# taz.de -- Bremer Umweltsenatorin über Bürger-Inis: „Wir reden miteinander… | |
> Maike Schaefer (Grüne) ist Bürgermeisterin und führt das | |
> konfliktträchtige Bau-, Umwelt- und Verkehrsressort:Wie geht das | |
> zusammen? | |
Bild: Bremens Flughafen bekommt Geld für die Feuerwehr. Dem Klima nutzt das ni… | |
taz: Frau Schaefer, wollen Sie übers Geld oder übers Wetter reden? | |
Maike Schaefer: Beides hängt zusammen: Das Wetter, das wir gegenwärtig | |
erleben, zeigt, wie wichtig es ist, dass wir in den | |
[1][Haushaltsberatungen] für mehr Geld für Klimaschutz gekämpft haben. | |
Mit Erfolg? | |
Wir haben Klimaschutz als eigenes Handlungsfeld bestimmt, neben | |
Digitalisierung, Bürgerservice und Sichere und Saubere Stadt. Das ist ein | |
Erfolg: Er bekommt einen eigenen Topf – mit 30 Millionen Euro in zwei | |
Jahren. Für die Mittel daraus können sich alle Ressorts mit eigenen | |
Klimaschutz-Maßnahmen bewerben. Er ist also als Schwerpunkt im Haushalt | |
verankert. | |
Wichtiger scheint, die Subventionen für klimaschädliche Maßnahmen zu | |
bremsen. Wie kriegen Sie das hin? | |
Dafür gibt es ja den Klimavorbehalt: Hier im Haus erarbeiten wir gerade | |
eine Vorlage dazu, sodass künftig alle Entscheidungen auf ihre | |
Klimaverträglichkeit geprüft werden. Uns schwebt ein Internet-Tool für alle | |
Behörden vor, wo jeder Mitarbeiter eingeben kann, welche Maßnahme genau | |
geplant ist, wie hoch die Kosten sind und wie viel CO2 dabei wahrscheinlich | |
emittiert wird. Und dann gibt es ein Fazit, einschließlich einem | |
Kompensationsvorschlag. | |
Aber das hat ja zum Beispiel [2][beim Flughafen nicht geklappt]. | |
Wir sind ja auch gerade erst dabei, das einzurichten. Bei größeren | |
Maßnahmen von entscheidender Bedeutung fürs Klima wie Autobahnbau und auch | |
Flughafen-Beihilfen muss der Senat am Ende entscheiden, ob die | |
entsprechende Maßnahme ergriffen und kompensiert werden kann. Oder eben | |
nicht. | |
Könnte man zum Beispiel zur Reduktion Inlandsflüge reduzieren? | |
Ehrlich gesagt muss man da ja gucken, um welche Entfernungen es geht. Wenn | |
ich weiterhin nach Amsterdam fliegen darf, aber nicht mehr nach München, | |
das deutlich weiter weg ist, hätte das für mich ein Ungleichgewicht. | |
Aber gäbe es die Möglichkeit, dem Flughafen nur unter der Auflage die | |
Feuerwehr zu spendieren, dass er keine Destinationen unter 400 Kilometern | |
mehr anbietet? | |
Bei den Auslandsflügen ist es wahrscheinlich rechtlich wirklich schwierig, | |
zu sagen, dass Bremen überhaupt nicht mehr angesteuert werden dürfte. Bei | |
den Inlandsflügen müsste man in der Tat diskutieren, [3][wie man das | |
konditionieren kann]. Aber natürlich kannst du sagen: Wenn wir die | |
Feuerwehr und dadurch mittelbar den Betrieb des Flughafens finanzieren, | |
erwarten wir, dass die Airport GmbH auch etwas für den Klimaschutz tut, | |
also entweder für den laufenden Betrieb – abgesehen von den Flugzeugen – | |
CO2-Neutralität ansteuert oder in den Bremer Klimaschutzfond einzahlt. | |
Vor der Wahl hatten Sie gesagt, sich kaum vorstellen zu können, | |
Bürgermeisterin [4][zu sein]. Jetzt sind Sie’s: Wie lebt es sich damit? | |
Zum Glück werde ich nicht so oft mit diesem Titel angesprochen, bei mir | |
steht eher das Senatorinnen-Dasein im Vordergrund. Denn ungewohnt ist das | |
noch immer. Also wenn man mich nach der Anrede fragt, die mir am liebsten | |
ist, sage ich: Ich heiße Maike Schaefer. Und werde auch am liebsten als | |
Maike Schaefer angesprochen. | |
Bürgermeisterin bedeutet ja eine moderierende Funktion – während Sie viele | |
Konflikte mit Wirtschaft und Bürger-Inis austragen müssen. Wie lassen sich | |
die Rollen verbinden? | |
Das Wichtigste ist: Wir reden mit den Leuten. Hier am Tisch sitzen fast | |
wöchentlich Bürger-Initiativen. Und viele Anliegen kann ich auch gut | |
nachvollziehen: Das sind nicht immer Konflikte. | |
Zum Beispiel? | |
Vor kurzem war die BI zum Tanklager Farge hier. | |
Der geht es darum, die Verseuchung von Boden und Grundwasser zu verringern? | |
Genau. Und dazu hatten wir Sanierungsexperten da, einen von der Bima, also | |
