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# taz.de -- Dokumentarfilm auf der Berlinale: Fegt die Rechten von den Straßen!
> Die Initiative Rock Against Racism bekämpfte in den 70ern den Rassismus
> in Großbritannien. Rubikah Shahs „White Riot“ zeichnet ihre Geschichte
> nach.
Bild: Konzertszene aus „White Riot“
„It’s our country. Let’s win it back“, tönte die rechtsradikale Nation…
Front 1977 in Großbritannien und provozierte immer wieder Übergriffe gegen
Brit:innen, deren Vorfahren aus der Karibik und vom indischen Subkontinent
nach England gekommen waren. Die NF erzielte mit ihrer Ideologie der
Ausgrenzung im Großbritannien der 1970er in einigen Städten Wahlerfolge.
Auch [1][der konservative Politiker (und zeitweilige Gesundheitsminister)
Enoch Powell] vertrat damals Ansichten, die sich kaum von den rassistischen
Einlassungen der National Front unterschieden. Afrobrit:innen war den
SUS-Laws ausgeliefert, den anlasslosen Überprüfungen durch die Polizei, die
immer wieder für Proteste sorgten. Zusätzlich verbreiteten Skinheads
zusammen mit rechten Schlägern bei Aufmärschen auf den Straßen der
britischen Großstädte Angst, immer wieder kam es zu Akten rassistischer
Gewalt.
Rechte Parolen und Behauptungen, sie klingen bis heute unverändert. Die
Parallelen zur Argumentationsweise und Ideologie der AfD in Deutschland
fallen als Erstes auf in Rubikah Shahs sehenswertem Dokumentarfilm „White
Riot“, so benannt nach dem gleichnamigen Song der britischen Punkband The
Clash, übrigens die A-Seite ihrer ersten Single. Shah erzählt darin die
Geschichte der britischen Graswurzelbewegung Rock against Racism.
Diese hatte sich 1977 in London gegründet, um der Popularität der National
Front etwas entgegenzusetzen. Wie gesellschaftsfähig deren Ansichten waren,
bewies der britische Rockstar Eric Clapton, der in Interviews 1976 gar
Positionen der Rechtsaußenpartei übernommen hatte und sich gegen
„Überfremdung“ ereiferte. Seine Auslassungen waren der Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen brachte. Es ging Rock Against Racism erst einmal darum,
Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die Rechten von den Straßen zu fegen, auch
jenseits der Linken nach Verbündeten zu suchen.
## Gleichgesinnte in Magazinen finden
Die Aktivist:innen suchten daher in den „Weeklies“ genannten
Musikzeitschriften nach Interessierten, die Reggaemusik mochten. Die Gruppe
um den Performance-Künstler Red Saunders startete das Magazin, Temporary
Hoarding, das stark von der Bildsprache des Punk geprägt war. Darin gab es
Interviews mit Afrobrit:innen, Porträts britischer Punkbands und
Künstlerinnen sowie Hinweise auf lokale Antifa-Aktivitäten. Der Niedergang
der National Front begann, als Rock Against Racism anfing, Festivals und
Konzerte gegen rechts zu organisieren. Zu einem Open-Air-Konzert im Februar
1978 von The Clash und Tom Robinson, das in London stattfand, kamen mehr
als 80.000 Zuschauer:innen.
Shah setzt in „White Riot“ auf Talking Heads: RAR-Gründer Red Saunders,
Pauline Black (Sängerin der Ska-Band The Selector), Reggaeproduzent Dennis
Bovell und andere sprechen als Zeitzeug:innen retrospektiv über ihr
Engagement und den Alltag als „Wog“ (britischer Slang für Kanake) in
Großbritannien.
Sehr gelungen ist die Einbindung der Fanzine-Ästhetik auf der Leinwand: So
arbeitet die Regisseurin immer wieder mit Cut’n’Paste-Ausschneidetechniken,
hebt Aussagen durch Splitscreen- und Rahmentechniken hervor oder zeigt
Seiten und Fotos alter Magazinausgaben im Großformat, um die mediale
Inszenierung von Rock Against Racism anschaulich zu machen. Dazu kommen
alte Filmausschnitte, Berichte über Konzerte, Demonstrationen und
Interviews, die ein Bild des unruhigen britischen Alltags Ende der
siebziger Jahre vermitteln.
## Eine echte Intervention gegen rechts
Rock Against Racism gelang tatsächlich eine Intervention gegen rechts, weil
die Gruppe auch jenseits der Linken in der Popszene Verbündete fand. Es gab
zwar auf Seiten des britischen Punk immer wieder Künstler:innen, die mit
den Rechten flirteten, so etwa der Sänger Jimmy Pursey von Sham 69. Aber
die Mehrheit der Beteiligten lebte Multikulturalität vor. So tourte die
Reggaeband Steel Pulse gemeinsam mit The Clash durch Großbritannien, nach
Vermittlung von Rock Against Racism, und Mitglieder beider Bands
protestierten gegen die National Front.
Zu kurz kommt in „White Riot“ der Einfluss der Linken auf die
antirassistische Bewegung. Man sieht zwar Demonstrationen, Banner und rote
Fahnen, aber die Kämpfe innerhalb der zerstrittenen Linken, etwa der
trotzkistischen Socialist Workers Party gegen Labour, bleiben leider
ausgeblendet.
25 Feb 2020
## LINKS
[1] /Politologe-ueber-Brexit-und-US-Wahl/!5357739
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
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Reggae
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