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# taz.de -- Folgen des Coronavirus in China: Ein Land im Ausnahmezustand
> Reiseverbote, abgesperrte Städte, abgesagte Veranstaltungen. In großen
> Teilen Chinas liegt das öffentliche Leben brach.
Bild: Die Angst vor dem Virus – die Menschen in Wuhan bleiben zu Hause
Peking taz | Am Sonntag trat Ma Xiaowei, Leiter der nationalen
Gesundheitskommission, gleich mit zwei Hiobsbotschaften vor die
internationale Presse in Peking: Zum einen würde die Übertragungsfähigkeit
des mysteriösen Coronavirus derzeit weiter ansteigen. Und im [1][Gegensatz
zu Sars] sei der neuartige Erreger aus Wuhan auch während der
Inkubationszeit ansteckend. Dies macht eine Eindämmung ungleich schwerer,
schließlich dauert es bis zu zwei Wochen, dass unwissentlich Infizierte
erste Symptome der Lungenkrankheit zeigen. Die Anzahl an Infizierten
könnte also weiter steigen, fügte der Gesundheitsexperte an.
Dabei hat sich allein übers Wochenende die Verbreitung des Coronavirus
erneut vervielfacht: Mit Stand vom Sonntag haben die Behörden mehr als
2.000 Infizierte bestätigt, 56 Tote und mehrere hundert Patienten in
kritischem Zustand.
Die jüngsten Erkenntnisse der Gesundheitskommission erklären die radikalen
[2][Eindämmungsmaßnahmen] der chinesischen Zentralregierung. Allein am
Sonntag wurden über ein Dutzend solcher erlassen: So hat Peking etwa den
Start des kommenden Sommersemesters für sämtliche Schulen und Universitäten
auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die südchinesische Provinz Guangdong hat eine Atemschutzmasken-Pflicht für
all seine Bürger im öffentlichen Raum eingeführt. Sämtliche Gruppenreisen
von Ausländern ins Land wurden gestoppt, auch Chinesen dürfen keine
Pauschalreisen mehr buchen – sowohl im In- als auch Ausland.
Inzwischen hat die Zentralregierung auch den Handel von Wildtieren
verboten, schließlich soll der Erreger von einem Markt für exotische Tiere
in Wuhan stammen. Doch als ganz gesichert gilt auch das nicht. Chinesische
Mediziner vom Jinyintan-Krankenhaus in Wuhan argumentieren, dass der erste
Ansteckungsfall bereits am 1. Dezember entdeckt wurde – vier Wochen vor der
ersten Öffentlichmachung der Lokalregierung. Die betroffene Person hatte
jedoch nachweislich keinen Kontakt zu jenem Tiermarkt in Wuhan. In den
letzten Tagen tauchten allerdings Medienberichte auf, wonach in Wuhan das
Nationale Labor für Biosicherheit stehe. In dem Zentrum wird an Ebola- und
Sars-Viren geforscht. Experten wiesen schon 2017 darauf hin, dass aus dem
Labor Viren austreten könnten.
In Wuhan ist das öffentliche Leben praktisch zum Erliegen gekommen. Die
11-Millionen-Einwohner-Metropole hat am Sonntag nun auch sämtlichen
Autoverkehr auf den Straßen verboten. Die Lage der medizinischen Versorgung
ist prekär. Das belegen Videos, die auf den sozialen Netzwerken kursieren.
Darauf zu sehen sind überfüllte Notaufnahmen, in denen Krankenschwestern
verzweifelte Menschen nach Hause schicken müssen. In einem von Patienten
gefilmten Video schreit ein Arzt in ein Telefon-Headset: „Feuern Sie mich
einfach!“
## Infizierte Ärzte
Laut offiziellen Angaben haben sich 15 Mediziner in Wuhan mit dem
Coronavirus angesteckt, ein Arzt ist verstorben. Die Dunkelziffer liege
jedoch viel höher, erzählte ein Arzt der Hongkonger Zeitung South China
Morning Post. Demnach seien die Spitalangestellten ursprünglich nicht
darüber informiert worden, dass sich das Virus auch über menschlichen
Kontakt verbreiten könne. Zudem fehlten weiterhin Schutzausrüstung und
Testkits.
Auf sozialen Netzwerken berichten Leute in Wuhan und der umliegenden
Hubei-Provinz von leeren Ladenregalen und Preisaufschlägen bei
Lebensmitteln. Eine Nutzerin auf Twitter etwa postete Fotos von einem
Gemüseladen, der nur mehr vereinzelte Salatköpfe führte, für umgerechnet 5
Euro das Stück. Die New York Times berichtet, dass viele Märkte und Läden
geschlossen seien. Chinesische Botschaften im Ausland posteten in den
sozialen Netzwerken Videos, auf denen unzählige Lastwagen auf den
Einfahrtstraßen nach Wuhan zu sehen sind – angeblich mit Lebensmitteln
beladen.
Wirtschaftlich wird die Epidemie wohl schwerwiegende Folgen für China
haben. Über ein Dutzend Städte in der Hubei-Provinz mit mehr als 47
Millionen Menschen wurden abgeschottet und lahmgelegt. Zudem werden die
Konsumausgaben während der chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten, die am
Samstag begonnen haben, wohl massiv einbrechen. 2019 gaben die Chinesen in
dieser Zeit umgerechnet 149 Milliarden Dollar aus. Das wird die
angeschlagene Wirtschaft weiter schwächen. Derzeit wächst diese nur mit 6,1
Prozent, so langsam wie seit 30 Jahren nicht mehr. In einer ersten
Einschätzung geht der Analysedienst Economist Intelligence Unit von einem
Einbruch des Wachstums von bis zu einem Prozentpunkt aus.
## Hysterische Reaktionen
Auch im asiatischen Ausland reagieren die Leute hysterisch. In Südkorea hat
eine Petition auf der Präsidenten-Webseite dazu aufgerufen, „chinesische
Staatsbürger aus unserem Land zu verbannen“. Nach vier Tagen hat die
Initiative bereits über 285.000 Unterschriften sammeln können – obwohl zwei
von bisher drei Infizierten dort südkoreanische Staatsbürger sind.
In Honkong fordern ebenfalls immer mehr Bürger von ihrer Lokalregierung,
die Grenzen zu Festlandchina zu schließen. „Vor wenigen Wochen noch haben
wir Hongkonger darüber geredet, welche Masken uns am besten vor dem
Tränengas der Polizisten schützt. Heute diskutieren wir noch immer über
Masken, aber welche, die uns vom Coronavirus aus China schützen können“,
schreibt Demokratie-Aktivist Joshua Wong auf seinem Twitter-Account.
26 Jan 2020
## LINKS
[1] /Lungenkrankheit-in-China/!5658930
[2] /Coronavirus-in-China/!5653677
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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