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# taz.de -- Berliner Verkehr: Soll der Berlkönig weiter rollen?
> Ohne den Zuschuss des Senats wird es schwer: Die Berlkönig-Staffel der
> BVG würde mit einer verkürzten Testphase bereits im April enden.
Bild: Der Berlkönig reitet nicht bei Nacht und Wind, aber durch Kreuzberg
Wer fährt so spät durch Nacht und Stadt, es ist der Berlkönig auf dem
Asphaltglatt, er bringt seine Kunden sicher von A nach B, für wenig Geld
entlang der Spree.
Damit soll jetzt Schluss sein – wenn es nach dem Berliner Senat geht. Der
Fahrdienst Berlkönig, ein Gemeinschaftsunternehmen von ViaVan, einer
amerikanischen Tochterfirma von Daimler, und der BVG, könnte bereits im
April eingestellt werden. Seit September 2018 fahren die Sammeltaxis
innerhalb des S-Bahn-Rings und werden per App bestellt und bargeldlos
bezahlt. Ein Computer koordiniert die Routen verschiedener Fahrgäste, die
in die gleiche Richtung müssen und sich so ein Auto teilen – Ride-Sharing
nennt sich das Prinzip. Die Fahrt ist billig: Pro Kilometer zahlt man
durchschnittlich 1,50 Euro. Das sind etwa 60 bis 80 Cent weniger als bei
einer Taxifahrt auf der gleichen Strecke.
Rechtlich ist der Berlkönig als „atypischer Linienverkehr“ genehmigt und
sollte als Experiment vier Jahre lang laufen. Um das Angebot nun auch auf
Randbezirke auszuweiten, braucht es Zuschüsse des Landes in Höhe von 43 bis
46 Millionen Euro. Dem Senat ist das zu teuer. 1,4 Millionen Fahrgäste
nutzten die Sammeltaxis seit Beginn. Der Klimaschutzeffekt sollte 11
Millionen Tonnen CO2 einsparen, wenn mehr Leute ihre Autos stehen ließen
und die überwiegend elektronischen Fahrzeuge nutzten. Laut einer Berechnung
der BVG habe der Berlkönig im Januar dieses Jahres aber nur ein Prozent
aller gefahrenen Pkw-Kilometer eingespart. 17 Prozent sollen es bis 2022
werden, wenn stadtweit gefahren werden darf. KritikerInnen reicht diese
Bilanz nicht.
Die BVG drängt den Senat, am Donnerstag eine Entscheidung zur
Fahrdienst-Zukunft zu fällen. Obwohl das Projekt auf vier Jahre angesetzt
ist, ist der Vertrag mit Partner ViaVan, die Fahrer und Fahrzeuge
bereitstellen, auf anderthalb Jahre begrenzt. Laut Tagesspiegel überreichen
die Berlkönig-FahrerInnen am Mittwochnachmittag einen offenen Brief an
Grünen-Verkehrssenatorin Regine Günther: „Wer jedoch über den Berlkönig
spricht, der spricht auch über unsere Existenz!“
## Soll der Berlkönig weiter durch die Stadt rollen?
## ja,
um die Mobilität der Zukunft zu erforschen, müssen wir experimentieren.
Nicht alles, was motorgetrieben über die Straßen rollt, lässt sich mit
einem wütenden „Klimasünder!“-Schrei als böses Übel abfrühstücken. Ja…
der Berlkönig-Flotte gibt es Dieselfahrzeuge, aber bis Ende des Jahres soll
vollständig auf Elektrofahrzeuge umgestellt werden. Und die sparen wiederum
das CO2 ein, das jeder, der lieber in sein Auto hüpft oder allein ein Taxi
belegt, in größerem Maß ausstößt. In Sachen Umwelt schlägt der Berlkönig
viele Konkurrenten auf dem Markt, wie beispielsweise Uber oder das
klassische Taxi.
Apropos Taxi. Die SPD befürchtet, durch das Bestehen des Berlkönigs könne
das Taxigewerbe mit Steuergeldern kaputt gemacht, gar „kannibalisiert“
werden. Dabei muss man aber beachten, dass ein subventionierter Fahrdienst
nicht ein ganzes Gewerbe auslöschen kann. Wer es eilig hat, wird sich
weiter mit einem Taxi durch die Stadt kutschieren lassen. Wer dagegen
einfach nach Hause will ohne großen Zeitdruck, wird sich für den Berlkönig
entscheiden. Denn dieser ist immer noch eine Ergänzung zum ÖPNV-Angebot und
kein reiner Chauffeurdienst, wie ihn viele der kritischen Politiker wohl
haben dürften – und der den Taxifahrern eine größere Konkurrenz sein
dürfte.
