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# taz.de -- Wahlkampf in Hamburg: Rettungsschirm für die SPD?
> In Hamburg werben CDU und FDP seit Neuestem für ein Bündnis mit der SPD.
> Alle drei reiten beim Thema Vermummung eine Attacke gegen die Grünen.
Bild: Könnte die Grünen bremsen: Zusammenarbeit von Gelb, Rot und Schwarz
Hamburg taz | Das alles begann mit einem ulkigen Termin Ende Oktober im
Kapitänszimmer der Rickmer-Rickmers, einem Museumsschiff an den Hamburger
Landungsbrücken. SPD-Mitte-Chef Johannes Kahrs hob zusammen mit
Partei-Männern von CDU und FDP die erste „Deutschland-Koalition“ für den
Stadtbezirk Mitte aus der Taufe – weil es Krach mit den Bezirks-Grünen gab
und pragmatisch passte. „Drei Kapitäne“ titelte die Welt, übernähmen nun
„das Ruder“.
Das kleine schwarz-rot-gelbe Bezirksbündnis, dessen Name so
gewöhnungsbedürftig ist, könnte als lokale Skurrilität in die Geschichte
eingehen, ist doch schon eine große Koalition eher eine Notlösung. Doch
seit einigen Tagen wird die „DeKo“, wie das Bündnis abgekürzt heißt, von
den an sich chancenlosen Mitbewerbern CDU und FDP als Modell für die ganze
Stadt ins Spiel gebracht.
Dabei regieren in Hamburg seit 2015 SPD und Grüne zusammen und laut
Umfragen für die am 23. Februar anstehende Neuwahl zur Bürgerschaft will
eine satte Mehrheit, dass das so bleibt. Die CDU dümpelt bei 16 Prozent,
die FDP gar bei sechs.
Doch es gibt Spannungen im Regierungslager, weil die Grünen bei Umfragen
mit Werten zwischen 27 und 29 Prozent gegenüber der Wahl von 2015 ihr
Ergebnis verdoppeln, während die SPD gegenüber den damaligen 45 Prozent
kräftig verliert und zuletzt bei 32 Prozent lag.
## Tschentscher will kein Junior sein
Die grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank erhebt Anspruch, als erste
Frau Bürgermeisterin zu werden. Amtsinhaber Peter Tschentscher (SPD)
stellte klar: Sollten die Grünen vorn liegen und die SPD nur Junior-Partner
werden, stehe er nicht mehr zur Verfügung.
Aber was dann? Grün und Rot könnten trotzdem wieder koalieren mit einem
anderen SPD-Politiker als zweitem Bürgermeister. Oder die Grünen könnten
ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP schmieden, wie es seit 2017 in
Schleswig-Holstein regiert. Die Grünen schienen die Partei mit den meisten
Optionen zu sein. Bis nun ausgerechnet der CDU-Spitzenkandidat Marcus
Weinberg, der als grün-affin gilt und wie die Grünen eine Straßenbahn
fordert, der Öko-Partei einen Strich durch die Rechnung machte.
„Unsere Präferenz liegt auf einer Deutschland-Koalition mit CDU, SPD und
FDP“, schrieb er Mitte Januar in einem Newsletter. Denn die drei hätten die
größten politischen Schnittmengen. Als Begründung nennt er die Ankündigung
der Grünen in ihrem Wahlprogramm, aus dem „Vermummen“ bei Demonstrationen,
das in Hamburg als Straftat gilt, eine Ordnungswidrigkeit zu machen, damit
die Polizei nicht mehr zwingend eingreifen muss, sowie ein Demonstrant sich
verhüllt. Diese Lockerung, die die SPD 2015 in Schleswig-Holstein
eingeführt hat, nutzte Hamburgs CDU, um die SPD zu umgarnen.
„Ich kann in einer Koalition nicht das Vermummungsverbot lockern“, sagt
Weinberg zur taz. „Es hat mich etwas erschreckt, als die Grünen ihre
Positionen zu wesentlichen Fragen der Zukunft der Stadt vorstellten.“ Auch
die Infragestellung wesentlicher Infastrukturprojekte wie der Autobahn 26
Ost werde es mit der CDU „nicht geben“.
## Nur ein Gedankenspiel
Tags drauf meldete sich auch FDP-Chefin Katja Suding via Bild zur Wort,
auch sie halte die Deutschland-Koalition für das Beste. Überschrift der
Bild: „Noch ein Korb für Katharina“.
Und was sagt die SPD dazu? – Genossen an der Basis reagieren ausweichend.
Es sei nur „ein Gedankenspiel, falls die Grünen zu übermütig werden“. Es
gebe dazu keine Entscheidung. „Die Koalitionsfrage stellt sich am Ende“,
sagt SPD-Landesgeschäftsführer Lars Balcke. Bürgermeister Peter
Tschentscher hält es für naheliegend, das Gespräch mit den Grünen zu
suchen. Laut neuster Umfrage liegt er vor seiner Konkurrentin.
Doch die SPD nahm den Ball Weinbergs auf und ritt eine Attacke gegen die
Grünen. Den Anfang machte Innensenator Andy Grote, als er twitterte, es sei
„verstörend“, dass die Grünen eine Kennzeichnung von Polizisten verlangten
und „gleichzeitig das strafrechtliche Vermummungsverbot abschaffen“
wollten.
## Tschenters Büroleiter provoziert Grüne
Darauf antwortete Tschentschers Büroleiter Daniel Stricker mit „So ist es!
#grünistgewaltbereit“. Und Tschentscher selber wiederholte im Spiegel
Grotes Argumentation. Es sei nicht in Ordnung, „wenn Demonstranten sich
vermummen dürfen“, die Grünen fehle bei der inneren Sicherheit ein klares
Bekenntnis.
Die Grünen empörten sich über Stricker, verlangten eine Entschuldigung.
Zugleich reagierten sie aber. In der Welt am Sonntag sagte der grüne
Justizsenator Till Steffen, Ziel der Änderung sei, der Polizei mehr
Handlungsspielraum beim Einschreiten gegen Vermummte zu geben, wenn eine
Versammlung an sich friedlich verläuft.
Aus den Reihen der Polizei hörten die Grünen, dass sie diesen Spielraum
auch heute schon habe. Die Grünen suchten den Dialog. Wenn die Polizei
meine, das auch so hinzubekommen, „ist diese Gesetzesänderung aus grüner
Sicht nicht zwingend notwendig“, findet Steffen.
Gefragt, ob diese neue Haltung der Grünen etwas daran ändere, dass die CDU
eine Präferenz für die Deutschland-Koaltion habe, sagt Marcus Weinberg,
„Nein“. Es sei gut, wenn die Grünen einen Fehler einsähen: „Aber worauf
kann sich der Wähler eigentlich noch verlassen?“ Und die FDP schob
hinterher, innere Sicherheit sei „nicht geeignet für Experimente“.
27 Jan 2020
## AUTOREN
Kaija Kutter
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