# taz.de -- Agrarministerin will Käfige legalisieren: Protest gegen Klöckners… | |
> Sauen sollen noch 17 Jahre in Gestelle gesperrt werden dürfen, in denen | |
> sie liegend nicht die Beine ausstrecken können. Nun entscheidet der | |
> Bundesrat. | |
Bild: Trübe Aussichten: Schwein in einem deutschen Stall | |
BERLIN taz | Tierschützer warnen den Bundesrat davor, die seit Jahrzehnten | |
verbotenen, aber weit verbreiteten zu engen Einzelkäfige für Sauen zu | |
legalisieren. Die Ländervertretung will am Freitag über einen | |
entsprechenden [1][Verordnungsentwurf von Bundesagrarministerin Julia | |
Klöckner] (CDU) abstimmen. | |
Er streicht die Vorschrift, dass die Tiere ihre Beine im Liegen ausstrecken | |
können müssen. Erst nach einer Übergangsfrist von bis zu 17 Jahren müssten | |
diese „Kastenstände“ genannten Käfige ein bisschen größer sein als bisl… | |
üblich und die Zeiten der Tiere darin verkürzt werden. | |
„Jede Verlängerung der Kastenstandhaltung verstößt gegen das Grundgesetz�… | |
teilte die Verbraucherorganisation Foodwatch am Donnerstag mit. Sie | |
forderte vor allem die Grünen auf, die Verordnung über ihre Beteiligung an | |
zahlreichen Landesregierungen zu stoppen. Foodwatch-Kampagnendirektor | |
Matthias Wolfschmidt wies darauf hin, dass die Haltung von Schweinen in den | |
„Kastenständen“ genannten Käfigen bereits in mehreren europäischen Länd… | |
verboten wurde, etwa in Österreich, Großbritannien und den Niederlanden. | |
Auch der Deutsche Tierschutzbund warnte den Bundesrat vor „Deals auf Kosten | |
der Sauen“. Diese müssten ihre „Gliedmaßen zumindest ungehindert | |
ausstrecken können“. Mängel in der Verordnung bezüglich der Sauenhaltung | |
„dürfen nicht durch Zugeständnisse bei anderen Tierarten erkauft oder | |
verschleiert werden“. | |
## Geschwüre an Schultern und Hüften | |
Die [2][1,8 Millionen Sauen] in Deutschland werden überwiegend monatelang | |
in Metallgestellen gehalten, die nur etwa so groß wie das Schwein sind. Es | |
kann sich nicht umdrehen und sich nur langsam hinlegen. Dies hat den | |
Vorteil, dass die Jungtiere nicht so leicht erdrückt werden. Zudem | |
erleichtert der Kastenstand dem Personal den Überblick, zum Beispiel, | |
welche Sau schon besamt ist. Das Metallgestell spart auch Platz, denn | |
außerhalb des Käfigs ist mehr Bewegungsfreiheit vorgeschrieben. | |
Tierschützer kritisieren jedoch, dass die Kastenstände oft Geschwüre im | |
Schulter- und Hüftbereich verursachten. Es sei Tierquälerei, die Sauen ohne | |
Kontakt zu Artgenossen und ohne Möglichkeiten zu halten, herumzulaufen, | |
ihren Erkundungstrieb auszuleben oder sich zu suhlen. Wenn Sauen genug | |
Platz hätten, würden ohne Kastenstand auch nicht wesentlich mehr Ferkel | |
erdrückt werden. | |
Die [3][Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung] erlaubt Kastenstände zwar | |
für einen begrenzten Zeitraum. Aber bereits seit 1992 ist laut Verordnung | |
vorgeschrieben, dass „jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen | |
sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“. | |
Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt verlangte deshalb 2015, dass der | |
Kastenstand entweder mindestens [4][so breit wie das stehende Schwein hoch] | |
ist oder ermöglichen muss, die Gliedmaßen ohne Behinderung in benachbarte | |
leere Käfige zu stecken. Das [5][Bundesverwaltungsgericht bestätigte] 2016 | |
das Urteil aus Sachsen-Anhalt. | |
## Übergangsfrist bis zu 17 Jahre | |
Kastenstände wie vom Gericht gefordert „sind kaum anzutreffen“, räumt das | |
Agrarministerium in der Begründung seines Verordnungsentwurfs ein. | |
„Praxisüblich sind derzeit Kastenstände mit einer Breite von 65 cm | |
(Jungsauen) bzw. 70 cm (Sauen) und einer Länge von 200 cm, wobei in | |
regional unterschiedlichem Ausmaß auch schmalere Kastenstände verbreitet | |
sein können.“ Die durchschnittliche Sau hat aber Wissenschaftlern zufolge | |
eine Körperhöhe von 90 cm. Demnach müsste der Kastenstand ebenso breit | |
sein. | |
Doch wenn die Bauern die Kastenstände verbreitern müssten, könnte das teuer | |
werden. Deshalb will das Agrarministerium die für viele Tierhalter lästige | |
Vorschrift aufheben. Es schreibt ausdrücklich, die neuen „Anforderungen | |
sind weniger weitreichend als die bisher geltenden, vom | |
