# taz.de -- Dior-Fotobuch von Peter Lindbergh: Wiedergefundene Schönheit | |
> Der Fotograf Peter Lindbergh brachte Dior-Kostüme aus den 1940/50er | |
> Jahren aus Paris nach Manhattan, um sie neu zu inszenieren. | |
Bild: Lindbergh fotografierte die Dior-Mode in den Straßen von New York | |
Dass seine letzte große Fotoarbeit „Dior New York“ den [1][erst kürzlich | |
verstorbenen Peter Lindbergh] zurück bis in die späten 1940er bis 1950er | |
Jahre führte, als Meister Christian noch lebte, hat eine gewisse | |
symbolische Richtigkeit. Denn Lindberghs Ruhm als Fotograf beruhte ja auf | |
seiner Fähigkeit, die Vergangenheit in absolut aktuellen, zeitgenössischen | |
Bildern aufleben zu lassen. | |
1944 als Peter Brodbeck im polnischen Lissa geboren, kam Lindbergh, wie er | |
sich später nannte, mit seiner Flüchtlingsfamilie ins Ruhrgebiet und wuchs | |
in Duisburg auf. Die Eindrücke dieser Kindheit prägten seine frühen | |
Modefotografien, als er die Models gerne in das Ambiente großtechnischer | |
Industrieanlagen stellte, wo er sie damals noch ausschließlich in | |
Schwarzweiß aufnahm. | |
Das sah interessanterweise nie nostalgisch, sondern im Gegenteil | |
hochaktuell aus. Obwohl das in den frühen 1990er Jahren, als Bernd und | |
Hilla Becker diese Industrieanlagen schon längst als urzeitliche Wesen | |
musealisiert und in ihren Typologien wie seltene Käfer aufgespießt hatten, | |
einfach nicht stimmen konnte. Aber das macht eben Kunst aus, der eigenen | |
Kindheit und Jugend nie ganz zu entwachsen. | |
Dass vier Generationen von Models an den Stränden der Normandie in dicken | |
Pullovern frieren mussten, war, wie Peter Lindberghs Kollege und Freund | |
[2][Jim Rakete] sagt, „den Erlebnissen seiner Jugend geschuldet, als mit | |
seinem kleinen 4CV und mit seiner Freundin und seinem besten Freund und | |
dessen Freundin an den Strand fuhr“. | |
## Zurück an die Strände | |
Als er jetzt die Idee einer großen Fotosequenz zur Geschichte des | |
Modehauses Dior hatte, ging er mit den Models in die Straßen von New York – | |
so wie das große Modefotografen, etwa Martin Munkácsi, Richard Avedon oder | |
Regina Relang schon in den 1940er und 1950er Jahren getan hatten, wobei | |
letztere die Kleider von Dior in den Straßen von Paris fotografiert hatte. | |
Paris ist selbstverständlich der Standort der Kostümsammlung des | |
Modehauses. Dass es Peter Lindbergh gelang, das Haus Dior zu überreden, | |
mehr als hundert Kleidungsstücke von unschätzbarem Wert über den Atlantik | |
nach Manhattan zu schaffen, zeigt, welche wichtige Stellung ihm zukam im | |
gegenwärtigen Modebetrieb. | |
In Manhattan ging er dann die Sache mit der Mode auf der Straße entschieden | |
radikaler an als seine Vorgänger, William Klein einbezogen, der seine | |
Models unter die Passanten mischte. Im Stil der Fotoreportage inklusive | |
deren Dringlichkeit signalisierenden Codes wie der Bewegungsunschärfe | |
bewegen sich die Models im dichten Fußgänger- und Autoverkehr. Und dann | |
holt sich Lindbergh, der Porträtist unter den Modefotografen, mit dem | |
großen Teleobjektiv die Gesichter seiner Models ganz nah heran. | |
Neben den Originalkleidern von Dior treten auch die Nachfolger auf: die | |
Avantgarde mit [3][Yves Saint Laurent], die Architektur mit Gianfranco | |
Ferré oder – dann gerne auch in Farbe – Pomp und Circumstances mit John | |
Galliano. Und dabei passiert etwas Wundersames: Mit der Unschärfe und dem | |
Heranzoomen beginnen die Kleider zu sprechen. Sie, die bei Peter Lindbergh | |
immer nur Nebendarsteller sein durften, definieren jetzt die Bilder. | |
Die Silhouette der frühen Diors und der von ihm inspirierten Mode, die | |
Lilian Bassman in den 1950er Jahren in träumerischem verschwommenen | |
Schwarzweiß aufnahm, ist so signifikant, dass Lindberghs Aufnahmen denen | |
von Lilian Bassman fast zum Verwechseln nahe kommen. | |
6 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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