# taz.de -- Grüne im Hamburger Wahlkampf: Angst vor der eigenen Courage | |
> Mit Blick auf das Amt der Bürgermeisterin ist die grüne Spitzenkandidatin | |
> Katharina Fegebank drauf und dran, die eigene Klientel zu verprellen. | |
Bild: Straftat oder Ordnungswidrigkeit? Vermummung, hier beim G20-Gipfel in Ham… | |
HAMBURG taz | Mit der Aussicht, bei der [1][Bürgerschaftswahl] womöglich | |
die SPD zu überholen, haben grüne Senatsmitglieder mal eben eine Bastion | |
geschliffen. Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank und | |
Justizsenator Till Steffen rückten von der Forderung ab, Vermummung bei | |
Demonstrationen künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat | |
einzustufen. | |
Im grünen [2][Wahlprogramm] wird diese Forderung als Konsequenz aus den | |
Ereignissen beim G20-Gipfel in Hamburg erhoben. Damals hatte die Polizei | |
die zunächst friedliche [3][Demonstration] „Welcome to Hell“ aufgelöst, | |
weil sich Teilnehmer weigerten, ihr Gesicht zu zeigen. Demonstranten | |
wehrten sich gegen das Vordringen der Polizei. Es kam zu einer | |
Straßenschlacht mit vielen Verletzten, die die Atmosphäre der folgenden | |
Gipfeltage vergiftete. Die Polizeiführung rechtfertigte ihr Vorgehen damit, | |
dass sie die Vermummung als Straftat habe unterbinden müssen. | |
Vermummung nicht als Straftatbestand zu werten, ist eine gängige Forderung | |
der Grünen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat sie unter | |
grüner Regierungsbeteiligung in der vorigen Legislaturperiode umgesetzt. | |
Schwarz-Rot in Niedersachsen hat sie kassiert, sobald die Grünen aus der | |
Regierung geflogen waren. | |
Fegebank war beim ersten Rededuell mit Bürgermeister Peter Tschentscher | |
(SPD) ins Schwitzen gekommen. Der hatte es als „sehr merkwürdig“ | |
bezeichnet, wenn man sage: „Die Polizeibeamten sollen gekennzeichnet werden | |
und Demonstranten dürfen sich vermummen.“ | |
Fegebank räumte ein, dass die Forderung „auf den ersten Blick oder beim | |
ersten Hören verstörend“ wirke, diese aber mit dem größeren Spielraum der | |
Polizei für ein deeskalierendes Handeln verteidigt. Daraufhin postete | |
Tschentschers Büroleiter Daniel Stricker den Hashtag #grünistgewaltbereit, | |
der allerdings rasch gelöscht wurde. | |
Erstaunlich ist, dass Fegebank nicht einfiel, dass eine Vermummung ja auch | |
als Ordnungswidrigkeit nicht erlaubt ist, aber ein Einschreiten nicht | |
erzwingt. Stattdessen opferte sie in der Frankfurter Allgemeinen | |
Sonntagszeitung das grüne Wahlprogramm: Sie streite für Zukunftsthemen wie | |
„eine echte Verkehrswende, eine mutigere Wirtschaftspolitik und mehr | |
Bürgerrechte“, sagte Fegebank. „Die Frage, ob das Vermummungsverbot künft… | |
nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll, gehört nicht zu | |
diesen Themen.“ | |
Nach einer repräsentativen [4][Wahlumfrage] im Auftrag des NDR finden 39 | |
Prozent der Hamburger, Verkehr und Mobilität sei das wichtigste Problem. Es | |
folgt der Wohnungsmarkt mit 33 Prozent. Sicherheit landet weit abgeschlagen | |
bei sechs Prozent. Daraus hätten Fegebank und Steffen folgern können, dass | |
sie bei diesem unwichtigen Thema schadlos die eigene Klientel | |
zufriedenstellen können. | |
Allerdings hat Rot-Grün vor 20 Jahren schon mal Wahlen wegen des Themas | |
Innere Sicherheit verloren. Jedenfalls beschwichtigte auch Justizsenator | |
Steffen. „Aus den Reihen der Hamburger Polizei hören wir nun aber, dass sie | |
auch so schon jeden Bewegungsspielraum hat, den sie braucht, um | |
deeskalierend aufzutreten“, sagte er der Welt am Sonntag. „Wir wollen über | |
diese Frage mit der Polizei in einen Dialog treten. Wenn sich das so | |
bestätigt, brauchen wir die Gesetzesänderung nicht.“ | |
Auf die Frage, ob sie sich nach wie vor zum Eingreifen gezwungen sehe, wenn | |
sich Demonstrationsteilnehmer vermummten, weil das eine zu unterbindende | |
Straftat sei, antwortete die Polizei, an ihrer Argumentation habe sich | |
nichts geändert. „Die Vermummung innerhalb einer Versammlung ist aus gutem | |
Grund eine Straftat“, teilte die Polizeipressestelle mit. | |
Die Gewerkschaft der Polizei versicherte, „dass man in Hamburg mit offenem | |
Gesicht für seine Meinung eintreten kann“ und legte eine Anregung drauf: | |
Auch der von den Grünen geforderte unabhängige Polizeibeauftragte sei | |
unnötig. | |
28 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlkampf-in-Hamburg/!5656548 | |
[2] https://www.gruene-hamburg.de/zukunftsprogramm/ | |
[3] /Juristen-Gutachten-zu-G20-Polizeieinsatz/!5512173 | |
[4] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/wahl/buergerschaftswahl_2020/Umfrage… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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