# taz.de -- Trainerin über Frauen-Fußball-WM 1981: „Unbegreifliche Ignoranz… | |
> Deutsche Fußballerinnen gewinnen 1981 den WM-Titel – ganz ohne Hilfe des | |
> DFB. Spielertrainerin Anne Trabant-Haarbach erinnert sich. | |
Bild: Anne Trabant-Haarbach im Mai 1983 als Spielführerin des deutschen Teams … | |
taz: Frau Trabant-Haarbach, fühlen Sie sich eigentlich als Weltmeisterin | |
anerkannt? | |
Anne Trabant-Haarbach: Nein. Gar nicht. Die WM 1981 war ja kein offizielles | |
Fifa-Turnier. Für mich als Trainerin und für die Spielerinnen war der | |
Gewinn gegen internationale Natinalmannschaften ein riesiger Erfolg, der | |
letztendlich zum Aufbau einer deutschen Nationalmannschaft beitrug. Aber | |
vom DFB gab es bislang überhaupt keine Resonanz auf den Film. | |
Wirklich nicht? Das ist ja spannend. | |
Wenn Sie auf der DFB-Website die Historie der Frauen nachschauen, werden | |
Sie feststellen, dass für den DFB der Frauenfußball erst ab 1989 zählt, als | |
sie zum ersten Mal Europameisterinnen geworden sind. | |
Haben Sie sich mal beim DFB über die Geschichtsschreibung beschwert? | |
Ich habe es immer wieder in der Presse erwähnt. Aber beim DFB wird nichts | |
geändert. Schauen Sie sich doch mal das Präsidium an, da sitzen außer Frau | |
Ratzeburg nur Männer. Oder den DFB-Bundestag. Man sieht fast nur Männer. | |
[1][Es fehlt an Frauen], die sich Respekt verschaffen. | |
Und warum sitzen Sie dort nicht? | |
Ich habe mich damals als Trainerin genug mit dem DFB auseinandergesetzt. | |
Man durfte nicht kritisieren. Das ist ja heute noch so. Von den | |
DFB-Angestellten werden Sie keine kritischen Worte hören. Als Außenstehende | |
ist es natürlich leicht, sich zu äußern. | |
Sie entstammen einer Generation, die das Frauenfußballverbot ab 1955 selbst | |
erlebte. Was bedeutete das für Sie? | |
Es gab keine Frauenmannschaften. Bei den Jungs durfte ich auch nicht | |
mitspielen, vielleicht mal mittrainieren, da war ich sieben oder acht Jahre | |
alt. Ich war immer das einzige Mädchen auf dem Bolzplatz und musste am | |
Sonntag vom Spielfeldrand zusehen, wenn mein Bruder oder mein Vater | |
vereinsmäßig Fußball spielten. Ich kam danach erst wieder zum Fußball, als | |
ich 1969 mit dem Sportstudium in Mainz anfing. | |
Was machte diese Ausgrenzung persönlich mit Ihnen? | |
Ich empfand es als Kind einfach nur ungerecht. Erst später nahm ich die | |
Ausgrenzung als Herausforderung wahr, um den Männern zu zeigen, dass Frauen | |
auch Fußball spielen können. | |
Sie wurden 1974 erste deutsche Meisterin mit dem TuS Wörrstadt, holten im | |
Jahr darauf den Titel mit dem Bonner SC und wechselten dann nach Bergisch | |
Gladbach. Warum gab es eigentlich gerade im Rheinland so viel | |
Frauenfußball? | |
Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich kam es durch die Erfolge: So was spricht | |
sich rum. Alle, die anfangs mit den Jungs rumgekickt hatten, mussten wegen | |
des Verbots zum Handball, zur Leichtathletik oder zum Tennis ausweichen. | |
Und als sich dann das Verbot lockerte, sind viele wieder zum Fußball | |
gewandert. Wir hatten zum Beispiel in Bergisch Gladbach bei der ersten | |
Deutschen Meisterschaft Christel Frese im Aufgebot, sie war Europameisterin | |
im 400-Meter-Lauf. | |
Ihnen wird nachgesagt, als Spielertrainerin sehr anspruchsvoll gewesen zu | |
sein. | |
Ich habe damals alles selbst gemacht, spezielles Torwarttraining, | |
Spielbeobachtung, dreimal die Woche Mannschaftstraining, Spielvor- und | |
-nachbereitung. Daneben war ich hauptberuflich Lehrerin an der Schule. Das | |
hat viel Zeit und Kraft gekostet. Als ich 1991 aufhörte, war ich mental und | |
körperlich ausgelaugt. Heute würde man sagen: Burn-out. Die Erfolge | |
verlangten aber auch von den Spielerinnen enorme Bereitschaft. | |
Wie sehr war Ihnen die politische Tragweite Ihres Tuns bewusst? | |
Ich habe mich für die Frauenbewegung interessiert, habe auch | |
Frauenliteratur gelesen. Aber das war nicht entscheidend. Entscheidend war | |
für uns das Gemeinschaftsgefühl, die Solidarität. Keine Frau konnte zu der | |
Zeit allein ein Restaurant oder eine Kneipe aufsuchen. Wir durften ja nicht | |
mal unseren Beruf frei wählen, das kann man sich heute gar nicht | |
vorstellen. Und dann kamen wir Mädchen und junge Frauen und wollten Fußball | |
spielen. Schon klar, dass sich die Männer aufregten und den Frauenfußball | |
abqualifizierten. | |
