Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Wolle unter Wölfen
> Ach wie gut, dass niemand weiß, warum dem Teufel das Spinnen missfällt
> und heute aber allüberall nur noch gesponnen wird.
Bild: Müllerstochter nebst Rumpelstilzchen, damals
Der Mensch hat schon immer gern gesponnen und das missfiel dem Teufel.
Übellaunig zog dieser durch das Land und fragte die Spinner und
Spinnerinnen, ob sie des Kämmens und Dublierens, des Vor- und Nachspinnens
nicht müde wären? Nö, man spönne gern, bekam der Teufel zu hören und darob
ärgerte er sich sehr.
Er beschloss, den Menschen mit teuflischen Maschinen den Spaß am Spinnen zu
verleiden. Er steckte dem Wolfenburger Johannes Jürgens eine kleine
Zeichnung mit einem bequemen Trittrad zu, und schon bald schnurrten überall
im Land Spinnräder mit Trittrad. Das perfide Streckwalzenpatent und
teuflische Flügelspindel folgten. Beides einfach zusammengesetzt, und schon
war die erste Spinnmaschine 1741 fertig. Die zweite wurde dann schon durch
Esel in Bewegung gesetzt, und der Mensch konnte spinnen, ohne einen Finger
krumm zu machen. Das gefiel den törichten Menschen, so hatten sie mehr Zeit
für ihre Daddelspiele, Topfschlagen und aus dem Fenster gucken.
Lange vorbei die Zeit der gemütlichen Spinnstubenplaudereien, heutzutage
fallen die Reiß- und Schlagwölfe des Teufels über die armen Wollfädchen
her, die, kaum den Wölfen entronnen, von Press- und Wickelwalzen
zusammengedrückt werden und dann unter die fiesen Kratzen von Teufels
Großmutter fallen. Die Kratzen schlagen ihre „nadelartigen Zähnchen“
(„Meyers Konservationslexikon“) in die Wollfasern. Ungeduldig warten im
Nebenraum die Igelkrempel, die die Wolle pieken und krempeln, was das Zeug
hält. Danach fallen auch noch die gefürchteten Würgelzeuge über die völlig
verstörten Wollfasern her. Am Streckwerk gestreckt und in der
Drosselmaschine verschreckt wird die Wolle dann – „ach!“ – auf die
Ringspindelbank geworfen, ehe sie völlig zerstochen zur Entkräuselung in
die Plettmaschine geworfen wird. Und warum das alles? Damit die Wolle fit
gemacht wird für die Zerreißproben am Wühltisch und in den
Schnäppchenmärkten, erläutert ein Wollwirtschaftler mit diabolischem
Lächeln.
Wer den Leidensweg unserer Wolle jemals mitansehen musste, dem vergeht
natürlich jegliche Lust aufs Spinnen daheim. Vorbei deshalb die Zeit der
guten alten Athene, die noch liebevoll die Fäden von Hand verspann. Dass
dabei der Flachs blühte und hemmungslos herumgesponnen wurde, muss
niemandem erzählt werden. Und auch nicht, dass Entspannung von Spinnen
kommt. Jedenfalls ist es traurig, dass heutzutage nur noch gesponnen wird,
ohne zu spinnen.
Und der Teufel? Der hat viel Spaß und erfindet weiter. Unlängst hat er die
teuflische Intelligenz (TI) erfunden, die kombiniert mit seinen teuflischen
Maschinen den Menschen völlig überflüssig machen soll. Fein gesponnen,
Teufel!
10 Jan 2020
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Märchen
Brüder Grimm
Rumpelstilzchen
Feministisches Pop-Lexikon
Kinderbücher
Tiere
Twitter / X
DC Comics
Namen
Garten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Schlagwort-Schlagsahne
Auf der Suche nach der verlorenen Zeile. Eine Hommage an die
Titelzeilenredakteure alter Enzyklopädien und Wörterbücher.
Die Wahrheit: Was liest der kleine Angsthase?
Gute Bücher für die Quarantäne! Für Alt und Jung! Wer bereits alles
weggesaugt hat, findet hier Tipps für den Nachschub.
Die Wahrheit: Im Namen der Hodenfee
Lange wurden Flora und Fauna mit albernen Bezeichnungen verhöhnt. Doch nun
gilt endlich das Gute-Namens-Gesetz.
Die Wahrheit: Zettels Traumtänzer
Twitter-Jugend voll im Trend der Zeit: Twittern einmal ganz anders – analog
mit Stiften und auf Papier. Die brandneue Sensation!
Die Wahrheit: Geplünderte Schmökergräber
Auf der Jagd nach Schmutz und Schund hat sich in den letzten Jahrzehnten
einiges angesammelt. Ein Rückblick in ein düsteres Jahrhundert des Unrats.
Die Wahrheit: Das hat Kevin nicht verdient
Es lebe die Poesie der Namen! Die Erforschung sinnloser Vornamen ist nicht
nur verdienstvoll, sondern auch höchst aufschlussreich.
Die Wahrheit: Schuffliges Schreberdeutsch
Jetzt unter einem uralten Komposthaufen entdeckt: die Geheimsprache des
Gärtnerns. Wie Pflanzenfreunde den Dialog mit ihren Schützlingen pflegen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.