# taz.de -- Die gescheiterte Organspendereform: Typisch deutsche Stagnation | |
> Es ist zu bedauern, dass die Widerspruchslösung nicht kommt. Allerdings | |
> hat Spahn ihre Folgen und Grenzen nicht pragmatisch genug dargestellt. | |
Bild: Nierentransplantation im Klinikum in Bremen | |
Es war [1][ein trauriger Tag], der Donnerstag, als die doppelte | |
Widerspruchslösung für die Organspende im Bundestag scheiterte – ein | |
Gesetzentwurf, der tatsächlich einen Unterschied gemacht hätte für die auf | |
Spenderorgane wartenden Schwerkranken in Deutschland. Aber, typisch | |
deutsch, die Ideologisierungen waren zu stark, die Vorbehalte vor | |
Veränderungen zu groß. | |
[2][In der Debatte] wurde die „Selbstbestimmung“ betont, die das | |
gescheiterte Gesetz angeblich verletzen könnte. Schon krass, dass die | |
Notwendigkeit, in Familien über die Haltung zu einer Organspende zu | |
sprechen, gleich als Zumutung und Angriff auf die Selbstbestimmung | |
gegeißelt wird. | |
In Wertedebatten ist man in Deutschland ja immer ziemlich groß; wenn es um | |
die pragmatische Verminderung menschlichen Leids geht, hingegen oftmals | |
gleichgültiger. Bemerkenswert auch der Hang zur Übertreibung: In den | |
Debatten hatte man mitunter den Eindruck, hier ginge es um die | |
bedingungslose Ausweidung von Toten gegen deren Willen. Die Tatsachen | |
spielten dabei eine geringere Rolle, zum Beispiel, dass man sich mit der | |
Widerspruchslösung gar nicht unbedingt in ein zentrales Datenregister der | |
Neinsager hätte eintragen lassen müssen, würde man eine Organspende | |
ablehnen. Ein schriftlicher Widerspruch, ein Zettel im Portemonnaie, ein | |
Hinweis an Angehörige oder Nahestehende hätte schon gereicht, so stand es | |
im Gesetzentwurf. | |
Man kann den Abgeordneten um CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und | |
SPD-Mann Karl Lauterbach, die für die Widerspruchslösung kämpften, | |
allerdings vorwerfen, dass sie die Ängste der [3][GegnerInnen ihres | |
Entwurfs] zu wenig ernst genommen haben. Stattdessen argumentierten sie vor | |
allem mit dem Leid der Schwerkranken, die auf Spenderorgane warten. | |
Diese Argumentation aber erzeugt moralischen Druck, und der schafft | |
Unbehagen und geht oft nach hinten los. Die archaischen Ängste vor | |
leichtfertiger Organentnahme, vor einem Entscheidungszwang wurden zu wenig | |
aufgegriffen und die Folgen und übrigens auch Grenzen der | |
Widerspruchslösung nicht pragmatisch genug dargestellt. | |
Der nun verabschiedete Gesetzentwurf zu einer Entscheidungsregelung lässt | |
im Grundsatz alles, wie es ist. Deutschland bleibt eines der wenigen | |
EU-Länder ohne Widerspruchslösung. Man kann nur hoffen, dass sich als | |
Spätfolge der Diskussion wenigstens die „Spendenkultur“ in Deutschland | |
verbessert, dass sich mehr Menschen, auch im Gespräch mit Angehörigen, zur | |
möglichen Organspende bekennen und entsprechende Ausweise mit sich führen, | |
dass die Krankenhäuser, personell und finanziell besser ausgestattet | |
werden, um mehr potenzielle Organspender medizinisch zu erkennen und zu | |
melden. Das zumindest bleibt als Hoffnung nach diesem unerfreulichen Tag. | |
16 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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