# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Afghanistan: Schaler Wahlsieg in Afghani… | |
> Drei Monate nach der Wahl in Afghanistan gibt es ein vorläufiges | |
> Endergebnis. Die Opposition will den Sieg des Amtsinhabers nicht | |
> anerkennen. | |
Bild: Soll knapp in der ersten Runde wiedergewählt worden sein: Afganistans Pr… | |
Fast drei Monate nach der [1][Präsidentschaftswahl] vom 28. September hat | |
Afghanistans Unabhängige Wahlkommission (IEC) am Sonntag das vorläufige | |
Endergebnis veröffentlicht. Demzufolge liegt vorerst Amtsinhaber | |
[2][Muhammad Aschraf Ghani] vorn. Auf seinen stärksten Kontrahenten | |
Abdullah Abdullah, bisher Regierungschef unter ihm, hat er elf Prozent | |
Vorsprung. | |
Ghanis Stimmenanteil von 50,64 Prozent wäre zudem eine knappe absolute | |
Mehrheit, die ihm eine Stichwahl ersparen würde. Mit 1,82 Millionen | |
abgegebenen Stimmen lag die Wahlbeteiligung bei unter 20 Prozent der | |
registrierten Wähler:innen und bei 12 Prozent der Bevölkerung im | |
wahlfähigen Alter. | |
Die anderen elf Kandidaten sind weit abgeschlagen. Der berüchtigte Warlord | |
[3][Gulbuddin Hekmatjar] kam mit knapp vier Prozent auf Platz drei. Ahmad | |
Wali Massud, Bruder des früheren antisowjetischen Guerillaführers Ahmad | |
Schah Massud, landete mit unter 4.000 Stimmen bei ernüchternden 0,22 | |
Prozent. Die Unterlegenen haben jetzt drei Tage Zeit, Einsprüche gegen das | |
Ergebnis einzureichen. Die Wahlbeschwerdekommission muss dann binnen zwei | |
Wochen darüber entscheiden. | |
Dass es zu Einsprüchen kommt, ist sicher; dass die Frist eingehalten wird, | |
keinesfalls. Mit dem vorläufigen Ergebnis liegen Afghanistans Wahlbehörden | |
schon über zwei Monate hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Ursache der | |
Verzögerung waren heftige Kontroversen um 300.000 Stimmen, die die | |
Opposition als manipuliert ansah. | |
## 16 Prozent der abgegebenen Stimmen sind umstritten | |
Ihre Anhänger blockierten tagelang die IEC-Büros in sieben der 34 Provinzen | |
und erzwangen so eine Neuauszählung der dortigen Stimmen. Als das am | |
vorigen Montag geschehen war, schob Abdullah die Forderung hinterher, auch | |
die Stimmen in allen anderen Provinzen noch einmal zu zählen. Das lehnte | |
die IEC ab. | |
Afghanistan hatte erstmals ein System zur biometrischen Wählerverifizierung | |
eingesetzt, um mehrfache Stimmabgaben zu verhindern. So konnte | |
nachvollzogen werden, dass über 100.000 Stimmen außerhalb der | |
Öffnungszeiten der Wahllokale abgegeben wurden und bei weiteren 70.000 | |
Wahlzetteln die nötigen Fotos fehlten. 140.000 Stimmzettel wiesen andere | |
Unregelmäßigkeiten auf. Die 300.000 umstrittenen Voten repräsentieren über | |
16 Prozent der abgegebenen Stimmen. | |
Die Wahlkommission strich schließlich aber nur 14.000 der umstrittenen | |
Stimmen als ungültig. Da Ghanis Vorspung auf die 50-Prozent-Hürde ganze | |
11.000 Stimmen beträgt, könnte eine andere Bewertung schon eines Bruchteils | |
dieser Stimmen seinen Erstrunden-Sieg zunichte machen. | |
Abdullah wies das vorläufige Resultat als „verfälscht“ zurück und sagte,… | |
werde es „niemals“ anerkennen. Er und weitere Kandidaten hatten im Vorfeld | |
beide Wahlkommissionen der Parteilichkeit zum Vorteil Ghanis beschuldigt. | |
Die UNO mahnte jetzt Transparenz bei der Bearbeitung der Einsprüche an. | |
Ghani und Abdullah traten schon 2014 gegeneinander an, damals kam es zu | |
einer Stichwahl. Deren Ergebnis war trotz UN-überwachter Neuauszählung so | |
umstritten, dass es nie offiziell veröffentlicht wurde. Erst die | |
Intervention der USA führte zur Bildung einer Einheitsregierung unter | |
Einschluss Ghanis und Abdullahs. Die verzettelte sich ihren fünf Amtsjahren | |
in permanente Intrigen. Die Armutsrate sank währenddessen auf über 54 | |
Prozent. | |
Ob die neue Regierung gestärkt in künftige [4][Friedensgespräche] mit den | |
Taliban gehen kann, hängt von der Legitimität des Wahlergebnisses ab. Die | |
steht aber schon wegen der niedrigen Wahlbeteiligung in Frage. Sollte der | |
Streit sich noch lange hinziehen, würde sie weiter untergraben. | |
22 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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