1981 gab es dann diese inoffizielle WM. Wie kam gerade Taiwan auf die Idee, | |
eine Frauen-WM auszutragen? | |
Ich glaube, sie hatten ein politisches Jubiläum, die chinesische | |
Oktoberrevolution. Wir wurden eingeladen, bei einer riesigen Militärparade | |
auf der Ehrentribüne zu sitzen. Sie haben versucht, durch dieses Turnier | |
wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. Deshalb ging auch die Einladung nach | |
Deutschland. Es war eine verrückte Mischung von Ländern dabei, die | |
Niederlande, Schweiz, USA, Finnland, Norwegen, aber auch Staaten wie | |
Thailand und Haiti. Der DFB hat die Einladung an Bergisch Gladbach | |
weitergeleitet, weil es noch keine Nationalmannschaft der Frauen gab. Sie | |
haben wohl nicht damit gerechnet, dass wir es schaffen, dorthin zu fliegen. | |
Vom DFB erhielten wir keinerlei Unterstützung. | |
Sie sind einfach mit der SSG 09 Bergisch Gladbach nach Taiwan geflogen. Im | |
Film ist zu sehen, wie Sie gar Waffeln verkauft haben, um die Reise zu | |
finanzieren. Gab es Zweifel innerhalb des Teams über den Sinn eines solchen | |
Aufwands? | |
Nein, für uns war die Einladung zum Turnier der Hammer. Wir waren schon | |
viermal Deutsche Meisterinnen, da musste ein neuer Anreiz her. Und dann | |
noch nach Taiwan zu einer inoffiziellen WM. Also nicht nur sportlich eine | |
große Herausforderung, sondern auch finanziell und kulturell. | |
Wie haben Sie das finanziell überhaupt geschafft? | |
Wir hatten einen Sponsor aus der Teebranche und Unterstützung von der | |
Stadt. Bei diversen Unternehmen gaben wir Autogrammstunden. Auch das | |
Finanzministerium wurde angeschrieben. Zusätzlich mussten wir in Taipeh, | |
obwohl wir fast jeden Tag ein Spiel hatten, Einladungen zum Essen oder zu | |
Betriebsbesichtigungen wahrnehmen. | |
Die Atmosphäre vor Ort soll sehr mitreißend gewesen sein. | |
Es war fantastisch. Schade, dass wir keine qualitativ guten Aufnahmen davon | |
haben. Es gibt in Taiwan altes TV-Material, einige Spiele wurden damals | |
live im Fernsehen übertragen. Aber der TV-Sender wollte pro Minute 30.000 | |
Dollar für die Rechte haben, das war der Filmproduktion natürlich zu viel. | |
Unser Physiotherapeut hat damals ein paar Amateurvideos gedreht. Man konnte | |
drei oder vier Meter am Tor vorbeischießen und das Publikum hat geklatscht | |
wie irre, sie fanden das unglaublich toll. | |
Was ist Ihre eindrücklichste Erinnerung an diese Weltmeisterschaft? | |
Für mich als Spielertrainerin war das Turnier ein unglaublicher Stress. Der | |
Erfolg war eine Erlösung. Er zeigte mir, dass ich in der Lage bin, eine | |
Mannschaft zum WM-Titel zu führen. Der DFB traute mir das beim Aufbau der | |
Nationalmannschaft nicht zu. | |
Sie wurden im neuen offiziellen Nationalteam 1982 nur Assistenztrainerin | |
unter Gero Bisanz. | |
Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine A-Lizenz. Vor 1982 wurde mir auch als | |
Gasthörerin nicht erlaubt, an Lehrgängen teilzunehmen. Ich musste die | |
A-Lizenz nachholen. Mit 33 Jahren erklärte ich mich zusätzlich bereit, noch | |
einmal zu spielen und als Spielführerin für Deutschland aufzulaufen. | |
Für einen Verband, von dem Sie sich nicht anerkannt fühlen? Ist das kein | |
Zwiespalt? | |
Damals hat mich das nicht so berührt. In den späteren Jahren habe ich mich | |
geärgert. Bei der Frauen-WM 2011 in Deutschland ging mir das Herz auf, als | |
ich im Olympiastadion das Eröffnungsspiel und die 70.000 Zuschauer sah. | |
Aber es war schon eine Enttäuschung, als erste Spielführerin einer | |
Nationalmannschaft keine offizielle Einladung zu erhalten. Diese Ignoranz | |
ist mir unbegreiflich. | |
Derzeit geht die Anzahl der Mädchenteams bundesweit zurück, die | |
Zuschauerzahlen in der Bundesliga stagnieren. | |
Das Entscheidende ist, dass Frauen sich in den Vereinen, Verbänden mehr | |
engagieren und die Chance bekommen, in Führungspositionen gewählt zu | |
werden. Die Frauen selbst müssen was tun und sich fortbilden. | |
Ex-Nationalspielerinnen könnten die Trainerlizenzen erwerben. Da sehe ich | |
bei den meisten Frauen leider wenig Bereitschaft. In der Frauen-Bundesliga | |
werden die Mannschaften [2][hauptsächlich von Trainern] betreut. Die Männer | |
entscheiden immer noch, daran hat sich nicht viel geändert. | |
24 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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