Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Feriendorf an Schutzgebiet: Vogelfan bestraft
> Im Dithmarscher Speicherkoog sollen Touristen neben einem
> Naturschutzgebiet übernachten. Naturschützer wollen das verhindern – und
> kassieren Bußgeld.
Bild: Lebt im Speicherkoog: Der Austernfischer
Rendsburg taz | Auf der Nordsee dümpeln Vögel, davor liegt ein grünes Ufer
mit scheinbar unberührter Natur. Der Speicherkoog nahe Meldorf in
Dithmarschen bietet bedrohten Arten wie Uferschnepfe und Kiebitz ein Rast-
und Brutrevier. Dieser Koog, also ein flaches Marschland, ist nun
Schauplatz eines ungewöhnlichen Streits zwischen Naturschützer*innen und
der Kommune.
Teile des Speicherkoogs stehen unter Naturschutz. Doch auf den angrenzenden
Flächen planen die Umlandgemeinden eine Ferienhaussiedlung und
Wohnmobilstellplätze für mehr Tourismus. Eine Gruppe Naturschützer*innen
will das nicht hinnehmen.
Die Aktivist*innen gründeten eine Bürgerinitiative, [1][sammelten 3.000
Unterschriften] und brachten den Fall vor den Petitionsausschuss des
Landtags. Zuständig ist jedoch der Kreis Dithmarschen und der geht nun
gegen eine der Naturschützer*innen vor: Er verhängte ein Bußgeld in Höhe
von 896 Euro gegen die Sprecherin der Bürgerinitiative, weil sie sich beim
Betreten des Naturschutzgebietes filmen ließ.
Als Mitglied des Naturschutzbundes Nabu war Tanja Matthies, heute
Sprecherin der [2][Bürgerinitiative für Naturschutz im Speicherkoog
(Bins)], als ehrenamtliche Aufpasserin im Koog unterwegs. Was sie erlebte,
habe sie geschockt und geärgert: „Es wird trotz der Verbote gebadet und
gesurft, Autos parken im Vogelschutzgebiet, daneben wird gegrillt, Kinder
spielen Fußball“, berichtete die Juristin vor dem Petitionsausschuss. All
das werde noch viel schlimmer werden, wenn die Pläne der angrenzenden
Gemeinden in die Tat umgesetzt werden, fürchtet Matthies.
## Wohnmobilstellplätze und Häuschen
Denn „der Speicherkoog soll sich zu einer beliebten Destination für
naturnahen und nachhaltigen Tourismus entwickeln“, heißt es auf der
Homepage der Tourismusförderung Speicherkoog. Hinter den Plänen steht ein
Kommunalunternehmen, das von drei Gemeinden gegründet wurde, darunter die
Stadt Meldorf. Seit fast einem Jahrzehnt laufen die Planungen.
Entstehen sollen ein Ferienhausgebiet mit 70 Parzellen, Flächen für
Wohnmobile und ein „Nationalparkhaus“, in dem auch die Verwaltung der
Ferienhäuser und ein Lokal untergebracht werden soll. „Allen Beteiligten
ist die Berücksichtigung von Naturschutzaspekten ein großes Anliegen“,
verspricht die Tourismusplanung.
Die Planungen entsprächen den Gesetzen, darauf verwies auch der Vertreter
des Umweltministeriums vor dem Petitionsausschuss: „Ich habe keinen Punkt
gefunden, an dem ich fachaufsichtlich einschreiten muss.“ Denn die
Neubauten sollen nicht im Natur- und Vogelschutzgebiet entstehen, sondern
auf angrenzenden Flächen.
Schon heute liegt in unmittelbarer Nähe zu den Schutzzonen der Meldorfer
Sportboothafen, eine Gemeindestraße führt zwischen den Naturschutzgebieten
hindurch. Tourismus ist und war erwünscht: Der Nabu, der die Aufsicht über
das Gebiet hat, errichtete 2007 die Nationalparkstation „Wattwurm“, in
deren Ausstellung es Informationen über den Nationalpark auf der anderen
Seite des Deiches, aber auch über die Schutzgebiete binnendeichs gibt. Der
Nabu tritt nicht gegen das Feriendorf ein. Der Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND) schon.
