# taz.de -- Verhandlungen zwischen USA und Taliban: Abzug aus Afghanistan nah | |
> Die langen Verhandlungen zwischen Taliban und den USA scheinen am Ende. | |
> Wenn der US-Truppenabzug beginnt, können auch Friedensgespräche starten. | |
Bild: Trump bei Truppenbesuch in Bagram | |
Berlin taz | Das Abkommen über den US-Truppenabzug aus Afghanistan scheint | |
vor dem Abschluss zu stehen. Das geht aus Kurzmitteilungen des Sprechers | |
der Taliban-Verhandlungsdelegation Sohail Schahin hervor, die er am späten | |
Donnerstagabend absetzte. | |
Zuvor führten US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad, selbst afghanischer | |
Herkunft, und der Taliban-Vizechef für politische Fragen, Abdul Ghani, | |
besser als Mullah Baradar bekannt, in Katar zwei Tage lang neue Gespräche. | |
Khalilzad hatte diese [1][Mitte Dezember] unterbrochen, nachdem die Taliban | |
den US-Hauptstützpunkt in Afghanistan, Bagram, angegriffen hatten. | |
Das Abkommen sieht vor, dass kurz danach Friedensgespräche zwischen den | |
aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung beginnen. Die Taliban | |
wollten vor einer Einigung auf einen Truppenabzug nicht mit der Regierung | |
in Kabul sprechen. Es deutet sich an, dass diese Gespräche in Deutschland | |
stattfinden könnten. | |
Schahins drei Tweets sind bisher allerdings die einzigen offiziellen | |
Verlautbarungen zu den Fortschritten in diesen Verhandlungen, die den Weg | |
zu einer Beendigung des über 40 Jahre andauernden Afghanistan-Kriegs öffnen | |
sollen. Darin heißt es, „diese Runde der Gespräche“ werde noch „einige | |
Tage“ andauern. Gleichzeitig aber twitterte er, man habe „über die | |
Unterschrift und die Zeremonie dafür“ gesprochen. Das bedeutet wohl, dass | |
der Inhalt des Abkommens steht und beide Seiten in einer möglicherweise | |
letzten Runde das Abkommen unterschreiben und weitere Schritte bekannt | |
geben werden. Die US-Seite äußerte sich bisher nicht. | |
## Keine vollständige Waffenruhe mit Afghanistans Streitkräften | |
Gleichzeitig sickerte durch, dass Talibanchef Hebatullah Achunsada grünes | |
Licht für eine zehntägige Waffenruhe mit den US-Streitkräften gegeben habe. | |
Sie soll einen reibungslosen Beginn des Abzugs der noch etwa 13.000 | |
US-Soldaten, der etwa 24.000 privaten Militärdienstleister – die Mehrzahl | |
davon zivile Versorgungsmitarbeiter – und dann wohl auch ihrer Verbündeten | |
gewährleisten. Darunter wären nach letzten vorliegenden Nato-Zahlen 1.300 | |
Bundeswehrangehörige. | |
Gleichzeitig wollen die Taliban ihre Angriffe auf die afghanischen | |
Streitkräfte verringern, die Waffenruhe aber nicht vollständig auf sie | |
ausdehnen. Zum Thema Waffenruhe twitterte Schahin aber nichts. | |
Dem Entschluss der Taliban war ein einmonatiger Konsultationsprozess mit | |
den Feldkommandeuren vorausgegangen. In ihrer Hierarchie ist Achunsada – | |
dessen religiöser Titel Amir ul-Momenin (Oberhaupt der Gläubigen) lautet – | |
ein Einzelentscheider. | |
Wie lange der Abzug dauern wird, ist unklar. Im Vorfeld war zuletzt von 14 | |
Monaten die Rede. Diese kurzfristige Waffenruhe war eine Vorbedingung, die | |
Khalilzad eingeführt hatte, wohl auch, um zu testen, ob alle | |
Taliban-Feldkommandeure sich nach solch einer Vereinbarung richten werden. | |
Allerdings ist kaum vorstellbar, dass sie nicht über den gesamten | |
Abzugsverlauf verlängert wird. | |
## Präsident Ghani läuft Gefahr, Trump zu verärgern | |
Das Abkommen hatte bereits [2][im vorigen September unterschriftsreif] | |
vorgelegen. Dann ließ US-Präsident Donald Trump es in letzter Minute | |
platzen – wie bei ihm üblich, per Tweet. Als Grund führte er an, dass die | |
Taliban zwei Tage zuvor in Kabul einen Anschlag auf einen US-Militärkonvoi | |
verübt und dabei einen US-Militärangehörigen getötet hatten. | |
Das war allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens der 17. US-Tote | |
2019; nach allen anderen waren die Verhandlungen weitergegangen. | |
Eigentlicher Grund, so vermuteten zahlreiche US-Kommentatoren, war Trumps | |
Plan, die Taliban zur Unterschriftsleistung in die USA zu holen und die | |
Lorbeeren für das Abkommen persönlich zu ernten. Die Taliban lehnten ab, | |
und der Deal flog auf. | |
Die afghanische Regierung lehnte am Freitag das Taliban-Angebot der | |
Gewaltreduzierung ihren Truppen gegenüber ab. Sie besteht auf einer | |
vollständigen Waffenruhe auch für sie. Das Taliban-Angebot ist tatsächlich | |
weniger, als es erscheinen mag, denn US- und afghanische Soldaten sitzen | |
auf gemeinsamen Stützpunkten, nutzen dieselben Straßen und führen oft | |
gemeinsame Operationen durch. | |
Allerdings läuft Präsident Aschraf Ghani Gefahr, seinen Amtskollegen Trump | |
im Wahljahr zu verärgern. Der will nämlich sein Wahlversprechen von 2016 | |
halten, die Truppen endgültig aus Afghanistan abzuziehen. | |
17 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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