Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorwahlen in den USA: Ein Zauber in allen Dingen
> Der Präsidentschaftswahlkampf ist ein Quell ewigen Vergnügens, aber auch
> der Verstörung. Ein Riesenzirkus – und am Ende? Biden gegen Sanders.
Bild: Wahlen in den USA: Ein riesen Zirkus, damit am Ende wieder nur dasselbe r…
Steckdosen. Rollatoren. Wasserhähne. Gehstöcke. Mülltonnen.
Krankenhausnachthemden. Stehlampen. Lkws. Klobrillen. Klokabinen.
Klokabinentüren. Klokabinentürriegel. So weit meine unvollständige
Aufzählung der Dinge, die aus mir unerklärlichen Gründen in den USA
vollkommen anders aussehen als in Europa. Und das ist eine ebenso
wertungsfreie wie bereichernde Beobachtung: Alles funktioniert im Grunde
genauso gut, nur eben anders.
Wenn man sich wie ich gerade in einem anderen Land aufhält, kommt einem das
irgendwann nicht mehr faszinierend vor, sondern gewöhnlich. Ab und an wird
man mal den Wasserhahn fast aus der Wand reißen, weil man schlaftrunken
vergessen hat, dass man ihn hier nicht nach vorne kippt, sondern im
Uhrzeigersinn aufdreht, ansonsten aber verlieren die Dinge leider sehr bald
ihren Zauber. Anders verhält es sich mit der Politik. Der
Präsidentschaftswahlkampf ist ein Quell ewigen Vergnügens, aber auch der
Verstörung.
Eine kurze Bestandsaufnahme: Im Rennen sind, von ursprünglich 29
Kandidat*innen, Stand Redaktionsschluss dieser Ausgabe – und es ändert sich
bekanntlich schneller, als Sie „primary“ sagen können – noch 3. Eine Fra…
zwei Männer. Erstere, 38, hat bisher null Delegierte auf sich vereinen
können, die anderen beiden liegen inzwischen bei 1.178 und sind
[1][zusammen 155 Jahre alt.] Ich möchte mich jetzt gar nicht darauf
einlassen, warum einer womöglich der geeignetere Präsident wäre als die
oder der andere. Wie sollte ich darüber auch ein qualifiziertes Urteil
abgeben können, wenn ich schon vor Klobrillen und Motorhauben in Staunen
verharre? Es ist aber doch erstaunlich, mit welcher Kraft – man möchte fast
sagen: Naturgewalt, aber dazu später – sich das doch einigermaßen diverse
Kandidat*innenfeld der Demokratischen Partei in diesem Jahr fein säuberlich
teilte, wie Magnetstaub, so dass am Ende übrig blieben: zwei [2][alte weiße
Männer], die schon seit vielen Jahrzehnten dasselbe machen. Was nicht
heißt, dass sie das Falsche machen. Aber andere, die es vielleicht noch
besser machen, kommen nicht durch (und ich spreche nicht von Tulsi
Gabbard).
Ein Riesenzirkus wurde in den vergangenen Monaten veranstaltet, die Leute
spendeten Geld und lasen Programme, sie gingen zu Infoabenden und fuhren zu
Kundgebungen und saßen auf Wahlpartys herum, ein dritter alter weißer Mann
machte 500 Millionen Dollar von seinem Taschengeld locker, um auch mal
seine eigene Präsidentschaftskandidatur gehabt zu haben – und das alles,
damit am Ende wieder nur dasselbe raus kommt, irgendwas mit „Establishment“
gegen „Revolution“, das viele Leitartikel produziert, aber keine
progressive Politik. Was machen diejenigen, die Amy Klobuchar oder
Elizabeth Warren ihre Stimme gaben? Sie müssen jetzt notgedrungen einen der
beiden wählen, den sie nicht wollten, oder sich enthalten und den Vorwurf
ertragen, sie hätten Donald Trump zu einer zweiten Amtszeit verholfen.
