| # taz.de -- Nachruf Gründer der Gang of Four: Andy Gill ist tot | |
| > Der britische Punkrock-Pionier und Gründer der Band Gang of Four, Andy | |
| > Gill, ist am Samstag an einer Erkrankung der Atemwege gestorben. | |
| Bild: Andy Gill 2011 bei einem Auftritt in New York | |
| Wenn eine ARD-Infowelle am Sonntagmorgen den Tod von Andy Gill vermeldet, | |
| dann ist die Nachrichtenlage mau. Um dem „Andy wer?“-Reflex bei den | |
| Hörer*innen vorzubeugen, wird die Nachricht mit einem bekannten Namen | |
| garniert. Dieser Andy Gill habe auch mal mit den Red Hot Chili Peppers | |
| gearbeitet. Aha. Das ist für Gills Bedeutung so relevant wie Destiny’s | |
| Childs Aufnahme von „8 Days of Christmas“ für die Karriere von | |
| [1][Beyoncé]. | |
| Andy Gill ist Anfang zwanzig, als er 1976 mit drei Freunden in der „Working | |
| Class & Art School“-Hochburg Leeds eine Band gründet und ihr den Namen | |
| [2][Gang of Four] gibt. Dass die sogenannte Viererbande um Maos Witwe Jiang | |
| Qing in der Geschichtsschreibung der chinesischen KP zum Sündenbock für die | |
| Exzesse der Kulturrevolution gemacht wird, ist nur einer von vielen | |
| Treppenwitzen in der Geschichte dieser Ausnahmeband. | |
| Der größte: das groteske Missverhältnis zwischen kommerziellem | |
| (Miss-)Erfolg zu Lebzeiten und Breitenwirkung wie Langzeiteinfluss nach der | |
| Auflösung 1984. Für „Entertainment“, ihr Debütalbum von 1979, gilt, was | |
| gern über die Bananenplatte von Velvet Underground gesagt wird: Sie wurde | |
| nur von ein paar Tausend Leuten gekauft, aber jede(r) von denen hat eine | |
| Band gegründet. Die Liste der Epigonen, die populärer werden sollten als | |
| das Vorbild, ist lang. | |
| Keine Band der britischen Postpunk-Ära hat im 21. Jahrhundert so viele | |
| Soundalikes erlebt. Das New Yorker Punk-Funk-Revival der frühen Nuller ist | |
| ein einziges Gang-of-Four-Memorial. The Rapture, Radio 4,!!! (Chk Chk Chk), | |
| LCD Soundsystem, alle haben „Entertainment“ mit Löffeln gefressen. In | |
| Großbritannien gilt das Gleiche für Bloc Party, Franz Ferdinand, Maximo | |
| Park. Und ja, ohne Gang of Four auch keine Chili Peppers. | |
| Zum Trademark-Sound der Band steuert Andy Gill ein Gitarrenspiel bei, das | |
| klingt wie nix in der Geschichte des Rock, weil es nicht eingehen will in | |
| die Geschichte des Rock. Die antirockistische, vom afroamerikanischen Funk | |
| und vom jamaikanischen Dub informierte Klang-Ästhetik der Gang of Four hat | |
| Gefühl und Bewusstsein für Leerstellen, für Hohlräume. Der Kritiker Paul | |
| Morley spricht von „awkward holes and sharp corners“. Um die scharfen Ecken | |
| in die unbehaglichen Löcher stößt Gills Gitarre wie ein Steakmesser in die | |
| Haut: „Statt Gitarrensoli gab es bei uns Antisoli, man hörte einfach auf zu | |
| spielen, da blieb nur ein Loch.“ | |
| Und aus dem Loch ward geboren: Funk Punk mit einer politischen Attitude – | |
| Thatcher läuft sich schon warm. Zu den Antisoli performt die Gang | |
| Antiliebeslieder, gern im Dialog-Modus. Gitarrist Gill fällt Sänger Jon | |
| King mit ätztrockenem Sprechvortrag ins Wort, Rap avant la lettre. „Dein | |
| Kuss so süß, dein Schweiß so sauer“, heißt es in „Damaged Goods“, nic… | |
| viel lieblicher wird die Liebe in „Anthrax“, drei Jahre vor Aids: „Love�… | |
| get you like a case of anthrax And that’s something I don’t want to catch.�… | |
| Am Samstag ist Andy Gill an einer Erkrankung der Atemwege gestorben, er | |
| wurde 64 Jahre alt. Klaus Walter | |
| 2 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Walter | |
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