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# taz.de -- „Narziss und Goldmund“ als Kinofilm: Wo Beten alle Muskeln stä…
> Hermann Hesse mochte keine Literaturverfilmungen. Stefan Ruzowitzky hat
> „Narziss und Goldmund“ trotzdem für die Leinwand adaptiert.
Bild: Der Tunichtgut Goldmund (Jannis Niewöhner) und Klosterstreber Narziss (S…
Ora et labora. Viel mehr ist im Kloster bekanntlich nicht los – die einen
brauen Bier und bestellen den Kräutergarten, die anderen beten. Oder
geißeln sich, weil sie dem hübschen Novizen zu lange auf die Tonsur
geschaut haben.
In [1][Stefan Ruzowitzkys filmischer Adaption] von Hermann Hesses
Klassikererzählung „Narziss und Goldmund“ ist das nicht anders: Dem
Klosterstreber Narziss (Sabin Tambrea) wird der vom lieblosen Vater
verstoßene Tunichtgut Goldmund (Jannis Niewöhner) unter die Fittiche
gelegt. Man freundet sich an, vielleicht ist da auf Seiten Narziss’ auch
mehr, aber in Goldmunds (vom Beten?!) erstaunlich muskulös gewachsener
Brust rufen Wander- und Wollust um die Wette.
„Goldmündchen“ (O-Ton Hesse) macht sich darum alsbald von dannen und zieht
– offiziell auf der Suche nach der Mutter – durch Gegend und Betten,
Narziss geißelt sich ob der unkeuschen Gedanken. Bis nach Jahren das
Wiedersehen Freude macht und es sich herausstellt, dass Goldmund neben den
vielen Frauen auch noch das Holzschnitzen studiert hat. Er soll nun, gegen
den Willen von Narziss’ schlecht gelauntem Betkumpel Lothar (André
Hennicke), dem Kloster Mariabronn einen neuen Altar bescheren …
Hesse selbst fand Literaturverfilmungen schrecklich. Und was soll man
sagen: Er hat in diesem Fall recht. Während man sogar im piefigen Berliner
„Museumsdorf Düppel“ noch eine Ahnung davon erhaschen würde, welche
innerlichen und äußerlichen Probleme zwei junge Männer im Mittelalter
umtreiben könnten, hat der Film ein anderes Ziel.
Regisseur Stefan Ruzowitzky und sein Co-Autor Robert Gold versuchen, aus
dem spröden, philosophisch-pietistischen Stoff über die Suche nach der
Vollkommenheit, die Gegensätzlichkeit und die damit verbundene Verzweiflung
zweier Freunde eine geile Teenagersause zu machen, die der gymnasiale
Deutsch-LK (wie immer überwiegend Mädchen) mit Hingabe schaut – weil Jannis
ja so süß ist!!!!
## Ein Mittelalter-Puppenhaus
Ist er auch, keine Frage. Beide Hauptdarsteller sind sensible und
hingebungsvolle Schauspieler, das Drehbuch schafft es zuweilen, den
immanenten Konflikt zumindest anzudeuten. Doch die Inszenierung dieses
Konflikts steht der Idee im Wege: Immer wieder wird man aus dem Kontext
gerissen, weil die Figuren aussehen wie Kasperpuppen und das Bühnenbild wie
ein Mittelalter-Puppenhaus. Immer wieder treibt die klebrige Musik jedes
Vertrauen in die Gestaltung aus.
Und immer wieder sagt Goldmund Dinge wie „Hau ab, Idiot“, Mönch Anselm
(Kida Khodr Ramadan) neuköllnert durch Klostermauern, und wenn alle
dramaturgischen Stricke reißen, und kurz in Vergessenheit gerät, dass
Goldmund eigentlich auf der Suche nach der Mutter ist, muss Niewöhner
seinen herbeigebeteten Muskelbody zeigen.
Dazu wirken manche Szenen wie der Versuch, [2][„Der Name der Rose“] zu
kopieren – wobei Jean-Jacques Annaud mit seiner Eco-Verfilmung 1986 ein
Höchstmaß an schauspielerischer, visueller und inhaltlicher Spannung
gelungen war. „Narziss und Goldmund“ dagegen ist so spannend wie 157 Mal
das „Gegrüßt seist du Maria“ zu beten. Wenn das Hesse wüsste, das Herz im
Leibe tät ihm zerspringen.
11 Mar 2020
## LINKS
[1] /Doku-ueber-NS-Taeter/!5050495
[2] /Nachruf-Umberto-Eco/!5276954
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Spielfilm
Literatur
Kloster
USA
Buchhandel
Historienfilm
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