## Bestraft für ihre Kompetenz
[3][Elizabeth Warren] war, daran zweifelten oft nicht mal ihre stärksten
Gegner, eine der fähigsten Kandidat*innen, vielleicht sogar die beste. Aber
das war wieder mal nicht genug. „Amerika hat Elizabeth Warren für ihre
Kompetenz bestraft“, titelte das Magazin The Atlantic in dieser Woche sehr
schön und leider auch sehr wahr. „Wenn ich sie sprechen höre“, wird in dem
Text eine Frau (!) zitiert, „möchte ich sie ohrfeigen. Auch wenn ich
eigentlich mit ihr übereinstimme.“ Das könnte man im Rahmen der
deutsch-amerikanischen Politkomparatistik als ein weiteres Kuriosum
belächeln. Tatsächlich habe ich genau diese Aussage schon mal gehört – in
Bezug auf Andrea Nahles.
Schon komisch, wie sich die Dinge und Gewohnheiten auf einmal dort ähneln,
wo man das überhaupt nicht braucht (anders als etwa bei Steckdosen). Und
dass sie anderswo wiederum so liegen, wie man es auch daheim gebrauchen
könnte. Während Thüringen schon wieder kurz vor der Demokratieperversion
stand, gingen hier in Tennessee die Menschen wählen, obwohl in der Nacht
eine tatsächliche Naturgewalt durch ihre Häuser gefegt war. Der Tornado
tötete 25 Menschen, er zerstörte Existenzen und ganze Blocks, es sieht an
manchen Ecken aus wie in einem Roland-Emmerich-Film kurz nach der Invasion
hässlicher Aliens. Aber neben Notunterkünften wurden am Dienstag mit
beinahe derselben Priorität Wahllokale eingerichtet. Für, wohlgemerkt,
„nur“ Vorwahlen. Da war er wieder, der Zauber.
Ich muss übrigens zugeben: Mir fiel es auch gelegentlich schwer, Elizabeth
Warren zuzuhören, ihre Stimme ist immer ein bisschen zittrig und ein
bisschen vorwurfsvoll, irgendwie widerstrebte mir das, und vor ein paar
Tagen erst ertappte ich mich bei dem Gedanken: Kannst du dir echt
vorstellen, dass DIE im Oval Office sitzt? Aber dann ohrfeigte ich
kurzerhand MICH. Da ging’s plötzlich wieder.
7 Mar 2020
## LINKS
[1] /Vorwahlen-der-US-Demokraten/!5666484
[2] /Die-USA-nach-dem-Super-Tuesday/!5666294
[3] http://verlieren%20die%20Dinge%20leider%20sehr%20bald%20ihren%20Zauber.xn--…
## AUTOREN
Johanna Roth
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Joe Biden
Bernie Sanders
US-Wahl 2024
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt Klimawandel
Mick Mulvaney
Schwerpunkt Coronavirus
US-Wahl 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorwahlen in den USA: Bernie bräuchte ein Wunder
Wenn Sanders beim TV-Duell nicht punktet, sollte er aufgeben. Bidens
Chancen, Trump zu besiegen, sind mau.
Coronavirus in den USA: Nur Trump sorgt sich nicht
Unklare Fallzahlen, große Gefahr der Ausbreitung: Die Mängel des
Gesundheitssystems in den USA zeigen sich bei Corona in aller Dramatik.
Wir retten die Welt: Uschi, Bernie und das grüne Wunder
In Europa und Amerika hoffen viele auf den Green Deal. Aber was nötig ist,
ist kaum durchzusetzen. Und was machbar ist, reicht nicht aus. Was tun?
US-Präsident wechselt Stabschef aus: Mulvaney verlässt Weißes Haus
In der Ukraine-Affäre brachte Mick Mulvaney Donald Trump in Erklärungsnot.
Nun wird er durch den Kongressabgeordneten Mark Meadows ersetzt.
Corona-Höhepunkt ist noch nicht erreicht: Mit US-Nationalgarde gegen das Virus
Unter der Corona-Ausbreitung ächzen die Börse und die Tourismusbranche. Die
Olympischen Spiele in Tokio werden aber vorerst nicht abgesagt. Eine
Übersicht.
Vorwahlen in den USA: Elizabeth Warren steigt aus
Bei den Vorwahlen am Dienstag kam die Demokratin in keinem Bundesstaat nur
auf Platz Zwei. Jetzt beendet sie ihre Präsidentschaftskandidatur.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.