# taz.de -- Pressefreiheit auf den Philippinen: Ein Frontalangriff | |
> Dem größten Medienkonzern der Philippinen soll die Lizenz entzogen werden | |
> – aus sehr fadenscheinigen Gründen. | |
Bild: Protest für die Lizenz in Quezon City | |
Berlin taz | Der Frontalangriff kam nicht überraschend: Am 10. Februar | |
reichte Generalanwalt José Calida beim Obersten Gericht einen Antrag ein, | |
in dem er dem philippinischen Medienkonzern ABS-CBN Verstöße gegen | |
Lizenzauflagen vorwirft. Demnach dürfe dessen Betriebserlaubnis, die am 30. | |
März ausläuft, nicht verlängert werden. | |
Calida spricht von „höchst missbräuchlichen Praktiken“. So verstecke sich | |
der Konzern „hinter einem aufwändig gestalteten geschäftlichen Schleier“, | |
der es Ausländern erlaube, sich dort einzukaufen. Das sei laut Verfassung | |
verboten. Auch betreibe ABS-CBN einen Pay-TV-Kanal ohne Einverständnis der | |
Behörden. Das Medienkonglomerat weist die Vorwürfe zurück. | |
Indes beteuerte ein Sprecher von Präsident Rodrigo Duterte, dieser habe | |
nichts mit dem Vorstoß Calidas zu tun. Für Lizenzfragen sei allein das | |
Parlament zuständig. Kritiker konterten mit der Frage, warum sich der | |
Generalanwalt dann überhaupt an die Justiz gewandt habe. Für sie liegt auf | |
der Hand, dass es Duterte um gezielte politische Einflussnahme geht. Erst | |
kürzlich hatte er gedroht, er werde dafür sorgen, dass ABS-CBN den Kampf | |
verlieren werde. An die Adresse der Eigentümer sagte er: „Ich an eurer | |
Stelle würde verkaufen.“ | |
## Duterte machte dem Sender Vorwürfe | |
ABS-CBN ist das Flaggschiff des börsennotierten Konzerns, kontrolliert von | |
der einflussreichen Lopez-Familie. Als Ferdinand Marcos im September 1972 | |
das Kriegsrecht verhängte, wurde ABS-CBN dichtgemacht. Erst nach dem Sturz | |
der Marcos-Diktatur 1986 sendete er wieder täglich. Zu dem Netzwerk mit | |
seinen 11.000 Mitarbeitern gehören Free-TV- und Kabelkanäle, Radiostationen | |
sowie ABS-CBN Film Productions, bekannt auch als Star Cinema; die Firma | |
gilt als landesweit größte Filmgesellschaft. Unter dem Dach der | |
Tochtergesellschaft ABS-CBN Global operiert The Filipino Channel (TFC) mit | |
Sitz in Kalifornien und Niederlassungen weltweit. | |
Der Konzern sei eine „Ertragsperle“ der Familie Lopez sowie eine Basis | |
politischer Macht, kommentierte die Zeitung The Philippine Star. Die Lizenz | |
zurückzuhalten komme „politischer Entstellung“ gleich. So haben Duterte und | |
dessen Verbündete dem Sender wiederholt vorgeworfen, mit der Opposition zu | |
sympathisieren. Unter anderem hatte sich Duterte beschwert, ABS-CBN habe | |
2016 seine Wahlwerbespots nicht ausgestrahlt. | |
## Der Zeitpunkt ist kein Zufall | |
Auch die Berichterstattung über den „Krieg gegen die Drogen“ war dem | |
Staatschef ein Dorn im Auge. Bei der brutalen Kampagne, mit der Duterte zur | |
Tötung mutmaßlicher Drogendealer und Rauschgiftkonsumenten aufgerufen | |
hatte, wurden nach Schätzungen von Menschenrechtlern [1][bislang bis zu | |
30.000 Menschen ermordet]. | |
„Wir dürfen nicht zulassen, dass die Rachsucht eines Mannes, egal wie | |
mächtig er sein mag, rücksichtslos über die verfassungsrechtlich | |
garantierten Freiheiten der Presse und der Meinungsäußerung hinweggeht“, | |
monierte die Nationale Union der Journalisten auf den Philippinen (NUJP). | |
Für Kritiker ist es kein Zufall, dass die verschärften Attacken gegen | |
ABS-CBN zu einer Zeit erfolgen, in der ein Duterte-Freund mit seinem | |
Unternehmen in die Medien- und Unterhaltungsbranche expandiert. Laut | |
Nachrichtenportal Inquirer.net handelt es sich dabei um den Geschäftsmann | |
Dennis Uy aus Davao, jener Stadt im Süden, deren langjähriger Bürgermeister | |
Duterte gewesen war. | |
Bereits einen Monat vor seiner Vereidigung Ende Juni 2016 hatte Duterte | |
keinen Zweifel daran gelassen, was er von der Presse hält: [2][Morde an | |
Journalisten betrachte er als legitim], da die meisten getöteten Reporter | |
korrupt gewesen seien. Auf der Rangliste zur Pressefreiheit 2019 von | |
Reporter ohne Grenzen belegen die Philippinen Platz 134 von 180 Ländern. | |
Mit perfiden Methoden zielt die Regierung auf weitere kritische Medien: Der | |
prominenten Journalistin Maria Ressa und ihrem Team werden Verleumdung und | |
Steuerhinterziehung vorgeworfen. | |
Auch ihr Nachrichtenportal Rappler berichtete über den blutigen | |
„Anti-Drogen-Krieg“ und andere Menschenrechtsverletzungen: Laut Aktivisten | |
hätten sich auf der südlichen Insel Mindanao, die wegen Angriffen von | |
Islamisten auf die Stadt Marawi von Mai 2017 bis Ende 2019 unter | |
Kriegsrecht stand, willkürliche Verhaftungen gehäuft, außergerichtliche | |
Tötungen seien zur Norm geworden. | |
25 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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