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# taz.de -- Suche nach neuen Flächen für Windräder: Rädlein im Walde
> Die Flächen für Windräder werden weniger und nun entdeckt die CDU in
> Niedersachsen den Wald als Bauland. Ein Kniefall vor der Windkraftlobby?
Bild: Könnten so schön aus den Wälder hervor sprießen: Windräder
Göttingen taz | Die CDU in Niedersachsen, bislang nicht unbedingt als
windenergiefreundlichste Partei im Bundesland bekannt, hat sich für den Bau
von Windrädern im Wald ausgesprochen. Bislang hatten sich die
Christdemokraten klar dagegen positioniert. Überhaupt lässt Niedersachsen
in seinem Raumordnungsprogramm bislang Waldflächen für die
Windenergienutzung grundsätzlich außen vor. Nur wenn keine weiteren
Flächenpotenziale zur Verfügung stehen und es sich um mit technischen
Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen handelt, kann die Nutzung
von Waldstandorten in Frage kommen. In Niedersachsen wurden 2018 erstmals
seit 2012 wieder zwei Wald-Windräder errichtet.
Bundesweit sieht das anders aus: Ende 2018 standen in Deutschland immerhin
1.977 Windräder mit einer Gesamtleistung von 5.291 Megawatt im Wald, das
entspricht etwa zehn Prozent aller Anlagen. Dabei konzentriert sich die
Windkraft im Wald bislang auf einige Bundesländer, vor allem Hessen (421
Anlagen mit zusammen 1194 Megawatt), Rheinland-Pfalz (354 Anlagen, 967
Megawatt) und Baden-Württemberg (272 Anlagen, 808 Megawatt). Das liegt
daran, dass diese Länder über relativ viel Waldfläche verfügen. In Hessen
und Rheinland-Pfalz sind jeweils mehr als 40 Prozent der Fläche von Wald
bedeckt. In Niedersachsen sind es nur 25 Prozent.
Grund für den Meinungsschwenk der CDU ist, dass es im sogenannten Offenland
Niedersachsen immer schwieriger und aufwendiger wird, Windkraftanlagen
genehmigen zu lassen, denn vielerorts [1][schwindet die Akzeptanz für
Windenergie]. Die Vorgaben für Abstände zu Wohnbebauung verringern die
möglichen Flächen weiter.
Die CDU schränkt ihren Vorstoß aber auch gleich wieder ein. Der größte Teil
des Waldes in Niedersachsen soll auch künftig frei von Windrädern sein,
betont Fraktionschef Dirk Toepffer. In Natur- und Landschaftsschutzgebieten
sei die Errichtung solcher Anlagen ohnehin tabu. Zudem müsse mindestens
zehn Prozent eines Gemeindegebietes bewaldet sein, bevor dort gebaut werden
dürfe – und dann auch nur auf zehn Prozent der Fläche.
Das SPD-geführte niedersächsische Umweltministerium ist offen für die
Initiative der CDU. Insbesondere in von den Stürmen der vergangenen Jahre
und von Borkenkäfern zerstörten Waldgebieten seien Windparks denkbar. Im
Harz und im Solling warfen Kyrill & Co Millionen Bäume um. Die von der CDU
vorgeschlagenen Beschränkungen hält das Ministerium für sinnvoll.
Auch beim Bundesverband Windenergie rennt die CDU offene Türen ein.
Forstflächen seien weitestgehend unbesiedelt und böten auch Standorte mit
hohem Anwohnerschutz, weil der hohe Bewuchs „sichtverschattend wirksam“ sei
und Geräusche dämpfe. Mit der Nutzung von Windenergie sieht der Verband
auch die wesentlichen forstlichen Funktionen als gesichert an:
Waldökologie, Forstwirtschaft, Erholung und Jagdbetrieb.
Skeptisch bis ablehnend äußern sich dagegen Umweltverbände wie der
Naturschutzbund (Nabu) oder der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der
Umstieg auf regenerative Energien sei zwar notwendig, um die Klimaziele zu
erreichen, sagt Niedersachsens Nabu-Landesvorsitzender Holger Buschmann. Er
bedeute aber auch einen „tiefgreifenden Transformationsprozess“. Dieser
wiederum erfordere eine zuverlässige Raumplanung und „kann nicht ernsthaft
meteorologischen Zufälligkeiten oder dem Borkenkäfer überlassen werden“.