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt ausgelegten Regelungen, da die | |
Forderung nach der Möglichkeit des ungehinderten Ausstreckens der | |
Gliedmaßen nicht mehr erhoben wird“. | |
„Die Übergangsfrist für Bestandsbetriebe soll maximal 15 Jahre betragen“, | |
so das Ministerium weiter. Die Behörden könnten sie sogar zur „Vermeidung | |
einer unbilligen Härte“ auf 17 Jahre verlängern. | |
## Straffreiheit für Rechtsbrecher | |
Erst nach weit mehr als einem Jahrzehnt müssten die Käfige umgebaut werden. | |
Sie sollen dem Entwurf zufolge 20 Zentimeter länger als bisher | |
vorgeschrieben sein. Die Breite wird auf 65 Zentimeter für Jungsauen, 75 | |
für Sauen mit einer Schulterhöhe bis zu 90 Zentimeter und auf 85 Zentimeter | |
für Sauen mit einer Schulterhöhe über 90 Zentimeter angehoben. Sie sind | |
also geringer als bislang von den Richtern gefordert. Ebenfalls erst nach | |
der langen Frist dürfen die Sauen laut dem Entwurf nur noch wenige Tage | |
statt mehrere Wochen hintereinander im Kastenstand eingesperrt bleiben. | |
„Straffrei“ würden nach diesem Verordnungsentwurf die Tierhalter | |
davonkommen, die aus rein ökonomischen Gründen seit vielen Jahren engere | |
Kastenstände als vorgeschrieben hatten, kritisieren der [6][Deutsche | |
Tierschutzbund, Vier Pfoten, ProVieh] und andere Tierschutzorganisationen | |
in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Bauern, die in rechtskonforme | |
Käfige investiert haben, würden benachteiligt. „Gleichzeitig stellt sich | |
die Frage, welches Vertrauen die Gesellschaft in den Gesetz- und | |
Verordnungsgeber setzen kann, der rechts- und tierwidrige Praktiken in | |
geltendes Recht deshalb überführen will, weil dieses Recht in der Praxis | |
aus wirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt wurde“. | |
Klöckners Ministerium teilte der taz auf Anfrage mit, dass der | |
Verordnungsentwurf den Tierschutz deutlich verbessern würde. Schließlich | |
würden die Fixierzeiten erheblich verkürzt und die Kastenstände vergrößert. | |
Kürzere Übergangsfristen wären „gerade für kleine Betriebe nicht machbar, | |
ohne sie damit vor unlösbare finanzielle Schwierigkeiten zu stellen“, so | |
das Ministerium. „Es ist wichtig, die Produktion in Deutschland zu halten | |
und weitere Strukturbrüche zu vermeiden – denn nur in Deutschland haben wir | |
konkrete Einflussmöglichkeiten auf die Haltungsbedingungen und somit das | |
Tierwohl.“ | |
Die Kastenstände würden künftig so breit sein, dass „die Tiere normal | |
aufstehen und sich hinlegen sowie in Seitenlage liegen können.“ Sie dürften | |
aber auch nicht so breit sein, dass sich die Sauen umdrehen und dabei | |
verletzen können. | |
## Agrarausschuss schlägt kürzere Fristen vor | |
Eine Empfehlung des Agrarausschusses des Bundesrats sieht vor, der | |
Verordnung nur mit der Maßgabe zuzustimmen, dass diese gemäß den | |
richterlichen Vorgaben deutlich nachgebessert wird und dass die | |
Übergangsfristen deutlich verkürzt werden. Ein Verbot der Kastenstände | |
verlangt der Ausschuss nicht, dafür aber weitere Korrekturen. So soll die | |
ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verboten und die Verordnung um | |
weitere Vorschriften für andere Nutztierarten ergänzt werden, | |
beispielsweise zur Haltung von Legehennen. | |
Würden diese Maßgaben vom Bundesrat beschlossen, hätte die Bundesregierung | |
nur die Wahl, diese zu akzeptieren oder die Verordnung komplett | |
zurückzuziehen. Gegen schärfere Vorschriften wandte sich der Deutsche | |
Bauernverband. „Ein großer Teil der über 20 Änderungsanträge würde weite | |
Teile der bäuerlichen Nutztierhaltung insbesondere in kleinen und mittleren | |
Betrieben in Frage stellen“, erklärte Verbandspräsident Joachim Rukwied. | |
(mit afp) | |
13 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesrat.de/drs.html?id=587-19 | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forst… | |
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/__24.html | |
[4] http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/buq/page/bssahpro… | |
[5] https://www.bverwg.de/081116B3B11.16.0 | |
[6] https://media.4-paws.org/8/5/3/6/853644494812eb056f5660386747f614db107d77/s… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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