# taz.de -- Kassenbon ist jetzt Pflicht: Zeit für neue Ideen | |
> Die einen wettern, die anderen suchen nach Lösungen: Neben Netto und | |
> Edeka setzt auch Alnatura künftig auf umweltfreundliches Papier für | |
> Kassenbons. | |
Bild: Protest gegen die Bonpflicht in einem Restaurant in Karlsruhe im Dezember | |
BERLIN taz | Die neue Ausgabepflicht für Kassenbons sorgt auch in ihren | |
ersten Praxis-Tagen für Gesprächsstoff. Der organisierte Einzelhandel wehrt | |
sich weiterhin auf allen Ebenen und versucht, die Kund!nnen zum Widerstand | |
gegen das „[1][Kassengesetz für mehr Steuergerechtigkeit]“ zu animieren. | |
Eine wachsende Zahl einzelner Unternehmen versucht sich dagegen an | |
möglichst unaufwändigen und umweltfreundlichen Lösungen. | |
Seit dem ersten Januar sind Einzelhändler verpflichtet, für jeden | |
Bezahlvorgang einen Kassenbeleg auszustellen. Das bereits Ende 2016 | |
beschlossene Gesetz ist dabei „bewusst technologie-neutral ausgestaltet“, | |
wie es beim Bundesfinanzministerium heißt. Die Belege können sowohl in | |
Papierform als auch per Mail oder auf das Handy ausgegeben werden. | |
Die Bonpflicht soll verhindern, dass der öffentlichen Hand weiterhin | |
Steuereinnahmen entgehen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit fingierten | |
Rechnungen oder manipulierten Kassen nicht oder falsch erfassen. Die | |
Steuergewerkschaft beziffert den jährlichen Schaden auf rund zehn | |
Milliarden Euro. Schweden, Slowenien, Tschechien, Österreich und andere | |
Länder haben schon länger eine Ausgabepflicht. | |
Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland | |
(HDE), kritisierte das Kassengesetz als „überflüssig, teuer und | |
umweltschädlich“, insgesamt müssten 2020 „mehr als 2 Millionen Kilometer | |
zusätzliche Kassenbons“ ausgedruckt werden. Einige Bäckereien posteten | |
Bilder von zurückgelassenen Papierschlangen-Haufen in den sozialen Medien, | |
andere Fachgeschäfte riefen dazu auf, gesammelte Kassenbons „in den | |
Briefkasten des Finanzamts“ zu stopfen. | |
## Übliche Kassenzettel gehören ins den Restmüll | |
Auch Umweltverbände wie der BUND kritisieren den „unnötigen | |
Ressourcenverbrauch“. Tatsächlich sind die Kassenzettel nicht nur wegen der | |
puren Menge wenig umweltfreundlich. Das übliche Material ist ein mit | |
verschiedenen Chemikalien beschichtetes Thermopapier, das unter anderem | |
Bisphenol A freisetzen kann. Dieses gilt als hormoneller Schadstoff und ist | |
beispielsweise verdächtig, krebserregend zu sein und Diabetes zu fördern. | |
Übliche Bons gehören deshalb nicht ins Altpapier, sondern in den Restmüll. | |
Allerdings gibt es Alternativen zum Thermopapier. Am Donnerstag kündigte | |
nach Edeka und Netto die Bio-Supermarktkette Alnatura an, ab dem Frühjahr | |
schrittweise auf Kassenbons aus umweltfreundlich hergestelltem Papier | |
umzustellen. Viele kleinere Bio-Läden nutzen schon länger den sogenannten | |
Blue4est-Bon eines badischen Herstellers. Dieser besteht ebenfalls aus | |
Thermopapier, das in den handelsüblichen Thermodruckern verwendet werden | |
kann. Laut Alnatura wird es „aus FSC-zertifiziertem Holz aus nachhaltiger | |
Forstwirtschaft hergestellt, kommt ohne chemische Farbentwickler aus und | |
kann deshalb über das Altpapier entsorgt werden. | |
„Ein großer Teil unserer Kundinnen und Kunden hat in der Vergangenheit aus | |
Umweltschutzgründen auf einen gedruckten Kassenbon verzichtet“, sagt | |
Geschäftsführer Rüdiger Kasch. Die nachhaltigere Variante sei im Einkauf | |
zwar „deutlich teurer, dennoch freuen wir uns, mit dem neuen Kassenbon eine | |
möglichst ressourcenschonende Alternative gefunden zu haben“. Der FAZ | |
zufolge soll der Mehrpreis bei rund zehn Prozent liegen. | |
## Ist die Zukunft papierlos? | |
Auf Dauer prüft die Bio-Kette deshalb eine digitale, also gänzlich | |
papierlose, Variante wie sie die konventionelle Supermarktkette Rewe | |
bereits seit Dezember anbietet. Dort können sich Kund!nnen den Kassenzettel | |
als Email senden lassen. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte die | |
Marktforschungsgruppe Yougove eine Umfrage veröffentlicht, nach der die | |
Mehrheit der Bundesbürger!nnen sich den Bons lieber zusenden als ausdrucken | |
lassen würde – wobei es große Unterschiede zwischen den Altersklassen gab. | |
Praktischer als an der Kasse die Email-Adresse eintippen zu müssen, sollen | |
Apps sein, die in den kommenden Wochen auf den Markt kommen sollen. | |
Bill.less aus Böblingen beispielsweise bietet auf seiner Webseite schon | |
eine Testversion an. Auch Anybill aus Regensburg, Wunderbon aus Düsseldorf | |
und Epap aus Münster arbeiten an Apps, die Kassenzettel nicht nur abbilden, | |
sondern auch sammeln. So können sie auch für einen möglichen Umtausch oder | |
Garantiefall genutzt oder auch dem Steuerberater vorgelegt werden. | |
Etwas Zeit, sich Gedanken zu machen, ist aber ohnehin noch. Denn die Regeln | |
des Kassengesetzes lassen sich nur dann voll erfüllen, wenn die Kassen eine | |
besondere Sicherheitsausstattung haben. Und die ist bislang nicht bei allen | |
Kassenanbietern ausgereift. Deshalb gilt eine Übergangsfrist bis September | |
2020. | |
3 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2019-11-19-steuergere… | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
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