| # taz.de -- Neue Staffel „Literarisches Quartett“: Solo plus drei | |
| > Im neuen Quartett wird krampfhaft versucht, an aktuelle Themen | |
| > anzuknüpfen. Polemik und scharfe Kritik aber fehlen weitestgehend. | |
| Bild: Thea Dorn und noch ein paar Leute | |
| Sie macht es jetzt alleine. Erst war Thea Dorn, die sich irrerweise nach | |
| dem großen Adorno benannt hat, als Gast in der Runde des „Literarischen | |
| Quartetts“, bis sie den Platz [1][des ausgeschiedenen Maxim Biller] als | |
| festes Mitglied übernahm. Jetzt ist sie nach dem Abschied von Christine | |
| Westermann und dem des vorherigen Gastgebers Volker Weidermann die neue | |
| Gastgeberin, und das neue Konzept dieser altehrwürdigen Sendung, die damit | |
| gewissermaßen in ihre dritte Staffel läuft, besteht im Grunde aus ihr. | |
| [2][Thea Dorn] bleibt nämlich das einzige ständige Mitglied des | |
| „Literarischen Quartetts“; sie darf sich für jede Sendung drei Gäste | |
| bestellen. | |
| Am Freitagabend lief die erste Ausgabe des literarischen Solos plus drei, | |
| und zunächst einmal schien es, als ob Dorn die Gelegenheit tatsächlich | |
| nutzt, um sich noch weiter in den Vordergrund zu rücken. Allein saß sie da | |
| auf einem kleinen Zweiersofa, neben ihr lediglich ein wirrer Stapel Bücher | |
| und Zettel; auf dem Stuhl rechts von ihr der einzige geladene Mann des | |
| Abends, der Freitag-Chef und im Zweifel dann doch Linker Jakob Augstein, | |
| noch weiter rechts die RBB-Moderatorin und Autorin Marion Brasch. Auf der | |
| anderen Seite die österreichische Autorin Vea Kaiser. | |
| Mit anderen Worten: Büchermenschen saßen durchaus da; außer Dorn, bei der | |
| sich über die Funktionsbezeichnung auch streiten ließe, aber keinE | |
| ausgewieseneR LiteraturkritikerIn. Das ist einerseits bezeichnend für das | |
| Verhältnis von Fernsehen und Literaturkritik. Andererseits weist es auf die | |
| Funktion von Literatursendungen jedenfalls im Verständnis des ZDF hin: ein | |
| gutes Empfehlungstool, das soll das „Literarische Quartett“ sein, gern auch | |
| mit Unterhaltungsfaktor, der sich aus Leidenschaft und einem Hang zur | |
| Polemik ergibt. | |
| Für so etwas war Marcel Reich-Reinicki, der selige Gottvater dieses | |
| Formats, natürlich leicht zu haben, und Maxim Biller passte ebenfalls gut | |
| in diese Rolle. Am Freitag bei der Premiere mit Thea Dorn als Gastgeberin | |
| täuschte ausgerechnet der Charmebolzen Augstein immer mal polemische | |
| Qualitäten an. Hie und da ging es sogar um so etwas wie | |
| Literaturverständnis. Und um die Möglichkeit eines Streits darüber, was | |
| Literatur in diesen Zeiten noch auszurichten vermag. | |
| ## Allgemeine Skepsis | |
| Denn immerhin: Der gefühlige Ansatz, für den im „Quartett“ bis vor Kurzem | |
| noch Christine Westermann stand (in Nachfolge von Elke Heidenreich), blieb | |
| weitgehend draußen, und man konnte sich sogar darauf verlassen, dass Dorns | |
| immer leicht danebener konservativ-bildungsbürgerlicher Ansatz auch in | |
| dieser Konstellation nicht einfach durchging. Sondern fast wie gewohnt | |
| durchfiel: Außer „Altphilologin“ Kaiser, die aber auch skeptisch blieb, | |
| konnte niemand etwas mit dem graecophilen Wälzer anfangen, den Dorn als | |
| Vorschlag für die Diskussion mitgebracht hatte. | |
| [3][Moritz von Uslars „Deutschboden 2“] hingegen fanden alle außer Dorn | |
| gut; und über Ingo Schulze, einen Autor, der fast schon prototypisch für | |
| die gesamte Ödnis des deutschen Literaturbetriebs steht, konnte immerhin | |
| diskutiert werden. Das vierte Buch stammte von Vicki Baum und lohnt | |
| bestimmt der Wiederentdeckung. | |
| Und so war es Thea Dorn hörbar ein Anliegen, die vorliegenden Bücher mit | |
| aktuellen Diskursen zu verknüpfen. Schulze war „politisch auf der Höhe der | |
| Zeit“, weil sein Buch in Dresden spielt und von der sukzessive | |
| Selbstnazifizierung eines ausgewiesenen Büchermenschen handelt; Vicki Baums | |
| Roman galt ihr als aus der Tiefe des vergangenen Raumes kommender | |
| Gegenbeitrag zur Metoo-Debatte. Sogar das Coronavirus fand endlich sein | |
| Antidot in Form eines Buches. | |
| Wobei sich „Die Pest“ von Albert Camus natürlich immer zu lesen lohnt (und | |
| in Italien tatsächlich wieder zum Bestseller geworden ist). | |
| 8 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Literarisches-Quartett-ohne-Biller/!5373503 | |
| [2] /Kolumne-Jung-und-dumm/!5388411 | |
| [3] /Kolumne-Wirtschaftsweisen/!5656075 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
| ## TAGS | |
| Literarisches Quartett | |
| Maxim Biller | |
| ZDF | |
| Literaturkritik | |
| RBB | |
| Der Spiegel | |
| Rezension | |
| Literarisches Quartett | |
| Literaturkritik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| RBB-Literatursendung „Studio Orange“: Zu sehr gewollt | |
| Die neue Literatursendung mit Sophie Passmann beim RBB will anders sein als | |
| ihre Vorgänger: Entspannter und lustiger. Das gelingt nur bedingt. | |
| Volker Weidermann verlässt den „Spiegel“: Glück eines Kritikers | |
| Nach sechs Jahren beim „Spiegel“ kündigt Weidermann. Der ehemalige | |
| Moderator des „Literarischen Quartetts“ hat eine Abschiedsmail geschrieben. | |
| „Zart am Limit“ auf ZDFneo: Popkulturelles Mau-Mau | |
| Mit den Worten „Ich bin das Sommerloch“ moderierte Laura Karasek die erste | |
| Folge ihrer neuen Talkshow an. Sie sollte Recht behalten. | |
| „Literarisches Quartett“ ohne Biller: Tschüss, TV! | |
| Maxim Biller hat seinen Abschied vom „Literarischen Quartett“ | |
| bekanntgegeben. Wie würde es klingen, wenn Maxim Biller darüber schreiben | |
| würde? | |
| Nachruf auf Joachim Kaiser: Bildungsbürger ohne Geistesqualm | |
| Er war einer der wichtigsten Kritiker der Nachkriegszeit. Der frühere | |
| SZ-Feuilletonchef Joachim Kaiser ist nun im Alter von 88 Jahren gestorben. |