| # taz.de -- Framing der Flüchtlingskatastrophe: Was der „Grenzschutz“ sch�… | |
| > An der türkisch-griechischen Grenze spielen sich dramatische Szenen ab. | |
| > Medien benutzen Frontex-Vokabular um darüber zu berichten. | |
| Bild: Griechische Polizisten hindern Menschen im Hafen von Mytilen am Weitergeh… | |
| Politische Begriffe sind in der Regel gut durchdacht – oder wie es heute | |
| heißt – sie sind [1][geframed]. Es gibt politische Wortbildungen, die sind | |
| offensichtlich: Das „Gute Familien Gesetz“ oder die „Respekt-Rente“. Bei | |
| beiden handelt es sich um ein Akzeptanz-Framing. Wörter wie | |
| „Flüchtlingswelle“ oder „Migrationsansturm“, sollen hingegen Ablehnung | |
| auslösen. Auch sie sind relativ schnell als politische Begriffe erkennbar. | |
| Es ist nicht immer einfach solche Framings aufzudecken, denn Frames sind | |
| sogenannte Texttiefenstrukturen. Das heißt, sie sind im Gegensatz zu | |
| Wörtern nicht an eine einzige Form gebunden, sondern können durch eine | |
| Vielzahl an Wörtern und Bildern ausgelöst werden. Das gilt besonders für | |
| Wörter, an die wir bereits gewöhnt sind. | |
| Derzeit nutzen deutsche Medien das Wort „Grenzschutz“, um über die | |
| Fluchtbewegungen aus Syrien zu schreiben. Zu lesen ist: „EU-Grenzschutz: | |
| Frontex schickt Verstärkung an die griechische Grenze“ (Zeit-Online). | |
| „Türkei verstärkt Grenzschutz“ (Tagesschau). In diesem Zusammenhang jedoch | |
| gehört das Wort „Grenzschutz“ zumindest in Anführungsstriche. | |
| Die in dem Wort „Grenzschutz“ enthaltene Schutzmetapher löst ein Framing | |
| aus, das [2][die Kriegsflüchtlinge als „Bedrohung“ darstellt]. Die Medien | |
| sind sich keiner Schuld bewusst, schließlich sei [3][Frontex die | |
| „Europäische Grenzschutzagentur“]. Mehr noch, es ist vollkommen unstrittig, | |
| dass Grenzen vor bestimmten Bedrohungen zu schützen sind. Das | |
| Schutz-Framing versagt jedoch bei Kriegsflüchtlingen. [4][Schutzsuchende | |
| Menschen können keine Länder bedrohen]. | |
| ## Schwer rauszukommen | |
| Das Grenzschutz-Framing ist eine unauffälligere Variante des Wortbildes der | |
| „Festung Europa“, das seit Jahren von rechts etabliert wird. Aber es ist – | |
| im Kontext von Kriegsvertrieben – das gleiche Framing mit der gleichen | |
| Wirkung, eben nur in anderer Form. | |
| Ist der Frame aktiv, ist es schwer herauszukommen. Das Bedrohungsszenario | |
| findet sich dann in weiteren Wortbildungen wieder, wie die Titelzeile | |
| zeigen: „Flüchtlinge: Frontex erwartet Massenmigration nach Griechenland“ | |
| (Die Zeit, Die Welt). Nein, es ist keine „Massenmigration“, es sind „viele | |
| Kriegsvertriebene“. | |
| Die ganze Falschheit und damit Tragik des Framings zeigt sich in solchen | |
| Überschriften: „Grenzschutz soll Syrer erschossen haben“ (Münchner Merkur) | |
| und „Griechische Grenzschützer erschießen Flüchtling“ (Focus). Diese | |
| Überschriften sind nur sinnvoll, wenn die vertriebenen Menschen eine | |
| ernstzunehmende Bedrohung sind. Die undistanzierte mediale Wiedergabe des | |
| Frontex-Sprachgebrauchs zeigt: Europa ist in der Tat bedroht. | |
| 5 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Wallis | |
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