„Ich gebe ja zu: Total blöd, dass kurz vor Schluss der Planungen auf einmal
viele Leute was dagegen haben“, sagt Naturschützerin Matthies. „Aber die
Zeiten haben sich geändert.“ So seien Probleme wie Lebensraumverlust für
bedrohte Arten und Bodenversiegelung nah am Wasser angesichts des
Klimawandels stärker im Bewusstsein als zu Beginn der Planungen vor einem
Jahrzehnt. Entsprechend verändere sich die Stimmung in Meldorf und
Umgebung.
## Erste Grüne trat zurück
Und dieser Streit um den Koog hat auch die Gemeindepolitik erreicht: Die
frühere grüne Meldorfer Bürgermeisterin Anke Cornelius-Heide verließ die
Partei, nachdem der Ortsverband für einen Planungsstopp gestimmt hatte. In
einem Schreiben, das die Dithmarscher Landeszeitung zitiert, klagt sie über
ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis: „Mir und dem Kommunalunternehmen wird
unterstellt, ein Gefälligkeitsgutachten in Auftrag gegeben zu haben.“
Dabei geht es um eine Verträglichkeitsprüfung nach den Regeln der
Flora-Fauna-Habitate (FFH). Auch gegenüber der taz verweist Bins-Sprecherin
Matthies darauf, dass dieses Gutachten von den Kommunen in Auftrag gegeben
wird und daher mutmaßlich nicht neutral sei. Noch liegt es nicht vor.
Der Petitionsausschuss des Landtages berät den Fall zurzeit intern. Doch
der Vorsitzende Hauke Göttsch (CDU) hat schon eine Richtung gewiesen: Unter
anderem könnten neue Besucherlenkungskonzepte und der Einsatz von Rangern
helfen, die Menschen auf den Wegen zu halten.
Matthies sieht trotz solcher Verbesserungsvorschläge weiter ein
Grundproblem: „Mehr Menschen bedeuten mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Müll,
mehr Licht.“ Die scheuen Bodenbrüter flögen bereits auf, wenn ein Mensch
sich im Umkreis von einigen Hundert Metern bewegt.
Eben das wollte die Bins-Sprecherin zeigen, [3][als sie vor einer
Fernsehkamera des NDR an einem Verbots-Schild vorbei] einen ausgetretenen
Pfad zum Ufer hinunter betrat und damit eine Schar Enten auffliegen ließ.
Für diese Störung der Tiere verhängte der Kreis das Bußgeld von knapp 900
Euro – mehr als etwa für das Verschütten von Altöl oder den illegalen Bau
eines Fischteiches fällig würde. Auch die Behörden scheinen keine Lust auf
Frieden zu haben.
30 Jan 2020
## LINKS
[1] /Tourismus-am-Schutzgebiet/!5615954/
[2] https://www.bi-speicherkoog.de/seite/413271/der-speicherkoog.html
[3] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Streit-um…
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Naturschutz
Vogelschutz
Tourismus
Petition
Besetzung
Elbe
Vögel
Vogelschutz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Acker-Besetzung in Hessen: Wo Protest wächst
Seit über einem Jahr halten in Hessen Aktivisten einen Acker besetzt. Sie
wollen ein Logistikzentrum verhindern – den Investor haben sie vergrault.
Mercedes-Werk frisst Öko-Moor: Schluss mit der Standortlogik
Mensch oder Staude? Ein beispielhafter Konflikt braut sich im Hamburger
Süden zusammen. Schwierig insbesondere für die Grünen.
Studie über Brutvogelarten: Vogelbestand in Deutschland sinkt
Die Bestände von Brutvogelarten in Deutschland sinken seit Jahren. Grund
dafür ist der Rückgang der Insekten von denen sich die Vögel ernähren.
Tourismus am Schutzgebiet: Petition gegen Ferien im Vogel-Koog
Der Tourismus im Dithmarscher Speicherkoog soll wachsen: Ein ganzes
Feriendorf soll entstehen. Der Nabu hat keine Einwände, erntet dafür aber
Kritik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.