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# taz.de -- Koalitionen der nächsten Bundestagswahl: Sorry, aber das ist keine…
> Wer Grün-rot-rot will, will auch Union, FDP und AfD in der Opposition?
> Gerade jetzt brauchen wir eher eine starke liberaldemokratische Mitte.
Bild: Leere Sitze im Bundestag, blau-violett. Welche Farbkonstellation bildet d…
Eine Orientierungspartei muss in allen großen Fragen der Zeit einer
Mehrheit Orientierung geben. Können sie? Das ist die wahlentscheidende
Frage für die CDU und die Grünen. Die SPD, oder sagen wir präziser, die
Gegen-SPD von Kevin Kühnert und seinen beiden Vorsitzenden, verspricht
Orientierung in dem Traditionsmarken-Slogan: „Seit 156 Jahren kein Fußbreit
dem Faschismus“. Man muss zugeben, dass das in den ersten Jahren nach
Parteigründung 1863 [1][super geklappt hat]. Nach 1945 auch. Zwischendurch
allerdings nicht mehr so toll.
Seriously: Wie verzweifelt kann man sein, wenn man zwei der vier
liberaldemokratischen und proeuropäischen Parteien in Deutschland, nämlich
CDU und FDP, nazifizieren und ein Grundrauschen der 1930er Jahre beschwören
will, um zwei Prozent Umfragenwähler abzugreifen?
Ich sage das deshalb so hart, weil das eine entscheidende Frage der Zeit
ist, für Parteien und auch für engagierte Individuen: Was will ich – eine
Spaltung der liberaldemokratischen Gesellschaft voranbringen oder eine
Spaltung verhindern?
## Was wollen wir?
Was die AfD will, was Le Pen will, was PIS will, was Orban will, ist klar:
Weg mit der emanzipatorisch und europäisch ausgerichteten
Liberaldemokratie. Aber was wollen wir?
Jetzt, wo die Dauerkrisen sichtbar in ihrer kumulativen Wirkung werden, die
Klimakrise, die globale Flüchtlingsbewegung, die negativen Folgen der
Globalisierung für Teile der westlichen Gesellschaften, jetzt ist der
richtige Moment, um sich vollends und möglichst egolarmoyant nach
Fantasyland zurückzuziehen, weil ja alles so schlimm ist und „gar nicht
geht“. Das muss man auch respektieren, solange es auf der Basis des
Grundgesetzes und des Strafrechts passiert. Was bedauerlicherweise bei
einer „Strategiekonferenz“ der Linkspartei nicht gewährleistet ist.
Es kann aber auch der richtige Moment sein, um zu akzeptieren, dass die
eigene Verantwortung nicht nur darin besteht, einen prächtigen Wertekanon
zu schwingen, was alles gar nicht geht.
Das ist hart, denn das „Kontrollverlust“- und „2015 darf sich nicht
wiederholen“-Gerede ist im Angesicht der humanitären Tragödien schwer zu
ertragen, speziell von Regierungsparteien und deren Vertretern, die vor und
nach 2015 grundsätzliche politische Lösungen versäumt haben oder nicht
hingekriegt, weil sie im Banne der aktionistischen Flickschusterei am Jetzt
sind und vielleicht gar nicht mehr davon ausgehen, dass die großen Fragen
ernsthaft angegangen werden könnten und lange Linien möglich sind – mit der
Gesellschaft, die wir haben, also mit uns.
In so einer Situation muss man sehr genau beschreiben, wie mit Sprache
Normalität verschoben werden soll; nicht vergessen (und nicht vergeben) ist
in dieser Hinsicht Markus Söders Unwort vom „Asyltourismus“. Aber man muss
auch sein eigenes Sprechen analysieren und verstehen, dass es auch eine
Spielart des Populismus sein kann, nämlich elitärer Populismus, das eigene
Wertebild zu verabsolutieren und die Massen zu verdammen, die es nicht
genauso teilen.
Die Frage des 21. Jahrhunderts ist nicht mehr, was ich oder mein Milieu
will, sondern worauf wir uns mehrheitlich einigen können. Und eben auch,
was das für die Minderheit bedeutet. Einerseits brauchen wir dringend
Zukunftspolitik, andererseits wird das die Gegenbewegung stärken und den
hysterischen Teil der Mediengesellschaft füttern. Das Die-oder-wir-Denken
der Zündler darf aber auf keinen Fall auf die liberaldemokratische Mitte
übergreifen.
Ich mach's mal konkret: Die nächste Bundestagswahl wird nicht nur einen
neuen Bundeskanzler und eine neue Regierungskoalition bringen – sondern
eben auch eine neue Opposition. Wer wirklich Grün-rot-rot in der Regierung
will, der will auch Union, FDP und AfD in der Opposition haben.
Sorry, aber das ist keine gute Idee.
7 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=bmhB6D1_AIc
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Krise der Demokratie
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