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# taz.de -- Unwort „Sachpolitik“: Framen für Fortgeschrittene
> Politiker wie Friedrich Merz framen sich als „Sachpolitiker“ – im
> Gegensatz zu Ideologen. Das ist Unsinn, wird medial aber trotzdem
> reproduziert.
Bild: Schlimmer Finger: “Sachpolitiker“ Friedrich Merz am politischen Asche…
BERLIN taz | Ein besonders schmieriger Euphemismus unserer Zeit ist das
Wort „Sachpolitik“. Ein hehrer Anwender der Vokabel ist [1][Friedrich
Merz]. Aber das Wort wird von vielen Politikschaffenden gebraucht. Und
immer wieder schleusen sie das Wort in Medienüberschriften und -formate
ein.
Wer fragt, was Sachpolitik ist, merkt, dass es das, was dieses Wort meinen
soll, überhaupt nicht gibt. Geht es nicht bei jeder Politik immer auch um
die Sache, um Inhalte? Trotz seiner erstaunlichen Leere ist das Wort
ziemlich wirksam. Denn es vermag den Benutzer in ein gutes Licht zu
stellen. Es bleibt der Eindruck, jener, der Sachpolitik „fordert“, zu ihr
„zurückkehren“ möchte, sei besonders an der Sache interessiert und nicht …
den üblichen politischen Streits. Das Wort ist ein astreines politisches
Framing, erstklassige Rhetorik. Ich nenne es den „Sachlichkeitstopos“. Wer
Sachpolitik fordert, sagt zuerst über alle anderen aus, dass es diesen
nicht um die Sache ginge. Er selbst steht da als jemand, der den Betrug
aufgedeckt hat.
Kritiker werden einwenden, wie denn bitte ohne ein Wort wie „Sachpolitik“
zu unterscheiden sei zwischen dem üblichen Parteigedöns und inhaltlicher
Politik. Aber diese Unterscheidung ist kaum möglich. Das zeigen die anderen
Begriffe, die in diesem Feld rummäandern.
Da gibt es das Wort „Parteipolitik“. Auch diese Unterscheidung verschwimmt.
Ist nicht jegliche Politik Parteipolitik, eben weil die Parteien die
Politik machen? So landet auch dieser Begriff in der Framing-Kiste.
Parteipolitik ist in der Regel ein Argument gegen den politischen Gegner
(egal ob dieser von anderen Parteien kommt oder aus der eigenen).
„Symbolpolitik“ hat ein ähnliches Problem. Jedes verabschiedete Gesetz ist
schließlich pure Symbolik für die eigenen Zielgruppen, denken wir einmal an
die „Ausländermaut“, an die „Respekt-Rente“, den „Mindestlohn“ usw…
ist zutiefst symbolisch und ordnet sich gerade nicht zwingend irgendeiner
göttlichen Effizienz unter.
Alle diese Begriffe sind letztlich nicht mehr als rhetorische Kniffe. Das
ist auch daran zu erkennen, dass die meisten „Sachpolitiker“ wie Friedrich
Merz erstaunlich wenig zu irgendeiner Sache beitragen.
Ein radikalneutraler Lösungsweg wäre, Vorsilben wie Sach- oder Symbol- in
der Berichterstattung wegzulassen. Dann würde zumindest sichtbar, dass es
bei all diesen Dingen um nichts anderes geht als um: Politik.
9 Mar 2020
## LINKS
[1] /Friedrich-Merz-ueber-Berlin-Kreuzberg/!5664214
## AUTOREN
Eric Wallis
## TAGS
Kolumne Die Zeile
Friedrich Merz
Framing
Medienkritik
Schwerpunkt Coronavirus
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Framing
Schwerpunkt Klimawandel
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