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# taz.de -- Demo gegen Polizeirazzien in Shishabars: „Der Kontext ist rassist…
> Razzien in Shishabars sind diskriminierend, sagt die Initiative „Kein
> Generalverdacht“. Man erzeuge Hass, der zu Attentaten wie in Hanau führe.
Bild: Ist bestimmt Apfel-Minze …
taz: Melly und Jorinde, Sie stellen eine Verbindung her zwischen den
Razzien in Shishabars und dem Attentat in Hanau. Wo sehen Sie diese
Verbindung?
Melly: Die Razzien bescheren den Shishabars beständig schlechte
Schlagzeilen. Sie werden kriminalisiert. Es wird ein rechtsextremes,
rassistisches Bild bestätigt.
Jorinde: Diese Razzien finden im Rahmen einer Clan-Debatte statt, die von
Anfang an auf eine krass rassistische Art geführt wurde. Die AfD hat das
schon 2017 aufgegriffen und gefordert, „kriminellen Clanmitgliedern“ die
Staatsbürgerschaft zu entziehen. Der gesamte Kontext ist rassistisch. Die
Razzien finden rechtlich als normale Gewerbekontrollen statt, aber man
inszeniert sie so, als seien sie gegen organisierte Kriminalität gerichtet.
So wird die Verbindung Shishabar – kriminelle Ausländer – Clans, die
angeblich den Rechtsstaat untergraben und angeblich eine Bedrohung für
Deutschland sind, durch diese Maßnahmen hergestellt. Man kreiert Hass.
Wie meinen Sie das?
Jorinde: Man muss sich nur mal die Kommentare durchlesen unter Berichten
über solche Razzien. Dann wundert es einen überhaupt nicht mehr, was da in
Hanau passiert ist. Das schafft ein Klima, in dem Orte und Gruppen
dämonisiert werden. Man kann ja über die Bekämpfung organisierter
Kriminalität reden. Aber das kann man auch anders machen, ohne solche
rassistischen Kampagnen.
Melly: Für viele junge Leute sind Shishabars einfach Orte, wo sie mal in
Ruhe ausgehen können. Viele meiner migrantischen Freunde waren noch nie in
Clubs oder Discos – nicht, weil sie da nicht reinwollen, sondern weil sie
nicht hineingelassen werden, aufgrund ihrer Herkunft, ihres Namens, ihres
Aussehens. Für die sind die Shishabars Orte, wo sie sich mal treffen
können, tanzen können, quatschen können. Das wird uns genommen. Nicht nur
durch die Tat in Hanau, sondern auch durch diese Razzien. Wir fühlen uns
dort nicht mehr sicher.
Sie engagieren sich in der Initiative „Kein Generalverdacht“. Was wollen
Sie erreichen?
Melly: Wir wollen aufklären, dass mit diesen rassistischen Razzien ein
Generalverdacht hergestellt wird, der nicht berechtigt ist. Und wir wollen
gegen die Razzien selbst vorgehen, indem wir einen Einwohnerantrag dagegen
vorbereiten.
Ein Instrument auf bezirkspolitischer Ebene, bei dem mindestens 1.000
Einwohner*innen einen Antrag an das Bezirksamt unterstützen müssen.
Jorinde: Genau. Wir wollen erreichen, dass diese Gewerbekontrollen nicht
mehr von so vielen schwer bewaffneten Polizisten begleitet werden und dass
die Gewerbetreibenden und die Gäste respektvoll behandelt werden. Und wir
stellen uns gegen diese Sensationalisierung der Kontrollen, die ja auch oft
von bestimmten Medien begleitet werden. Auch die Bar, in der wir gerade
sitzen, wurde von 20 Cops mit Maschinengewehren gestürmt. Das geht nur,
weil es sich um eine Bevölkerungsgruppe dreht, die nicht so viel Zugang zu
Medien hat und wo ein solcher Umgang staatlicher Behörden nicht gleich
einen Skandal verursacht. Auch weil durch die begleitende Debatte der
Eindruck vermittelt wird, die säßen ja alle in einem Boot mit Kriminellen.
Wieso engagieren Sie beide sich persönlich dafür?
Melly: Ich habe selber in einer Shishabar gearbeitet und gehe auch gerne in
Shishabars. Ich habe mehrere Razzien miterlebt, wo bis zu 70 bewaffnete
Polizisten den Laden gestürmt haben, als seien da nur Schwerstkriminelle
drin, wo wir drei Stunden festgehalten wurden, nicht telefonieren durften,
Leute sich auf den Boden legen mussten. Ich habe mich schon gar nicht mehr
getraut zu erzählen, wo ich arbeite. Alle, die Betreiber, die Mitarbeiter,
die Gäste, werden auf die kriminelle Schiene geschoben.
Jorinde: Ich war schockiert, als ich hörte, wie das abläuft. Da werden
staatliche Befugnisse schon sehr weit ausgereizt oder überschritten. Ich
habe dann angefangen, diese Debatte zu verfolgen. Gemeinsam mit anderen
habe ich eine Veranstaltung dazu organisiert und daraus entstand die
Initiative.
Warum die Kundgebung vor dem Neuköllner Rathaus?
Melly: Weil dort am Mittwoch die Bezirksverordnetenversammlung
stattfindet, bei der auf einen Antrag der AfD über das Thema diskutiert
werden soll. Da wird unter anderem danach gefragt, ob mit den Razzien
erreicht wurde, dass die kriminellen Clans den Stadtteil verlassen mussten.
Was bezweckt die AfD damit?
Jorinde: Die AfD stellt hier ständig Anträge, die sich rassistisch
ausbeuten lassen. Die haben ein großes Interesse daran, dass über Clans
gesprochen wird. Da reproduziert sich die rassistische Debatte auf
BVV-Ebene. Die Frage nach den Auswirkungen der Razzien ist ja nicht
sinnlos. Aber hier geht es vermutlich eher darum, weiterhin sagen zu
können, Neukölln sei Gefahrengebiet, der Staat sei machtlos gegen diese
„kriminellen Ausländer“. Aber leider profilieren sich ja viele Politiker
mit diesem öffentlichkeitswirksamen Thema, ziehen mit der Hundertschaft und
der Presse durch die Straßen und stellen sich dann als Sheriffs dar.
Sie meinen den Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel?
Jorinde: Ich meine auch Hikel, ich meine aber auch Innensenator Andreas
Geisel...
... beide SPD …
... der da auch mittut. Mittlerweile laufen die Razzien ja in mehreren
Berliner Bezirken. Und das Rathaus ist der Ort, wo das entschieden wird.
Deshalb wollen wir das da thematisieren.
Kundgebung: Mittwoch, 26. Februar, 16.30 Uhr, Rathaus Neukölln
26 Feb 2020
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Clans
Integration
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
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