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# taz.de -- Steigende Altersarmut in Bremen: Alt werden wird immer unattraktiver
> Viele der 154.000 RentnerInnen in Bremen leben heute schon in Armut,
> rechnet der DGB vor – es wird aber noch schlimmer werden.
Bild: Glück gehabt: Hier ist noch genug übrig, um Enten zu füttern
Bremen taz | Jetzt wird's in Bremen langsam auch für Männer knapp. Also:
Bei der Frage, ob sie im Alter noch eine Rente kriegen, die über der
Armutsgrenze liegt. Bei den Bremerinnen ist das, betrachtet man den
Durchschnitt, eh schon lange utopisch. Und auch wer eine
Erwerbsminderungsrente bekommt, liegt in Bremen fast immer unter der
sogenannten Armutsgefährdungsschwelle von 1.035 Euro. Genauer gesagt: 90
Prozent der Frauen und 81 Prozent der Männer. Und es wird schlimmer werden.
Das geht aus dem [1][Bremer Rentenreport] hervor, den der DGB am Montag
vorstellte.
Zwar ist die durchschnittliche Bestandsrente der Bremer von 2000 bis 2018
um 115 Euro auf 1.176 Euro gestiegen. Angesichts der Kaufkraftverluste
bedeutet das aber ein reales Minus von über 200 Euro. Bremerinnen bekamen
2018 im Schnitt 694 Euro, also 220 Euro mehr als noch 2000 –
kaufkraftbereinigt bleiben davon nur 78 Euro übrig. Und wir reden hier von
insgesamt 154.000 Menschen, also 22,5 Prozent der Gesamtbevölkerung im
Stadtstaat.
Besser sieht es vor allem für Männer aus, die schon früher älter wurden:
Bei drei Vierteln aller Frauen und fast der Hälfte aller Männer, die 2018
in Bremen erstmals eine Rente bekamen, lag diese schon unterhalb der
Armutsgefährdungsgrenze. Neurentner bekamen 2018 nur noch 1.066 Euro,
Neurentnerinnen 728 Euro. Damit liegt das durchschnittliche Rentenniveau
der Frauen trotz dieses leichten Anstiegs immer noch knapp 32 Prozent unter
dem der Männer. Und jede fünfte Neurentnerin bekam weniger als 300 Euro,
zwei Drittel immer noch weniger als 900 Euro. Selbst bei den Neurentnern in
Bremen bekommen über 40 Prozent nicht mal 900 Euro.
Das manches früher doch besser war, kann man an einer anderen Zahl ablesen:
1980 lag das Rentenniveau nach immerhin 45 vollen Versicherungsjahren noch
bei fast 58 Prozent – verglichen mit dem Nettoeinkommen. 2010 waren es
immer noch knapp 52 Prozent, heute sind es aber nur noch 48 Prozent. Das
soll jetzt zwar bis 2025 so bleiben. Bis 2030 darf es aber auf 43 Prozent
sinken. Der DGB fordert, dass die Grenze wieder auf 50 Prozent steigt. „Das
ist nicht utopisch“, sagt Bremens DGB-Chefin Annette Düring.
## Viele atypisch Beschäftigte
Eine Ursache der [2][sinkenden Renten]: Die Zahl der sogenannten atypischen
Jobs nimmt immer weiter zu. Dazu zählen Teilzeit- und LeiharbeiterInnen
sowie MinijobberInnen. Ihr Anteil in Bremen liegt heute – wie im
Bundesdurchschnitt – bei rund 40 Prozent, 2003 waren es noch weniger als 32
Prozent. Und Frauen sind in weitaus höherem Maße atypisch beschäftigt als
Männer. Um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen, muss man 45
Jahre lang 38,5 Stunden sozialversicherungspflichtig arbeiten und dabei
mindestens 12,63 Euro pro Stunde verdienen.
Das durchschnittliche Rentenalter in Bremen liegt übrigens bei 64 Jahren,
bei Frauen wie bei Männern. Die Idee der Rente mit 67 sei ein „Irrweg“ so
der DGB. Dafür spricht, dass immer mehr Menschen immer früher in Rente
gehen: 2003 bezogen 1.400 Männer und Frauen in Bremen eine
Erwerbsminderungsrente, 2018 waren es über 6.500. Und die waren im Schnitt
52 Jahre alt, als sie in Rente gingen.
Annette Düring fordert angesichts dessen unter anderem besseren
Gesundheitsschutz, steigende Erbschaftssteuern und erhöhte
Sozialversicherungsabgaben – außerdem müsse die Gewerkschaft für eine
steigende Tarifbindung sorgen.
20 Jan 2020
## LINKS
[1] https://bremen.dgb.de/schlaglicht/++co++4ff1b32a-384e-11ea-ae2c-52540088cada
[2] https://www.youtube.com/watch?v=XgwJv0dIdsU
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
rente mit 67
Rente
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Soziale Gerechtigkeit
Grundrente
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