# taz.de -- Peter-Lindbergh-Schau in Düsseldorf: Dominante Models | |
> Der Düsseldorfer Kunstpalast zeigt Fotos von Peter Lindbergh. Am | |
> stärksten sind dabei die Arbeiten jenseits seiner ikonischen | |
> Modefotografie. | |
Bild: Peter Lindbergh, Uma Thurman, New York 2016 (Ausschnitt) | |
Statistisch betrachtet geht es den Düsseldorfer Museen glänzend: Im Jahr | |
2019 besuchten rund 440.000 Menschen das K20 und das K21, 2018 waren es | |
noch nur 210.000. Der Kunstpalast verzeichnete einen Anstieg von rund | |
198.500 auf etwa 208.000 Besucher im vergangenen Jahr. Dennoch glaubt Felix | |
Krämer, Generaldirektor des Kunstpalasts, „eine Form von Übersättigung“ … | |
beobachten, wie [1][er kürzlich dem Handelsblatt zu Protokoll gab]. | |
Für Besucher sei Malerei nicht mehr die Königsdisziplin, behauptet Krämer, | |
der 2017 den Kunstpalast übernahm und ihm sogleich den als zu gravitätisch | |
empfundenen Titel „Museum“ strich, um das Programm verbreitern zu können. | |
So gab es etwa unter dem garantiert niedrigschwelligen Titel „P.S.: Ich | |
liebe Dich“ Autodesign zu sehen, aber auch Mode von Pierre Cardin. | |
Von solchen Programmierungen an den Schnittstellen von Design und Werbung, | |
die man eher in einem Museum für Angewandte Kunst vermuten würde, | |
verspricht sich Krämer eine Öffnung hin zu neuen Publikumsschichten und | |
eine Art Mitnahmeeffekt für sein großes, stets mit mehreren Ausstellungen | |
parallel bespieltes Haus. Will sagen, wer die Autos guckt, schaut | |
vielleicht dann auch bei der Malerei vorbei. | |
Was zum Öffnungsgedanken nicht recht passen will, ist, dass Krämer zu den | |
Ausstellungseröffnungen, die stets ein Treffpunkt der vitalen Düsseldorfer | |
Künstlerszene waren, jetzt nur noch geladene Gäste zulässt. Sprich Politik | |
und Promis. Seit Anfang des Monats zeigt Krämer parallel eine Ausstellung | |
mit Werken der klassizistischen Künstlerin Angelika Kaufmann (1741–1807), | |
die flott als erste „Influencerin“ präsentiert wird, und 140 Arbeiten des | |
[2][im September 2019 überraschend verstorbenen Modefotografen Peter | |
Lindbergh]. | |
Der in Duisburg aufgewachsene Fotograf hat Auswahl und Hängung der 140 | |
Arbeiten noch selbst betreut und eine Mischung aus ikonischen | |
Modefotografien, die für Modemagazine wie Vogue oder Harper’s Bazaar | |
entstanden, und bislang nie gezeigter Porträtfotos, aber auch Stillleben | |
und Landschaftsaufnahmen zusammengestellt. | |
Der Titel der Schau „Untold Stories“ definiert, dass hier versucht wird, | |
aus den Modefotografien in der Kombination mit den unbekannten, scheinbar | |
absichtslos nebenher entstandenen Arbeiten ein Werk zu konstruieren, das | |
über den kommerziellen Anlass weit hinausweist und Lindbergh als | |
ernstzunehmenden Künstler präsentiert. | |
Die beunruhigende Videoarbeit „Testament“ von 2013 soll das unterstreichen. | |
Sie zeigt das verhärtete Gesicht eines Mannes, der 30 Minuten fast unbewegt | |
in einen Spiegel schaut, hinter dem Lindbergh seine Kamera positioniert | |
hat. Der Mann ist Elmer Carroll, ein verurteilter Mörder, der in der | |
Todeszelle auf die Vollstreckung seines Urteils wartete. | |
Lindbergh selbst hat zwar betont, dass die Definition „Modefotografie“ für | |
seine Arbeit zutreffend sei, dass dies aber nicht bedeute, dass man Mode | |
abbilden müsse. Tatsächlich hat Lindbergh in der aufkommenden Zeit der | |
Supermodels in den 1980er Jahren eine neue Ästhetik der Modefotografie mit | |
erfunden, als er Linda Evangelista, Naomi Campbell, Christy Turlington oder | |
Tatjana Patitz scheinbar ungeschminkt in auf harte Kontraste setzender | |
Schwarz-Weiß-Fotografie vor rauen Industriekulissen als starke | |
Persönlichkeiten in filmisch anmutenden Situationen inszenierte. | |
Lindberghs Models lächeln nie, geben sich abwechselnd dominant oder | |
verletzlich, zeigen Sommersprossen (Claudia Schiffer) und Narben (Naomi | |
Campbell) und bleiben dennoch betörend schön. | |
## Virtuos und aufwändig präsentiert – und doch zu glatt | |
Stärker als die letztendlich sogar in den intimen Porträts immer | |
professionell posierenden Models sind die Fotos der Schauspielerinnen und | |
Schauspieler, die Lindbergh porträtiert hat: Nicole Kidman entwickelt auf | |
Lindberghs Porträts eine rätselhafte Unnahbarkeit, Antonio Banderas eine | |
tiefe Melancholie. Ein stiller Höhepunkt der Schau ist das Foto von Jeanne | |
Moreau mit halb geschlossenen, von schillernder Schminke beschwerten | |
Lidern, das eine Mischung aus Fatalismus und Weisheit ausstrahlt. | |
Mit 40 auf Litfasssäulenpapier riesig aufgezogenen Fotos beginnt die Schau | |
mit einem Kabinett reinster Überwältigungsästhetik, in den folgenden Räumen | |
sind die Fotos zu Polyptychen geordnet, die Porträts und Akte neben | |
Stillleben und Landschafen zeigen und überraschende Blickachsen | |
konstruieren. | |
Unübersehbar sind auch Bezüge zur Kunstgeschichte, die der studierte | |
Künstler Lindbergh ebenso abrufen konnte wie Referenzen an Pina Bausch | |
(„Café Müller“) oder Wim Wenders („Paris, Texas“). Das alles ist virt… | |
und aufwändig präsentiert. Und doch allzu glatt. Der Kunstcharakter bleibt | |
Behauptung. | |
26 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.handelsblatt.com/arts_und_style/kunstmarkt/ausstellungsmanageme… | |
[2] /Deutscher-Starfotograf/!5623618 | |
## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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