ob nun als Strafe oder
zur Erzwingung von Aussagen, nicht hinnehmbar ist. Hier steht noch mehr auf
dem Spiel als Presse- und Meinungsfreiheit, nein, es geht an die Basis von
Zivilisation und Menschlichkeit. Zu schweigen, wenn Menschen gequält
werden, kann sich niemand leisten. Denn nicht zu protestieren, gleichgültig
wegzuschauen ist Beihilfe durch Unterlassung.
Hinweis: Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem.
Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0
111 oder 08 00/111 0 222) oder [4][www.telefonseelsorge.de] besuchen.
12 Mar 2020
## LINKS
[1] /Verfahren-gegen-Julian-Assange/!5664573
[2] /Vorgehen-gegen-US-Whistleblowerin/!5596207
[3] /Begnadigung-der-Whistleblowerin/!5372942
[4] https://www.telefonseelsorge.de/
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Chelsea Manning
Wikileaks
Schwerpunkt Überwachung
Julian Assange
Folter
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Julian Assange
Whistleblower
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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