Der Berlkönig bietet Sicherheit. Es ist einfacher, das Handy zu zücken, als
ängstlich das Pfefferspray in der Jackentasche zu umklammern, weil der
nächste Bus von Mitte nach Kreuz-Kölln erst in 20 Minuten fährt. In diesen
Momenten ist die Mischung aus Rufbus (kommt nahezu sofort) und Sammeltaxi
(man ist nicht allein einem Fahrer ausgeliefert) ideal. Gerade auch, wenn
nicht 60, sondern nur 6 Menschen in eine Richtung wollen und es keinen
ganzen Linienbus braucht.
Zwar wird oft davon berichtet, nur junge Menschen würden den Berlkönig
nutzen – vielleicht weil sie sich eher darauf einlassen, per App zu
bestellen und zu bezahlen – dabei könnten besonders
mobilitätseingeschränkte Personen davon profitieren. Denn barrierefreie
Angebote bis in die letzten Ecken Berlins sind selten. Dafür müsste der
Fahrdienst allerdings über den S-Bahn-Ring hinaus ausgebaut werden, so wie
es die BVG auch plant – auch um ihr CO2-Ziel zu erreichen und private Autos
in Randbezirken überflüssig zu machen. Diese Erkenntnisse liefert der
Versuch allerdings nur, wenn man ihn nicht vorzeitig abbricht. Laura Binder
## nein,
Mittwoch ist nicht der 8. März, kann aber weiter neuer Feiertag für Berlin
sein. Denn an diesem Tag soll Schluss sein mit der irrwitzigen Idee der
BVG, in der Innenstadt mit den Anruf-Sammeltaxi „Berlkönig“ dem eigenen
Bus- und Bahnangebot Konkurrenz zu machen, von Taxi-Unternehmen ganz zu
schweigen. Im besten Fall war es eine ziemlich teure Volksbildungsmaßnahme
– falls sie vielleicht durch den Namen den einen oder anderen in Kontakt
mit Goethes Gedicht „Erlkönig“ brachte, der offensichtlich ungefragt Pate
stand.
Warum soll ein – zu Recht – mit mehreren Hundert Millionen Euro jährlich
vom Land Berlin unterstütztes landeseigenes Unternehmen subventionierte
Taxidienste anbieten? Warum leitet die BVG Menschen statt in ihre großen,
viele Pkws ersetzenden Busse in Mini-Vans und sorgt damit für zusätzliche
Fahrten? Warum, wenn überhaupt, gibt es dieses Angebot nicht nur nachts –
was ja noch am ehesten nachvollziehbar wäre – sondern auch tagsüber, wenn
alles fährt, und zwar oft? Die BVG hätte doch nur im namensgebenden
„Erlkönig“ nachlesen müssen: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?…
heißt es da, nicht jedoch bei Tageslicht und Sonnenschein.
Wenn überhaupt, dann hätte der Berlkönig nicht in der mit Bussen und Bahnen
gut versorgten Innenstadt unterwegs sein müssen, sondern – wie von der
SPD-Fraktion mehrfach gefordert – in dünner besiedelten Stadtteilen, also
in den Außenbezirken. Erfahrungen mit Anruf-Sammeltaxis gibt es längst aus
anderen Städten. Das hätte eine sinnvolle Ergänzung zum vorhandenen Netz
sein können. Aber in der Innenstadt? Als Partyexpress? Wer nächtens in der
Innenstadt unterwegs ist, konnte sich am Ende des Abends schon immer ein
Taxi rufen und wird das auch künftig können.
Jeder Euro, den die BVG in das Berlkönig-Projekt steckt, ist einer, der
anderswo fehlt: Bei U-Bahn-Verlängerungen, gegen die sich die Grünen um
Verkehrssenatorin Regine Günther leider weiter wehren, beim Straßenbahnbau,
bei neuen S-Bahnen und vor allem bei der Verdichtung des Busnetzes. Es ist
ein Trauerspiel, dass manche Buslinien auch tagsüber weiter nur im
20-Minuten-Takt fahren. Mit diesem unzureichenden Angebot lässt sich kaum
ein Autofahrer anlocken. Um das umzustellen, braucht die BVG mehr Busse und
mehr Fahrer – und nicht eine vermeintlich coole Innenstadt-Idee mit
pseudolustigem Namen. Stefan Alberti
12 Feb 2020
## AUTOREN
Laura Binder
Stefan Alberti
## TAGS
BVG
Berliner Senat
Regine Günther
Öffentlicher Nahverkehr
BerlKönig
Verkehrswende
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S-Bahn Berlin
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