der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, unseren eigenen hier aus der | |
Behörde. Und die BI hatte selbst auch einen Fachmann mitgebracht. Mit denen | |
saßen wir hier am Tisch, hatten große Karten ausgebreitet und haben | |
überlegt, was muss an Sicherungsmaßnahmen unternommen werden, wo bohren wir | |
Brunnen, um das Ausbreiten der Ölfahne einzudämmen. | |
Gemeinsam? | |
Ja. Da habe ich überhaupt [5][keinen Konflikt mit der Bürger-Ini]. Das war | |
ein total konstruktives Gespräch. Anderes Beispiel: Die BI, die den | |
Recyclinghof in Osterholz erhalten möchte. Das ist ein Anliegen, das ich | |
gut nachvollziehen kann – und wir haben gemeinsam der Bremer Stadtreinigung | |
gegenüber unsere Erwartung formuliert, dass hier eine Fläche gefunden wird, | |
wo man auch künftig zumindest den Grünschnitt abgeben kann. Es finden also | |
sehr viele Gespräche statt. | |
Und sie alle enden harmonisch? | |
Nein, manchmal kommt man nicht auf einen Nenner. Das ist dann so. Wenn eine | |
BI per se nicht möchte, dass in der Nachbarschaft gebaut wird, schauen wir | |
uns an, ob sich Abhilfe schaffen lässt, wie in der Blumenstraße. Am Ende | |
sind die vielleicht trotzdem nicht zufrieden, aber mindestens ernst | |
genommen sollten sie sich fühlen. Dazu gehört aber eben auch, ihnen nicht | |
das Blaue vom Himmel zu versprechen. So sehe ich meine Rolle – und zwar | |
unabhängig, ob als Bürgermeisterin oder Senatorin oder damals als | |
Fraktionsvorsitzende. Bürger anhören, einladen und zumindest versuchen, | |
etwas in ihrem Sinn zu verbessern. | |
Auch bei Inis, die [6][fast schon renitent] sind, wie die Platanenleute aus | |
der Neustadt? | |
Wahr ist, dass ich trotz vieler Gespräche und Diskussionen nicht das Gefühl | |
habe, die Hauptakteure dieser BI mit Argumenten erreichen zu können. Das | |
ist problematisch. Es geht in meinem Job aber eben auch darum, die | |
Stadtgesellschaft mit Informationen zu versorgen, und den Leuten klar zu | |
machen, warum die Entscheidung so fallen muss. Denn ich finde es ja erst | |
mal gut, wenn man sich für Baumschutz einsetzt. | |
Und Platanen sind ja schöne Bäume… | |
Ja, Platanen sind schön. Nicht heimisch, nicht insektenfreundlich, aber: | |
Das sind schöne alte Bäume. Jetzt haben aber Deichverbände, Deichgutachter, | |
Statiker, geprüft, geprüft, geprüft und geprüft. Und das Ergebnis ist | |
eindeutig: Schon jetzt ist der Deich durch die Platanen gefährdet. Wir | |
hatten allein letzte Woche fünf Sturmfluten, zwei riesige Orkane in nur | |
einer Woche: Das gab es noch nie vorher in Bremen. Deswegen mache ich mir | |
wirklich Sorgen: Wenn der Deich bricht, wird eine Bürger-Initiative nicht | |
zur Verantwortung gezogen. Wir schon. | |
Also gibt es da keine Kompromisse? | |
Das ist etwas anderes, als wenn man sich darüber uneins ist, ob eine Fläche | |
bebaut werden soll oder nicht. Darüber lässt sich streiten. Hier geht es um | |
Hab und Gut und um Leib und Leben. Das ist nicht verhandelbar. | |
Also: weg mit den Platanen? | |
Man könnte jetzt sagen: Wir holzen die ab und bauen einen Deich, fertig | |
aus. [7][Aber das machen wir nicht.] Wir wollen jeden einzelnen Baum, 136 | |
sind es, ersetzen, und zwar nicht durch kleine dürre Spackelbäumchen, | |
sondern durch 500 größere, heimische, insektenfreundliche Bäume, und davon | |
136 auf dem Deich. Die Neustadt will Bäume. Und die Neustadt kriegt Bäume. | |
Und einen Deich? | |
Genau: Wir haben Klimaschutz, Deichsicherheit und es sieht gut aus. Es wird | |
nicht nur sicherer, sondern auch besser. Das ist doch eine akzeptable | |
Alternative. | |
23 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.finanzen.bremen.de/haushalt/haushalt/kamerale_haushalts__und_st… | |
[2] https://www.robinwood.de/bremen | |
[3] https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet/kurzstreckenfluege-zug-um… | |
[4] https://www.butenunbinnen.de/videos/maike-schaefer-im-check-100.html | |
[5] http://tanklagerfarge.de/ | |
[6] https://bi-platanen-am-deich.jimdo.com/ | |
[7] https://www.bauumwelt.bremen.de/detail.php?gsid=bremen213.c.96228.de | |
## AUTOREN | |
Marie Happel | |
Benno Schirrmeister | |
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