| # taz.de -- Religiöse Symbole in der Justiz: Für Barett und gegen Kopftuch | |
| > Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Klage einer muslimischen | |
| > Rechtsreferendarin ab. Der Staat habe einen Einschätzungsspielraum. | |
| Bild: Mit dem knallroten Barett auf dem Kopf verkündeten die Richter das Kopft… | |
| Karlsruhe taz | Kopftuchverbote für Richterinnen und Staatsanwältinnen | |
| [1][sind zulässig]. Dies hat nun der Zweite Senat des | |
| Bundesverfassungsgerichts entschieden. Dies gilt auch für | |
| Rechtsreferendarinnen in der Ausbildung. Konkret ging es um eine 1982 | |
| geborene, deutsch-marokkanische Rechtsreferendarin. Sie durfte in der | |
| Strafrechtsstation nicht die Aufgabe der Staatsanwältin übernehmen, weil | |
| sie Kopftuch trägt. Das verstoße gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur | |
| Neutralität. | |
| Zwar konnte die Referendarin nach hessischer Erlasslage ihre juristische | |
| Ausbildung abschließen. Sie wollte aber eine vollständige Ausbildung | |
| absolvieren und klagte. Beim Verwaltungsgericht Frankfurt hatte sie | |
| zunächst Erfolg, scheiterte dann aber beim Verwaltungsgerichtshof Kassel. | |
| Beim Bundesverfassungsgericht ging es nun ganz grundsätzlich um die Frage, | |
| ob Richterinnen und Staatsanwältinnen aus religiösen Gründen ein Kopftuch | |
| tragen dürfen. | |
| Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte 2015 generelle | |
| Kopftuchverbote für Lehrerinnen [2][als Verletzung der Religionsfreiheit | |
| beanstandet]. Diesmal aber war der Zweite Senat zuständig. | |
| Dieser erklärte das hessische Kopftuchverbot für Richterinnen und | |
| Staatsanwältinnen für verfassungskonform. Bei der Abwägung der | |
| Verfassungswerte gebe es kein klares Übergewicht. Der Staat habe daher | |
| einen Einschätzungsspielraum. | |
| Für die Referendarin sprach die Religionsfreiheit. Sie betrachte es für | |
| sich als verbindliche religiöse Pflicht, ein Kopftuch zu tragen. Ein Verbot | |
| religiöser Symbole treffe sie als Muslimin besonders, so die Richter, da es | |
| „im Christentum kein entsprechendes, derart weit verbreitetes Äquivalent | |
| gibt“. Für das hessische Verbot spreche dagegen der „Grundsatz der | |
| weltanschaulich-religiösen Neutralität“. Danach sei das Kopftuch einer | |
| Staatsbediensteten zwar nicht immer dem Staat zuzurechnen, etwa bei | |
| Lehrerinnen und Erzieherinnen. | |
| ## Verbot religiöser Symbole trifft Musliminnen besonders | |
| Anderes gelte aber, wenn RichterInnen mit der schwarzen Robe eine | |
| „Amtstracht“ tragen müssen. Hier seien dem Staat „abweichende | |
| Verhaltensweisen“ eher zuzurechnen. Für das Verbot sprach auch die | |
| „Funktionsfähigkeit der Rechtspflege“. Religiöse Symbole in der Justiz | |
| seien geeignet, „das Bild der Justiz in ihrer Gesamtheit zu | |
| beeinträchtigen“. Ein Verbot könne daher die Akzeptanz der Justiz erhöhen. | |
| Immerhin betonen die Verfassungsrichter, dass ein Kopftuch allein „nicht | |
| geeignet ist, Zweifel an der Objektivität“ einer Richterin zu begründen. So | |
| hatte voriges Jahr der bayerische Verfassungsgerichtshof argumentiert. | |
| Die Referendarin hatte ihre Ansicht, dass sich das hessische Beamtenrecht | |
| gezielt gegen Muslime richtet, auch auf einen Passus gestützt, wonach bei | |
| der Frage der Neutralität „der christlich und humanistisch geprägten | |
| abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen“ | |
| ist. Die Verfassungsrichter räumten ein, dass der hessische Gesetzgeber | |
| wohl eine Privilegierung christlicher Symbole für möglich hielt. Der Satz | |
| sei aber verfassungskonform so auszulegen, dass eine Privilegierung | |
| christlicher Symbole verboten ist. | |
| Die Entscheidung des Zweiten Senats fiel mit sieben zu eins Richterstimmen. | |
| Der Richter Ulrich Maidowski verfasste ein Minderheitsvotum. Nach seiner | |
| Auffassung seien Kopftücher von Rechtsreferendarinnen wegen der | |
| Ausbildungssituation dem Staat weniger zuzurechnen als Kopftücher von | |
| Richterinnen und Staatsanwältinnen. | |
| Die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) kündigte an, | |
| dass Niedersachsen demnächst ein „Gesetz zum Verbot religiöser Symbole auf | |
| der Richterbank“ beschließen werde. | |
| 27 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kopftuch-im-Gerichtssaal/!5667693 | |
| [2] /Religionssymbole-an-Schulen/!5016688 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| ## TAGS | |
| Kopftuchverbot | |
| Kopftuch | |
| Bundesverfassungsgericht | |
| Justiz | |
| Islam | |
| Universität | |
| Niqab | |
| Neutralitätsgesetz | |
| Schwerpunkt AfD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Professorin zu Religionsfreiheit an Unis: „Wir stehen für Weltoffenheit“ | |
| Die Uni Bochum kommt gläubigen Studierenden entgegen, sagt die | |
| Wissenschaftlerin Isolde Karle. An religiösen Feiertagen soll es keine | |
| Prüfungen geben. | |
| Debatte über Nikab-Verbot in Hamburg: Unterricht ohne Gesicht | |
| Für das Nikab-Verbot argumentieren Politiker:innen oft mit der unsichtbaren | |
| Mimik. Aber ist die ein Problem? Die Antwort fällt schwerer als gedacht. | |
| Kopftuch-Streit: Klare Kampfansage | |
| Gutachter der Bildungsverwaltung: Das Neutralitätsgesetz ist rechtens, | |
| Lehrerinnen mit Kopftuch befeuern religiöse Konflikte. | |
| Kommentar Kopftuchverbot an Schulen: Gefährliche Symbolpolitik | |
| Die Hamburger CDU zielt mit ihrer Forderung, jungen Schülerinnen das Tragen | |
| eines Kopftuchs zu verbieten, lediglich auf das eigene Lager – und auf die | |
| Stammtische. |