| # taz.de -- Mediales Framing in der Klimadebatte: Radikale Abwehr | |
| > Das Adjektiv „radikal“ hat in Deutschland einen negativen Beiklang, den | |
| > Konservative für sich zu nutzen wissen. Der Spieß aber lässt sich | |
| > umdrehen. | |
| Bild: Wer ist hier radikal? Teilnehmer an einer Klimademo in Buenos Aires | |
| Worte können in Mode sein. Je nach Großwetterlage tauchen bestimmte | |
| Begriffe immer wieder auf – oder eben gar nicht. Deswegen nehmen wir an | |
| dieser Stelle die Modewörter der aktuellen News auseinander. Heute: | |
| „radikal“ | |
| Wenn konservativen Politikern die Argumente ausgehen, dann bezeichnen sie | |
| den Gegner und dessen Vorschläge gern als „radikal“. Das Wort „radikal�… | |
| so was wie der Ekelaufkleber der gegenwärtigen Klimadebatte. | |
| Umso trauriger, dass es namhaften Medien nicht gelingt, aus diesem Framing | |
| auszubrechen. „Verzichten, verteuern, verbieten – muss Klimapolitik radikal | |
| sein?“, fragt Anne Will in der ARD. Die Zeit fragt: „Wie radikal darf der | |
| Kampf gegen die Erderwärmung sein?“ Wer so fragt, rahmt die Wahrnehmung des | |
| Publikums bereits im Sinne der konservativen Weltsicht. Political Framing | |
| ist das gekonnte Ein- und Ausblenden von Bedeutungen mithilfe von Wörtern. | |
| Das Adjektiv „radikal“ eignet sich für den Gebrauch als Stigmawort, weil es | |
| unscharf in seiner Bedeutung ist. Der eine meint mit radikalen | |
| Veränderungen „echte Veränderungen“, der Nächste glaubt, es wäre vom | |
| „gewaltsamen Systemsturz“ die Rede. Die Konservativen haben irgendwann | |
| einmal erkannt, dass der überwiegende Teil der Deutschen eher die zweite | |
| Bedeutung hört. Wir sind jedoch das Land der friedlichen Revolution. | |
| ## Quote aus Aufregern | |
| Solche Titelzeilen legen ein Wahrnehmungsfundament, in dem Gut und Böse | |
| feststehen. Radikale Wünsche, Forderungen und Menschen sind immer im | |
| Nachteil, denn auf der anderen Seite sitzt ein „realistischer“ | |
| Konservativer und behält recht. Das Framing „radikal vs. realistisch“ zahlt | |
| in der Regel auf konservative politische Kommunikation ein. Das wird auch | |
| Robert Habeck nicht ändern, wenn er meint, radikal sei das neue | |
| realistisch. | |
| Der Politik ist vorzuwerfen, ständig den Stimmungen der Menschen mutlos | |
| hinterherzulaufen, anstatt Orientierung zu geben. Viele Medien jedoch tun | |
| es ähnlich. Sie beziehen ihre Quote weiterhin aus dem, was die Leute schon | |
| immer aufregte. In diesem Falle aus dem Framing „Radikale gegen Realisten“. | |
| Diese Art von Diskurs gleicht einem Hamsterrad, in dem niemand wirklich | |
| weiterkommt. Der Rezipient wird sogar bestohlen, um die Möglichkeit des | |
| Umdenkens. | |
| Um da rauszukommen, könnten Medien politische Schlagworte und Framings | |
| aufdecken und infrage stellen. Das ist gar nicht so kompliziert und schon | |
| wären die Titelzeilen andere: „Radikale Tatenlosigkeit: Wann handelt die | |
| Regierung beim Klima?“ Oder: „Haben wir in der Vergangenheit zu radikal | |
| gelebt? Welche Hilfe braucht das Klima?“ | |
| 7 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Wallis | |
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