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# taz.de -- Furcht vor Altersarmut: Hartz-IV-Niveau wäre Fortschritt
> Statt über die Grundrente zu streiten, sollte man lieber Antragsformulare
> an alle bedürftigen Rentner schicken. So hätten sie Grundsicherung.
Bild: Vergangenen Freitag in München: Kundgebung der Rentner gegen Altersarmut
Kein Thema bewegt die Deutschen so sehr wie die Altersarmut: 79 Prozent der
Bundesbürger halten es für das wichtigste politische Ziel, die Not der
bedürftigen Rentner zu lindern. Das Thema Zuwanderung hingegen landet nur
auf Platz 13 der vordringlichen Sorgen. Es führt also in die Irre, den
öffentlichen Diskurs für die Realität zu halten: In den Medien dominiert
das Thema Flüchtlinge, als gäbe es keine größeren Probleme.
Neu ist es zwar keineswegs, dass die Deutschen die zunehmende Altersarmut
fürchten. Doch politisch tut sich nichts. Erneut klafft eine seltsame
[1][Lücke zwischen Realität und Diskurs]. Zwar wird in der Großen Koalition
langatmig über eine [2][neue und komplizierte Grundrente] gestritten – doch
gleichzeitig werden einfachste Sofortmaßnahmen, die den bedürftigen Alten
schon morgen helfen würden, bewusst vermieden.
Wie arm viele Rentner sind, zeigt eine erschütternde Erhebung des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): 62 Prozent der [3][alten Armen]
nehmen die öffentliche Hilfe nicht in Anspruch, die ihnen zustehen würde.
Im Schnitt liegt ihr Einkommen 220 Euro niedriger als die Summe, die
Hartz-IV-Empfänger erhalten – trotzdem gehen sie nicht zum Sozialamt.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Alten schämen sich, dass sie arm
sind, sie fürchten die Bürokratie, oder sie verstehen das komplexe
Sozialsystem nicht. Zudem unterliegen viele Alte dem Irrtum, ihre Kinder
müssten zahlen, wenn sie Grundsicherung beantragten. 625.000
Rentnerhaushalte darben auf unterstem Niveau, weil sie sich nicht zum
Sozialamt trauen.
Abhilfe wäre gar nicht schwer. Das DIW schlägt beispielsweise vor,
Haushalten mit sehr niedrigen Renteneinkünften einfach ein Antragsformular
zuzuschicken, das schon weitgehend ausgefüllt ist. Natürlich würde es Geld
kosten, die verdeckte Altersarmut zu bekämpfen. Bisher spart der Staat
jährlich zwei Milliarden Euro, weil die armen Alten ihre Rechte nicht
wahrnehmen.
Zwei Milliarden Euro – das ist mehr, als SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil
für seine neue Grundrente ausgeben will, die nur 1,4 Milliarden Euro im
Jahr kosten soll. Heils Grundrente würde nämlich nur jenen zustehen, die
mindestens 33 Jahre in die Rentenkassen eingezahlt haben. Viele arme
Rentner dürften diese Voraussetzung gar nicht erfüllen.
Daher ein Vorschlag: Statt über eine Grundrente zu debattieren, sollten
Union und SPD lieber Antragsformulare an alle bedürftigen Rentner schicken.
Dann hätten sie wenigstens Hartz IV. So tragisch es ist: Das wäre ein
Fortschritt.
27 Jan 2020
## LINKS
[1] /Armutsforscher-zur-SPD-Spitze/!5647916
[2] /Gesetzentwurf-zur-Grundrente/!5657506
[3] /Unterhalb-der-Armutsschwelle/!5609050
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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Altersarmut
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Grundrente
Grundrente
Christoph Butterwegge
Rente
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