Nur weil Sturm und Borkenkäfer nicht vor Landschaftsschutzgebieten oder
Naturparks Halt gemacht hätten, dürften diese jetzt nicht geopfert werden,
um mit Aktionismus über anderweitige Versäumnisse hinweg zu täuschen, sagt
Buschmann.
Immerhin kann sich Buschmann Windräder an Waldrändern, an Wäldern direkt an
Autobahnen oder auch in der Nähe von Gewerbegebieten vorstellen. Sein
Stellvertreter Carsten Böhm sagt: „Naturnahe Bestände, Lebensräume seltener
Arten, historisch alte Waldstandorte und geschlossene Waldgebiete müssen,
ebenso wie Schutzgebiete aller Art, unangetastet bleiben.“ Gerade die
Landschaftsschutzgebiete leisteten dabei unverzichtbare Dienste. „Eine
brachiale Energiewende auf Kosten unserer letzten Landschaftsreserven würde
irreparable Schäden verursachen und die Akzeptanz der Energiewende
zerstören“, sagt Böhm
Ähnlich äußert sich der BUND. Waldgebiete für die Energiegewinnung zu
öffnen, sei der falsche Weg, meint BUND-Landesvize Axel Ebeler. Windräder
versiegelten Waldböden und Konflikte mit dem Artenschutz seien
programmiert. Zudem seien Wälder Orte der Erholung und erfüllten eine
wichtige Klimaschutzfunktion. Von Sturm oder Borkenkäfer betroffene
Waldflächen müssten daher zu naturnahen und stabilen Wäldern entwickelt
werden anstatt zu Windparks.
Der faktische Ausbaustopp für die Windenergie wird dem BUND zufolge durch
Defizite in der Raumplanung und Hemmnisse in den Genehmigungsverfahren
verursacht. In Niedersachsen fehle die konsequente Ausweisung von
Vorranggebieten für die Windkraft, wichtige Datengrundlagen seien völlig
veraltet und unvollständig. Zudem gebe es in Niedersachsen noch viele
unausgeschöpfte Potenziale für Windenergie-Standorte, die zügig erschlossen
werden müssten.
Im Wendland hat der Konflikt bereits die konkrete Ebene erreicht. Der
Großgrundbesitzer – und erklärte Gegner der Gorlebener Atomanlagen – Fried
Graf von Bernstorff möchte im Forst hinter dem Endlager-Erkundungsbergwerk
einen Windpark errichten. Gegen das Vorhaben und generell gegen Windräder
in Wäldern zieht die im Nachbarort Marleben ansässige Bürgerinitiative
„Wald ohne Windkraft“ (WOW) zu Felde.
## „Irreparalbe Schäden“
„Der Wald muss unangetastet bleiben und darf nicht geopfert werden“, sagt
der Initiativensprecher Horst Hauster. Er leide schon genug unter den
bereits vorhandenen Klimaveränderungen. Wälder seien Erholungs- und
Erlebnisorte für Menschen sowie Lebensraum für Tiere und Pflanzen: „Dieses
hohe Allgemeingut dürfen wir nicht den Interessen einzelner preisgeben.“
Windräder im Wald brächten für den Kreis Lüchow-Dannenberg weder
wirtschaftlichen Aufschwung noch Arbeitsplätze. Stattdessen
verschlechterten sie die Lebensqualität in den betroffenen Orten und
Gemeinden und beraubten sie ihrer Entwicklungschancen. „Eine Energiewende
mit Planierraupen und Kettensägen auf Kosten unserer Natur und Landschaft
würde irreparable Schäden verursachen und noch mehr die Akzeptanz der
Energiewende zerstören“, schreibt WOW in einer Mitteilung. „Der Wert des
Waldes für den Klimaschutz und gegen das Artensterben wird mit dem Kniefall
vor der Windkraftlobby durch die CDU zu Nichte gemacht.“
13 Feb 2020
## LINKS
[1] /Naturschutz-versus-Energiewende/!5610830
## AUTOREN
Reimar Paul
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